Südwesten sahnt Bundesmittel ab
Im Allgäu bekommen Frauen durchschnittlich 590 bis 692 Euro Rente, Männer etwa 1100 Euro
STUTTGART (kab) - Baden-Württemberg profitiert wie kein anderes Land von Bundesgeld für Nahverkehrsprojekte. Von den 333 Millionen Euro jährlich sind im vergangenen Jahr 146 Millionen und damit 44 Prozent in den Südwesten geflossen. Das sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Bayern bekam derweil rund 61 Millionen Euro. Mit dem Geld unterstützt der Bund Kommunen bei großen Bauprojekten im Nahverkehr. Ein Beispiel ist die neue Straßenbahn in Ulm.
KEMPTEN - 42 Jahre lang hat sie gearbeitet, jetzt ist sie im wohlverdienten Ruhestand – eigentlich. Denn zur Ruhe setzen kann sich eine 64-jährige Rentnerin aus Kempten, die lieber anonym bleiben möchte, nicht. Sie ist auf der Suche nach einem Minijob, um sich auch im Alter etwas leisten zu können. „Ein Großteil der Rente fließt in die Miete und ich sehe nichts, wo ich noch sparen könnte“, sagt sie. Über die Runden kämen sie und ihr Mann schon, zu mehr reiche es nicht. „Wir wollen doch auch noch ein bisschen leben, schließlich haben wir jahrzehntelang gearbeitet“, sagt sie.
Wie ihr geht es zahlreichen Allgäuern. „Viele sind gezwungen, auch im Ruhestand zu arbeiten. Früher war das ein Können oder Wollen, heute ist es oft ein Muss“, sagt Thomas Winter vom Sozialverband VdK Unterallgäu. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung bekamen die Allgäuer Männer 2017 im Schnitt zwischen 1065 Euro (Kaufbeuren) und 1124 Euro (Memmingen) Rente. Zum Vergleich: Der bayernweite Wert liegt bei 1141 Euro. Die männlichen Neurentner im Allgäu müssen sogar mit noch weit weniger Geld auskommen. Den Negativrekord hält dabei die Stadt Kempten mit 955 Euro (siehe Grafik). Dass die Renten für Männer geringer werden, ist ein schleichender Prozess, sagt Winter. Beispielsweise sei das Konzept der Leiharbeit in den vergangenen Jahren ausgeweitet worden, was zu weniger Rente führe.
Bei den Rentnerinnen bewegen sich die Zahlen im Schnitt zwischen 590 Euro (Landkreis Unterallgäu) und 692 Euro (Kaufbeuren). Dass Frauen so viel weniger Geld bekommen als Männer, liegt daran, dass sie früher oft für die Familie und den Haushalt zuständig waren und nicht arbeiten gingen, sagt Winter. Auch Teilzeitjobs reichten nicht aus, um heute eine auskömmliche Rente zu beziehen. Zwar erhalten Neurentnerinnen etwas mehr Geld als ihre Vorgängerinnen, Spitzenreiter ist hier Memmingen mit 717 Euro. So oder so seien die Zahlungen aber „unzureichend“, sagt Winter – für Männer genau wie für Frauen.
Das findet auch Ludwin Debong, Allgäuer Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Argumente, dass manch einer ja noch Immobilien habe oder andere Vermögenswerte, will er nicht gelten lassen: „Ich sehe die Einzelperson. Wenn eine Frau mit weniger als der Grundsicherung auskommen muss, ist das unwürdig.“Wie kann das geändert werden? Ein Mix aus privater und gesetzlicher Vorsorge ist für ihn nicht der Königsweg. Für sinnvoller hielte er „eine anständige gesetzliche Regelung“, auch wenn das bedeute, dass die Arbeitnehmer mehr Beiträge zahlen müssten.
Was bei den Renten auch auffällt, sind die örtlichen Unterschiede. Ein männlicher Unterallgäuer Neurentner bekommt mit durchschnittlich 1145 Euro fast 200 Euro mehr als ein Mann in Kempten. Debong erklärt das mit den unterschiedlichen Strukturen in der Arbeitswelt. Im Unterallgäuer Raum gebe es viele Jobs in der Industrie. Wer dort gearbeitet hat, erhält mehr Rente als jemand, der etwa im Dienstleistungsbereich tätig war. Und Jobs in diesem Sektor seien unter anderem in Kempten vermehrt zu finden.
Niedrige Löhne im Gastgewerbe
Die Renten sind auch für die zukünftigen Senioren vom Einkommen abhängig. Und da liegen die Allgäuer derzeit unter dem bayerischen Mittelwert von 3367 Euro brutto. Das Arbeitsamt meldet für Kaufbeuren 3079 Euro, für das Unterallgäu 3295 Euro. „Kaufbeuren hat im Allgäu die geringste Industriequote“, sagt Klaus Fischer, Geschäftsführer der Allgäu GmbH. Im Unterallgäu dagegen sei der Bereich Metall und Elektro gut vertreten. Generell sei die Region eher ein Produktions- als ein Forschungs- und Entwicklungsstandort. Somit gebe es weniger sehr hohe Einkommen. Zudem sei im Allgäu die Hotellerie- und Gastronomiebranche sehr stark, wo die Löhne vergleichsweise niedrig ausfielen. Fischer betont aber auch: Andere Regionen stünden schlechter da.