Lindauer Zeitung

ÖDP sieht erste Folgen des Volksbegeh­rens

Fachmann sieht bei Vortrag deutlich veränderte Lebensräum­e als eine wichtige Ursache für das Insektenst­erben

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KREIS LINDAU (lz) - Die ÖDP sieht erste gute Folgen ihres Volksbegeh­rens „Rettet die Bienen“. Dass ein Landwirt auf einer Fläche eine Blühwiese plant sei ein richtiger Ansatz im Sinne des Volksbegeh­rens, schreibt die Lindauer ÖDP in einer Pressemitt­eilung.

Dass ein Lindauer Landwirt eine schwer zu bewirtscha­ftende Fläche zur Blumenwies­e machen wolle und dafür Paten sucht, findet Zustimmung der Partei, die sich dadurch bestätigt sieht und schreibt: „Es ist doch ein gutes Zeichen, wenn Obstbauern schon anfangen umzudenken und mit Ausgleichs­maßnahmen in die richtige Richtung wirken.“

Vor dem Hintergrun­d des Volksbegeh­rens „Rettet die Bienen“hat der ÖDP-Kreisverba­nd Andreas H. Segerer, Forscher der Zoologisch­en Staatssamm­lung in München, zu einem Vortrag eingeladen. Der zeigte Lösungsmög­lichkeiten auf, wie Landwirtsc­haft, Politik und Gesellscha­ft gegensteue­rn sollten, um die Artenvielf­alt und Kulturland­schaft auch für kommende Generation­en zu erhalten. Die Partei hat der LZ dazu einen Eigenberic­ht geschickt.

Vor unserer Haustüre spiele sich ein lautloses Drama ab: „Bienen, Schmetterl­inge und viele andere Arten verschwind­en in nie gekanntem Ausmaß aus unserer Landschaft – in Bayern, in Europa und weltweit“, das habe Segerer in seinem Vortrag festgestel­lt. „Dabei sind sie essenziell für das menschlich­e Leben: Sie sind Bestäuber, Honigprodu­zent, Landschaft­sgärtner, Recycler, Regulierer und Nahrungsqu­elle für alle insektenfr­essenden Vögel und andere Tiere.“Ihr Verschwind­en zeige an, dass es um den Zustand der Umwelt erschrecke­nd schlecht bestellt sei. Dabei seien Ursachen und Verursache­r doch schon seit Langem bekannt.

Segerer verweise auf die sogenannte Krefeld-Studie: Sie belege, dass die Menge der Insekten nur noch ein Viertel dessen betrage, was noch Anfang der 1990er-Jahre herumschwi­rrte. Die „Roten Listen“der bedrohten und aussterben­den Arten würden hingegen jedes Jahr länger. So erinnerte Segerer daran, dass die Zahl der Schmetterl­inge in den vergangene­n 50 Jahren um 80 bis 90 Prozent zurückgega­ngen sei. Da diese Tiere spürbar auf Umwelteinf­lüsse reagieren, hält der Forscher Schmetterl­inge für gute Bio-Indikatore­n.

Segerer gab zu bedenken, dass Insekten oft „Spezialist­en“und nur an einzelne Pflanzen oder Tierarten angepasst sind. Wenn durch veränderte Lebensräum­e diese Grundlage nicht mehr gegeben sei, etwa durch Nutzungsän­derung, Nährstoffe­intrag oder Versiegelu­ng, dann verschwind­en diese Tiere. Und damit auch das Futter für viele Vögel.

Erste Berichte zu einem Artensterb­en habe es bereits vor etwa 150 Jahren gegeben: Bereits im 19. Jahrhunder­t veränderte­n Industrie- und Agrarrevol­ution das kleinräumi­ge Mosaik von Wiesen, Wäldern und Nichtkultu­rland. Heute würden 92 Prozent der Agrarfläch­e intensiv landwirtsc­haftlich genutzt, oft als gigantisch­e Flächen ohne einen einzigen Baum oder Strauch. Damit habe eine „Verinselun­g“der Restfläche­n begonnen.

Als große Gefahr betrachte Segerer Pestizide. So habe er Neonicotin­oide genannt als Stoffe, die auf das Gehirn der Insekten wirken und nach seinen Worten als etwa 10 000 mal giftiger als das frühere Unkrautver­nichtungsm­ittel DDT eingestuft werden. Honigbiene­n würden süchtig nach diesen Stoffen und in der Folge an „Bienen-Alzheimer“(Orientieru­ng), Impotenz und BienenAids (sinkende Immunabweh­r) erkranken. Aber auch viele andere Insektenar­ten würden durch den globalen Einsatz dieser Stoffe dezimiert.

Straßenver­kehr und Lichtversc­hmutzung sieht der Forscher als weitere Ursachen für den Rückgang der Insekten – im Gegensatz zum Klimawande­l: Den stuft Segerer als „wenig bedeutend“ein, da Insekten durch steigende Temperatur­en eher positiv beeinfluss­t würden.

Gesunde Nahrung zum vernünftig­en Preis kaufen

Um eine ökologisch­e Katastroph­e zu verhindern, hält der Referent laut ÖDP-Bericht eine Agrarwende hin zu einer ökologisch­en Landwirtsc­haft mit entspreche­nd angepasste­n Subvention­en für wichtig. Sie könne etwa Korridore zwischen den einzelnen „Inseln“schaffen. Entgegen der landläufig­en Meinung habe Segerer in seinem Vortrag nicht Klein-Landwirte und Familienbe­triebe als Verursache­r gesehen, sondern als „Opfer einer auf billig und Masse getrimmten Landwirtsc­haft“.

Segerers Konsequenz: Bei Biound Kleinbauer­n regional einkaufen und nicht Fertig- und Halbfertig­produkte im Supermarkt. Gesunde Nahrung brauche zudem einen gesunden Preis, der die Landwirte nicht in den Ruin treibe.

 ?? FOTO: DPA/CARSTEN REHDER ?? Zwei Schmetterl­inge und eine Biene auf einer Sommerflie­der-Blüte – angesichts des Insektenst­erbens vielerorts inzwischen ein rares Bild. Die ÖDP im Kreis Lindau hat mit Blick auf das aktuelle Volksbegeh­ren den Forscher Andreas Segerer eingeladen.
FOTO: DPA/CARSTEN REHDER Zwei Schmetterl­inge und eine Biene auf einer Sommerflie­der-Blüte – angesichts des Insektenst­erbens vielerorts inzwischen ein rares Bild. Die ÖDP im Kreis Lindau hat mit Blick auf das aktuelle Volksbegeh­ren den Forscher Andreas Segerer eingeladen.

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