Bauern sollten mit Naturschützern zusammenarbeiten
Zur Diskussion über das Volksbegehren „Rettet die Bienen“: Der Bestand an Insekten hat die letzten Jahre dramatisch um circa 80 Prozent abgenommen. Ebenfalls die Bestände vieler Singvögel. Wissenschaftler sprechen von einer ähnlichen Bedrohung für die Menschheit wie sie der Klimawandel darstellt. Dies kann man glauben oder nicht. Die Tendenz dieser Aussage sollten wir ernst nehmen. Nur wenn die Einsicht da ist, dass etwas schief läuft, können die Weichen für unsere Natur neu gestellt werden.
Wer trägt die Verantwortung an diesem Insektensterben? So richtig will niemand dafür verantwortlich sein! Darum wollen sich auch die Landwirte diesen Schuh nicht anziehen und reichen den Ball an die Gartenbesitzer weiter, die mit öden Steingärten und Mährobotern den Insekten den Garaus machen. Mit dieser Haltung kommen wir nicht weiter. Insbesondere weil die Bauern ebenfalls vom Aussterben bedroht sind. Es befremdet sehr, dass dies der Bauernverband nicht thematisiert. Denn die Anzahl der Milchbauern reduzierte sich die vergangenen 40 Jahre ebenfalls um mehr als 80 Prozent. Man zähle nur die Bauern je Gemeinde, da reicht eine Hand meist aus. Der Milchpreis lässt den Bauern keine Spielräume. Der Bauer bekommt heute mehr oder weniger den gleichen Preis für konventionelle Milch wie Anfang der 80’er-Jahre mit aktuell circa 35 Cent. Um auf diesem Preisniveau nur annähernd wirtschaftlich zu arbeiten, ist er zu Optimierungen gezwungen, zum Beispiel mit sieben Ernteschnitten pro Jahr. Junges Futter ist eben sehr eiweißreich. Man redet hierbei vom grünen Proteinrasen mit dem Nachteil, dass dabei fast nichts mehr blüht.
Die Politik des Bauernverbandes trägt hier Mitschuld. Er steht gemeinsam mit der EU- und Bundespolitik sowie mit der Lebensmittelindustrie für die Agrarpolitik unter dem Motto, möglichst viel und billig zu produzieren. Da kann es nur verwundern, wie der Bauernverband mit dem Volksbegehren umgeht. Anstatt sich mit den Naturschützern zu verbünden und auf fundamentale Fehler in der Landwirtschafts- und Subventionspolitik und die schlechte Preissetzung für Milch etc. hinzuweisen, stellt der Bauernverband die Naturschützer an den Pranger.
Natürlich ist bei der Rettung der Insekten nicht nur die Landwirtschaft in der Verantwortung. Der Bogen spannt sich weiter bis zur Pflege der Grünflächen an den Autobahnauffahrten, Grünflächen an den Straßenrändern und zu den kommunalen Flächen. Hier ist wie in den Privatgärten dringend ein Umdenken notwendig.
Das Volksbegehren ist in Summe eine gute Sache. Es ist eine große Chance, positive Veränderungen im Interesse der Natur und der Bauern voranzutreiben. Denn wenn es besser werden soll, muss es anders werden. Christian Kern, Sigmarszell