„Die Ansprüche sind gesetzt, auch wenn es rückwärts geht“
Fachmann mahnt zur Vorsicht: Staat schafft Standards, von denen es auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten kein Zurück gibt
KREIS LINDAU - Den Städten und Gemeinden in Bayern geht es finanziell gut. Das gilt auch für die Kommunen im Landkreis Lindau. Doch das muss nicht so bleiben. „Irgendwann kommt die Rezession“, sagte HansPeter Mayer, Präsidialmitglied des Bayerischen Gemeindetages, bei der Bürgermeisterversammlung in Scheidegg. Der Fachmann für öffentliche Finanzen warnte deshalb die Gemeindechefs, zusätzliche neue Aufgaben zu übernehmen.
Ein Risikofaktor für die Finanzen der Gemeinden scheint aus der Welt. Seit Ende vergangener Woche liegt ein Kompromissvorschlag für die Erhebung der Grundsteuer auf dem Tisch. Das war beim Vortrag von Mayer in der Bürgermeisterrunde noch nicht absehbar. Er äußerte angesichts der verfahrenen Verhandlungen Befürchtungen, die Steuer könnte ganz unter den Tisch fallen. Das aber wäre für die Kommunen fatal. Allein die Städte und Gemeinden im Landkreis nehmen darüber mehr als elf Millionen Euro im Jahr ein. „Ohne die Grundsteuer oder einen Ersatz geht es nicht“, beschreibt Uli Pfanner die Lage. Der Scheidegger Bürgermeister ist Vorsitzender des Gemeindetages im Landkreis Lindau.
Allerdings bereitet dem Gemeindetag nicht nur die Grundsteuer Kopfzerbrechen. Kritisch sieht Mayer das Finanzgebaren von Bund und Land. Der Politik sei es in den vergangenen Jahren trotz Rekordeinnahmen nicht gelungen, den Investitionsstau nennenswert abzubauen. Zudem kreiere die Politik ständig neue Aufgaben. Mayer mahnte die Bürgermeister deshalb, genau hinzusehen, bevor sie ein Förderprogramm in Anspruch nehmen. Oft gebe es die Mittel für Dinge, die eigentlich nicht zu den Aufgaben der Kommunen gehören.
Sprengstoff enthält aus Sicht des Gemeindetages der Koalitionsvertrag in Bayern. Mayer nannte unter anderem das Thema Kinderbetreuung. Dort sei von einer Verbesserung der Qualität die Rede. Das ziele auf eine Veränderung des Betreuungsschlüssels und damit mehr Personal in den Kindertagesstätten ab. Neben der Frage der Finanzierung sei es völlig unklar, wie Der Scheidegger Bürgermeister Uli Pfanner das nötige Fachpersonal zu finden sei.
Ebenfalls geplant ist laut Mayer ein Förderprogramm für Gemeinden, die Kita-Busse einführen. Sie sollen die kleinsten Einwohner in die Kindertagesstätte bringen. Dafür brauche es dann Begleitpersonen in den Bussen. „Sie können schon mal ihre Rentner mobilisieren“, sagte Mayer zu den Bürgermeistern.
Mit Blick auf die angekündigte Kostenfreiheit des Kindergartens sprach Mayer von einem „in gewisser Weise fatalen Signal an die Eltern“. Sorge bereitet dem Fachmann des Gemeindetages das, weil die goldenen Zeiten irgendwann einmal vorbei sein werden. Keiner mache sich Gedanken, wie die „Standards dann zu finanzieren sind“, sagte Mayer. Zurückdrehen ließen sich die Dinge nicht mehr, auch wenn die Gemeinden weniger Geld in der Kasse haben. „Die Ansprüche sind gesetzt, auch wenn es mal rückwärts geht.“
Keine großen Hoffnungen auf hohe Zuschüsse machte Mayer den Gemeinden, die ein Schwimmbad sanieren oder neu bauen wollen. Dazu gehören Röthenbach mit dem Freiund Lindenberg mit dem Hallenbad. Der Freistaat plane zwar ein Förderprogramm für die Sanierung kommunaler Bäder. Das wolle er aber nur mit 20 Millionen Euro ausstatten. Angesichts eines Sanierungsbedarfs von 500 Millionen Euro bei den Freiund 700 Millionen Euro bei den Hallenbädern sei das „viel zu wenig“. Zudem stehe der Freistaat „extrem auf der Bremse“, wenn es darum gehe, Flächen als förderfähig anzuerkennen. Fraglich ist aus Sicht des Gemeindetages, ob das Land etwas ändert. Mayer: „Wir haben unsere Meinung dazu klar gesagt. Seitdem herrscht Funkstille.“
„Ohne die Grundsteuer oder einen Ersatz geht es nicht.“