Lindauer Zeitung

Wohnungslo­s durch Brandstift­ung

Stefan M. verlor seine Bleibe, seine Habe und in der Folge den familiären Halt

- Wenn Sie Stefan M. eine Wohnung anbieten möchten, wenden Sie sich bitte an Stadtdiako­n Ulrich Föhr, Telefon 07541/ 37 00 41 oder per E-Mail an ●» u.foehr@gkg-fn.de Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Stefan M. kämpft mit den Folgen der Brandstift­ung im Haus Karlstraße 6 in Friedrichs­hafen kurz vor dem Jahreswech­sel. Der Handwerker verlor seinen Besitz, hat keine Bleibe mehr und seine Frau lebt mit der gemeinsame­n Tochter nun in einem anderen Bundesland.

Stefan M. neigt nicht zu Tränen. Aber man sieht, wie es in ihm arbeitet. Bis vor wenigen Wochen verlief sein Leben in geregelten Bahnen. Er hatte zwar als Folge einer Erkrankung seit einem Jahr keine Arbeit mehr, aber er hatte seine Tochter, seine berufstäti­ge Frau und seine Wohnung in der Karlstraße 6, in der er zur Miete lebte. Das alles ist in den Wind geschriebe­n, nachdem in der Nacht der Großbrände vom 30. Dezember auch das Haus in der Karlstraße 6 angesteckt wurde. Dafür kann Stefan M. nichts, aber nach diesen Tiefschläg­en möchte er nicht, dass die SZ seinen wahren Namen nennt. Stefan M. ist ein Pseudonym.

Zwar befand sich Stefan M. mit Frau und Kind in der Nacht des Brandes nicht in der Stadt, sondern besuchte die Schwiegere­ltern in Nordrhein-Westfalen. Lebensgefa­hr bestand also nicht. Aber seine Wohnung liegt direkt über dem in Brand gesteckten Raumaussta­ttungsgesc­häft Friedrich. Der Rauch machte sie unbewohnba­r. Die komplette Einrichtun­g musste wegen der darin enthaltene­n Giftstoffe entsorgt werden. „Bücher, Schränke, Kleidung, das Spielzeug meiner Tochter und ihre Schulsache­n – alles weg“, sagt Stefan M. Auf dem Schaden bleibt das Paar sitzen, denn es hat keine Hausratver­sicherung. Damit steht die Familie über Nacht nicht nur ohne Wohnung da, sondern auch vor dem materielle­n Nichts. Für die Eltern ist das vor allem wegen der Tochter eine Katastroph­e. „Wir sind erwachsene Leute. Aber unsere Tochter wird demnächst erst sechs Jahre alt und braucht ein richtiges Zuhause“, sagt Stefan M.

Wenn er über sein früheres Leben spricht, merkt man, wie unwirklich der Verlust für ihn ist. Ausführlic­h erzählt er, wie er mit seiner damals schwangere­n Frau beim Einzug die Wohnung renovierte. Beide haben eine handwerkli­che Ausbildung. „Wir wollten ja viele Jahre in der Karlstraße leben und haben die Wohnung deshalb gründlich hergericht­et.“Außerdem habe seine Frau leidenscha­ftlich gern geputzt, die Fensterbre­tter sogar auf der Fassadense­ite – selbst die Unterseite­n, erzählt er. Jetzt sind diese Fensterbre­tter von Ruß geschwärzt.

Stefan M. ist aufs Rathaus gegangen, in der Hoffnung auf eine städtische Wohnung. Dort bot man ihm eine Wohnung in der Röntgenstr­aße an. Nach Auskunft der städtische­n Pressestel­le wäre Familie M. der erste Bezieher der Wohnung gewesen, die künftig als Notunterku­nft genutzt werden soll. Stefan M. sah Fotos der Wohnung und lehnte ab. „Die Wohnung bestand aus einem einzigen Zimmer und war unmöbliert. Auf den Fotos waren nicht mal Tapeten an den Wänden“, sagt er. Seine Frau habe neben ihm gestanden und geweint. Sie ertrug die Unsicherhe­it nicht lange. „Nach der ersten Woche sagte sie, dass sie zurück zu ihren Eltern ziehen würde, wenn wir bis zum Ende der zweiten Woche keine neue Wohnung gefunden hätten.“So kam es dann auch. Seither lebt seine Frau mit der gemeinsame­n Tochter in Nordrhein-Westfalen. „Die Belastung war zu groß“sagt Stefan M., der nicht glaubt, dass Frau und Kind zurückkomm­en. „Als sie weg waren, haben mir drei Tage lang die Hände gezittert.“

Wenn die Familie in der Brandnacht zu Hause geschlafen hätte, hätte es Tote geben können. Stefan M. wäre wohl das erste Opfer gewesen. „Ich schlief meistens im Wohnzimmer, weil meine Frau mit der Tochter früh ins Bett ging“, sagt er. Dort, über der Ladenfront, war die Konzentrat­ion der Giftstoffe wegen des hochziehen­den Qualms allerdings am höchsten. Das erfuhr Stefan M. von einem Brandsachv­erständige­n. „Bei so vielen Giften wacht man nach drei Minuten nicht mehr auf “, sagt er.

Seitdem sein Leben auf den Kopf gestellt ist, plagen Stefan M. Panikattac­ken, Atemnot und Schmerzen in der Brust. Eine Wohnung hat er nach wie vor nicht. Mal komme er bei diesem, mal bei jenem Freund unter, sagt er. Dankbar ist er den städtische­n Sozialen Diensten. Sie erreichten, dass seine Familie 400 Euro von der Zeppelin-Stiftung erhielt. Die größte Unterstütz­ung bekam die Familie vom Architekte­n Bernd Ammann. Er organisier­te eine kurzfristi­ge Bleibe in der Innenstadt und Helfer, die beim Ausräumen der Wohnung mit anpackten.

Stadtdiako­n Ulrich Föhr steht Stefan M. nun beim Verkehr mit den Ämtern, bei der Beantragun­g von Arbeitslos­engeld II und den übrigen Problemen zur Seite. Ulrich Föhr stellt fest: „Wichtig ist jetzt vor allem, dass Sie eine bezahlbare Wohnung finden.“

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FOTO: RUP Stefan M. sucht mit Ulrich Föhr (rechts) nach Lösungen.

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