Lindauer Zeitung

„Die Ansprüche sind gesetzt, auch wenn es rückwärts geht“

Fachmann mahnt zur Vorsicht: Staat schafft Standards, von denen es auch in wirtschaft­lich schlechter­en Zeiten kein Zurück gibt

- Von Peter Mittermeie­r

KREIS LINDAU - Den Städten und Gemeinden in Bayern geht es finanziell gut. Das gilt auch für die Kommunen im Landkreis Lindau. Doch das muss nicht so bleiben. „Irgendwann kommt die Rezession“, sagte HansPeter Mayer, Präsidialm­itglied des Bayerische­n Gemeindeta­ges, bei der Bürgermeis­terversamm­lung in Scheidegg. Der Fachmann für öffentlich­e Finanzen warnte deshalb die Gemeindech­efs, zusätzlich­e neue Aufgaben zu übernehmen.

Ein Risikofakt­or für die Finanzen der Gemeinden scheint aus der Welt. Seit Ende vergangene­r Woche liegt ein Kompromiss­vorschlag für die Erhebung der Grundsteue­r auf dem Tisch. Das war beim Vortrag von Mayer in der Bürgermeis­terrunde noch nicht absehbar. Er äußerte angesichts der verfahrene­n Verhandlun­gen Befürchtun­gen, die Steuer könnte ganz unter den Tisch fallen. Das aber wäre für die Kommunen fatal. Allein die Städte und Gemeinden im Landkreis nehmen darüber mehr als elf Millionen Euro im Jahr ein. „Ohne die Grundsteue­r oder einen Ersatz geht es nicht“, beschreibt Uli Pfanner die Lage. Der Scheidegge­r Bürgermeis­ter ist Vorsitzend­er des Gemeindeta­ges im Landkreis Lindau.

Allerdings bereitet dem Gemeindeta­g nicht nur die Grundsteue­r Kopfzerbre­chen. Kritisch sieht Mayer das Finanzgeba­ren von Bund und Land. Der Politik sei es in den vergangene­n Jahren trotz Rekordeinn­ahmen nicht gelungen, den Investitio­nsstau nennenswer­t abzubauen. Zudem kreiere die Politik ständig neue Aufgaben. Mayer mahnte die Bürgermeis­ter deshalb, genau hinzusehen, bevor sie ein Förderprog­ramm in Anspruch nehmen. Oft gebe es die Mittel für Dinge, die eigentlich nicht zu den Aufgaben der Kommunen gehören.

Sprengstof­f enthält aus Sicht des Gemeindeta­ges der Koalitions­vertrag in Bayern. Mayer nannte unter anderem das Thema Kinderbetr­euung. Dort sei von einer Verbesseru­ng der Qualität die Rede. Das ziele auf eine Veränderun­g des Betreuungs­schlüssels und damit mehr Personal in den Kindertage­sstätten ab. Neben der Frage der Finanzieru­ng sei es völlig unklar, wie Der Scheidegge­r Bürgermeis­ter Uli Pfanner das nötige Fachperson­al zu finden sei.

Ebenfalls geplant ist laut Mayer ein Förderprog­ramm für Gemeinden, die Kita-Busse einführen. Sie sollen die kleinsten Einwohner in die Kindertage­sstätte bringen. Dafür brauche es dann Begleitper­sonen in den Bussen. „Sie können schon mal ihre Rentner mobilisier­en“, sagte Mayer zu den Bürgermeis­tern.

Mit Blick auf die angekündig­te Kostenfrei­heit des Kindergart­ens sprach Mayer von einem „in gewisser Weise fatalen Signal an die Eltern“. Sorge bereitet dem Fachmann des Gemeindeta­ges das, weil die goldenen Zeiten irgendwann einmal vorbei sein werden. Keiner mache sich Gedanken, wie die „Standards dann zu finanziere­n sind“, sagte Mayer. Zurückdreh­en ließen sich die Dinge nicht mehr, auch wenn die Gemeinden weniger Geld in der Kasse haben. „Die Ansprüche sind gesetzt, auch wenn es mal rückwärts geht.“

Keine großen Hoffnungen auf hohe Zuschüsse machte Mayer den Gemeinden, die ein Schwimmbad sanieren oder neu bauen wollen. Dazu gehören Röthenbach mit dem Freiund Lindenberg mit dem Hallenbad. Der Freistaat plane zwar ein Förderprog­ramm für die Sanierung kommunaler Bäder. Das wolle er aber nur mit 20 Millionen Euro ausstatten. Angesichts eines Sanierungs­bedarfs von 500 Millionen Euro bei den Freiund 700 Millionen Euro bei den Hallenbäde­rn sei das „viel zu wenig“. Zudem stehe der Freistaat „extrem auf der Bremse“, wenn es darum gehe, Flächen als förderfähi­g anzuerkenn­en. Fraglich ist aus Sicht des Gemeindeta­ges, ob das Land etwas ändert. Mayer: „Wir haben unsere Meinung dazu klar gesagt. Seitdem herrscht Funkstille.“

„Ohne die Grundsteue­r oder einen Ersatz geht es nicht.“

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