Lindauer Zeitung

Konzertnac­ht zwischen Klassik und Jazz

20. „Lange Nacht der Musik“im Forum am See hält, was sie verspricht

- Von Babette Caesar

LINDAU - Die „Lange Nacht der Musik“am Samstag im Forum am See hat auch im 20. Jahr ihres Bestehens gehalten, was sie verspricht. Sie war lang bis weit nach Mitternach­t, sie war hochkaräti­g mit internatio­nalen Spitzenmus­ikern besetzt, die die Nacht virtuos mit Klassik und Jazz gestaltete­n, und sie war kurzweilig, was in den Pausen den gesellscha­ftlichen Aspekt angeht. All das machte diese Nacht zu einem musikalisc­hen Highlight von exzellente­m Genuss.

„Also, Peter, eine Sternstund­e war das“, sagte ein Zuhörer in der zweiten Pause nach dem Auftritt des Zürcher Amar-Quartetts zusammen mit der amerikanis­chen Pianistin Claire Huangci. Peter Vogel, Präsident des Internatio­nalen Konzertver­eins Bodensee, moderierte den Abend in seiner humorvolle­n, elektrisie­renden und offenen Art, deren Charme man sich nicht erwehren kann. Er blickte anlässlich des Jubiläums auf den Beginn dieser außergewöh­nlichen Konzertrei­he im Herbst 1999 zurück, als das aus dem 14. Jahrhunder­t stammende Haus gerade fertig renoviert war. Der neu darin platzierte Flügel sollte eingespiel­t werden – von dem Pianisten Peter Vogel, der schließlic­h auch die Idee zu diesem Format hatte.

„Gibt es das noch auf der Erde wie hier“, lautete ein weiterer spontaner Besucherko­mmentar als Würdigung der Interpreta­tionen von Robert Schumanns drittem Streichqua­rtett op. 41 und Antonín Dvoráks zweitem Quintett für Klavier und Streicher op. 81. Zuvor machten die wunderbare­n Miniaturen in Gestalt von acht Sonaten für Klavier in G-Dur von Domenico Scarlatti mit Claire Huangci am Flügel den Auftakt.

Die Tochter chinesisch­er Eltern, die schon mehrfach hier gastierte, hat sich internatio­nal ihren Platz erobert. Jüngst ausgezeich­net mit dem Zürcher „Concours Géza Anda“widmete sie ihren Auftritt Scarlattis technisch raffiniert­en Pretiosen, die sie noch steigerte in Sergej Rachmanino­ws Préludes op. 23. Sie ist eine hochenerge­tische Solistin, die sich ohne Hemmschwel­le der Werke beider Komponiste­n bemächtigt. Ihr Anschlag ist ebenso zupackend wie in den langsamen Sätzen von poetisch gefärbter Manier. Im Sinne Scarlattis Intention, in den Sonaten „eher den geistreich­en Spaß der Kunst der Übung der Freiheit als profunde Gelehrsamk­eit“zum Ausdruck zu bringen, erklang die Fülle üppiger Harmonien in Rachmanino­ws Préludes klar, schnörkell­os und „ohne Umschweife“. Sehr interessan­t sei es, anhand der acht ausgewählt­en Stücke zu sehen, wie sich Rachmanino­ws Kompositio­nsstil entwickelt habe, erläuterte Huangci die melodische­n Extreme zwischen pompösen, elegischen und bisweilen schmerzend­en Schattieru­ngen. Stillstand dulden sie keinen Moment.

Mit Robert Schumanns A-DurStreich­quartett betrat das AmarQuarte­tt die Bühne. „Heute in neuem Antlitz“, stellte Peter Vogel das renommiert­e Ensemble vor. Gründerin Anna Brunner und Annina Wöhrle an den Violinen, Bratschist Marko Milenkovic und Cellist Ofer Canetti entzündete­n ein stürmische­s Drängen in einem aufgeladen­en Zusammensp­iel, das von Besuchern in Dvor áks Quintett gleich nach dem ersten Allegro-Satz mit Bravorufen goutiert wurde. Mit Huangci am Flügel verlangten die vier Sätze den Interprete­n alles an Tempo und sinfonisch­er Monumental­ität, an feinsinnig­em Gespür für den Wechsel hin zu melancholi­schen Partien und dem wirbelnden Tanz der Dumka, einem ukrainisch­en Volkstanz.

Brillantes Cross-over-Duo aus Klassik und Jazz

Dass diese Nacht nicht ausschließ­lich der Klassik geweiht war, machten die Pianistin Anny Hwang und der Saxofonist Markus Ehrlich deutlich. Sie, die waschechte Klassikeri­n, habe schon als kleines Mädchen hier bei den Klavierfes­tivals junger Meister gespielt, so Vogel. Ihn, den Jazzer, habe er in Annys Berliner Studio kennengele­rnt.

Den Weg eines kreativen Umgehens mit Meistern wie George Gershwin oder Maurice Ravel wolle dieses Cross-over-Duo beschreite­n. Das bereichert­e den Abend um ein Vielfaches. Mittels brillanter Spieltechn­iken, neben die die offene lustvolle Freude trat. So sprach Anny Hwang über ihr Fach, das von Notenvorga­ben bestimmt ist, an denen sie nichts verändern darf. Jazzer hingegen schrieben ständig um, und aus dieser Erkenntnis heraus, kommt es zu einer hinreißend­en Symbiose. Sie schaffen es, eine innere Spannung von verführeri­scher Qualität aufzubauen. Ihr „Summertime“ist von einem autarken Klavierpar­t und einem fulminante­n Saxofon-Solo geprägt. Das verlieh der Nacht ein weiteres Highlight, dem nach Mitternach­t wie all die Jahre zuvor die „Zuckerle“folgten.

 ?? FOTO: BC ?? Pianistin Anny Hwang und Saxofonist Markus Ehrlich bereichern den klassische­n Abend mit Jazz.
FOTO: BC Pianistin Anny Hwang und Saxofonist Markus Ehrlich bereichern den klassische­n Abend mit Jazz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany