Die Pistengeher
Noch nie waren so viele Skitouren-Sportler auf präparierten Abfahrten unterwegs wie in diesem Jahr
ALLGÄU - Geschafft: Nach schweißtreibendem Aufstieg sind die Tourengeher am Sportheim Böck im Nesselwanger Skigebiet an der Alpspitze angekommen. Jetzt werden die Felle abgezogen und es geht über die Piste nach unten. Eigentlich sind Skibergsteiger lieber abseits von Pisten unterwegs. Doch mittlerweile tummeln sich auf fast allen präparierten Skiabfahrten Aufsteiger mit Tourenskiern. Es ist ein neuer Fitnesstrend, der – anders als richtiges Skibergsteigen – kaum alpine Grundkenntnisse voraussetzt.
„Dieses Jahr ist es extrem“, sagt Ralf Speck, Geschäftsführer der Alpspitzbahn. Dennoch gebe es kaum Konflikte, gibt sich der Seilbahner gelassen. Das sei auch kein Wunder, weil wegen des vielen Schnees auf Pisten links und rechts genügend Schnee liegt. Somit gebe es genug Platz für Abfahrer und Aufsteiger. Anders ist das, wenn in einem schneearmen Winter nur schmale, künstlich beschneite Pisten zur Verfügung stehen. Zudem haben die Nesselwanger eine separate Aufstiegsspur. „Die meisten halten sich daran“, sagt Speck.
Warum die Wintersportler die Pisten dem ungesicherten alpinen Gelände vorziehen? „Es gibt keine Lawinengefahr und auf der Piste ist die Abfahrt natürlich leichter“, sagt eine 25-Jährige. Sie sehe das Ganze in erster Linie als Training: „Wenn ich besser Skifahren könnte, würde ich auch lieber ins Gelände gehen – später vielleicht.“Das sei dann auch abenteuerlicher.
Rechtliche Bedenken
„Das sind Leute, die des Tiefschneefahrens nicht mächtig sind“: So charakterisiert Peter Schöttl die Tourengeher auf Skipisten – die Pistengeher. Schöttl ist Geschäftsführer der Nebelhornbahn und zugleich Präsident des Verbandes Deutscher Seilbahnen. Er appelliert an die Aufsteigenden, sich an die Regeln zu halten und Pistenfahrer nicht zu gefährden.
Die Seilbahnbetreiber hätten auch haftungsrechtliche Bedenken, heißt es vom Branchenverband. Aber: Nach einschlägiger Rechtssprechung gilt für Pisten generell das freie Betretungsrecht in der Natur. Das heißt konkret: Grundsätzlich darf dort jeder hochlaufen. In einer gerichtlichen Auseinandersetzung war die Bergbahnbranche mit ihrer Rechtsauffassung gescheitert, dass Skiabfahrten als Sportstätten anzusehen sind. In diesem Fall könnten sie eher für Aufsteiger gesperrt werden. „Wir müssen uns dem Trend als Tatsache stellen“, sagt Seilbahnverbands-Präsident Schöttl. Probleme gebe es überall dort, wo Aufsteiger in Massen auftauchen. Und wenn abends Wintersportler noch unterwegs sind, während die Pisten bereits präpariert werden.
Hier ist die Rechtslage aber klar: Wenn die Pisten wegen Präparierungsarbeiten gesperrt sind, dürfen sie auch Tourengeher nicht mehr betreten. Nicht überall funktioniere das Miteinander von klassischem PistenAbfahrtsbetrieb und Aufsteigern problemlos, sagt Thomas Bucher, Pressesprecher des Deutschen Alpenvereins (DAV). Er sieht das Pistengehen als eine „Unterdisziplin“des Bergsports, „die wir gerne sehen und begrüßen“. Bucher vergleicht das mit dem Klettern: Da gebe es eben auch Hallen und natürliche Felsen in den Bergen. Nach Ansicht von Bucher gibt es im bayerischen Alpenraum durchaus Beispiele, wo das Miteinander gut funktioniert – einschließlich Tourenabenden, an denen Pisten später präpariert werden. Davon würden dann auch Gastronomen und Hüttenwirte profitieren. „Wir versuchen zu vermitteln“, sagt der Sprecher des Alpenvereins.