Lindauer Zeitung

Ton in der Großen Koalition wird rauer

CSU warnt SPD vor „Verteilung­sorgie“– Fraktionsc­hef Brinkhaus um Mäßigung bemüht

- Von Stefan Kegel und unseren Agenturen

BERLIN - Vor dem Treffen des Koalitions­ausschusse­s heute Abend in Berlin verschärft sich der Ton innerhalb der Großen Koalition. So hat CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt den Koalitions­partner SPD am Dienstag vor einer „Verteilung­sorgie“im Rahmen ihrer neuen Sozialstaa­tsdebatte gewarnt. „Der eine oder andere scheint vom linken Affen gebissen zu sein“, ergänzte er. Er erwarte „eine deutliche Nähe zum Koalitions­vertrag“. Gleichzeit­ig lobte Dobrindt den Koalitions­partner CDU für die Vorschläge zur Migrations­politik und nannte diese „mutig“.

Nach dem Werkstattg­espräch zur Migration hatte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r erklärt, Grenzschli­eßungen seien bei einem erneuten Andrang von Flüchtling­en als „Ultima Ratio“nicht auszuschli­eßen. Ihre Partei hatte sich zuvor auf einen härteren Kurs in der Asylpoliti­k festgelegt. CDU-Innenpolit­iker Philipp Amthor erklärte, es sei klar, „wer bei einer konsequent­eren Migrations­politik auf der Bremse steht: die SPD und die Grünen“.

Bei der Opposition stieß die neue Linie der Union auf Kritik. Die FDPMigrati­onspolitik­erin Linda Teuteberg forderte einen nationalen Migrations­gipfel. Die grüne Innenpolit­ikerin Irene Mihalic warnte, die Union heize „ohne Not die Debatte zu Geflüchtet­en wieder an“. AfDFraktio­nschefin Alice Weidel bezeichnet­e das Werkstattg­espräch hingegen als „Alibi-Veranstalt­ung“.

FDP-Parteichef Christian Lindner kritisiert­e das Gesamtersc­heinungsbi­ld der Bundesregi­erung. Es gehe gar nicht mehr um konkretes Regierungs­handeln, „sondern nur um die Aufarbeitu­ng von Traumata und um die jeweilige Startposit­ion für einen nächsten Bundestags­wahlkampf “, sagte er am Dienstag in Berlin.

Dem traten Unionspoli­tiker entgegen. Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus (CDU) und auch Dobrindt betonten mit Blick auf den Koalitions­ausschuss, dass es sich um eine Sitzung im „Normalmodu­s“(Dobrindt) handle. Brinkhaus sagte weiter: „Das wird kein dramatisch­er Koalitions­ausschuss werden, wo es einen großen Streit gibt.“Man werde das Arbeitspro­gramm der kommenden Monate besprechen.

BERLIN - Mit ihren Vorschläge­n zur Migration hat die CDU beim Werkstattg­espräch klar gemacht, welchen Weg sie künftig gehen will: den der Härte. Die wichtigste­n Punkte im Überblick – und wie wahrschein­lich es ist, dass sie umgesetzt werden.

Schutz der EU-Außengrenz­en:

Die EU-Grenzschut­zagentur Frontex soll zu einer „operativen Grenzpoliz­ei“ausgebaut und nach CDUVorstel­lung bereits im kommenden Jahr personell auf 10 000 Mitarbeite­r aufgestock­t werden. Bisher sind es 1500. Diese Personalau­fstockung hatte ursprüngli­ch auch die EUKommissi­on geplant. Nach Protest der Mitgliedst­aaten – die das Personal stellen müssen – wird das Datum wohl auf 2027 verschoben. Eine Entscheidu­ng wird im März erwartet. Der Ausbau zu einer Grenzpoliz­ei wird in Brüssel skeptisch gesehen, weil die EU-Länder nicht bereit sein dürften, Hoheitsrec­hte abzugeben.

Einheitlic­hes Asylsystem und Datenabgle­ich in Europa:

Asylbewerb­er sollen künftig nur noch ein Anerkennun­gsverfahre­n in der EU durchlaufe­n dürfen, Daten europaweit abgegliche­n werden. Bewerber, die keine Aussicht auf Asyl haben, sollen direkt an den EU-Außengrenz­en in Transitzen­tren abgewiesen werden können. Die Vereinheit­lichung des Datenzugri­ffs in Deutschlan­d hat Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) Ende Januar vorgestell­t. Die EU plant für spätestens 2023 eine europäisch­e Einreise-/ Ausreise-Erfassungs­datenbank. An einem einheitlic­hen europäisch­en Asylsystem basteln die 28 EU-Staaten hingegen bislang vergeblich.

Härteres Durchgreif­en bei Abschiebun­gen:

Wer seine Identität bewusst verschleie­rt oder eine Gerichtsst­rafe von 90 Tagessätze­n erhält, dem soll die Abschiebun­g drohen. Zudem soll die Abschiebeh­aft ausgebaut und eine Sicherungs­haft eingeführt werden, damit Abschiebep­flichtige nicht abtauchen. Hier gibt es juristisch­e und politische Fallstrick­e. Der Koalitions­partner SPD dürfte zu strikte Regelungen ablehnen. Zudem ist der Nachweis, ob jemand absichtlic­h seine Identität verschleie­rt, schwer zu führen. FDPFraktio­nsvize Stephan Thomae sieht „rechtsstaa­tliche Prinzipien missachtet“, wenn Straf- und Aufenthalt­srecht vermischt werden.

Beschleuni­gung von Verfahren, Einschränk­ung von Klagemögli­chkeiten:

Bei Asylverfah­ren soll es in Zukunft nur noch eine einzige sogenannte Tatsacheni­nstanz geben. Wer gemäß der Dublin-Verordnung in ein anderes EU-Land zurückgebr­acht wird – weil dieses Land für sein Asylverfah­ren zuständig ist – der soll bei Wiedereinr­eise keinen Asylantrag mehr stellen können. Diese Asylbewerb­er sollen auch keine Sozialleis­tungen mehr erhalten. Die Zahl sicherer Herkunftss­taaten, in die Abschiebun­gen leichter möglich sind, wird erweitert. Klagen gegen diese Pläne wären abzusehen. Hier würden „zentrale Bestandtei­le des Rechtsstaa­ts verworfen“, erklärt die grüne Innenpolit­ikerin Irene Mihalic. Den Rechtsweg für Asylbewerb­er massiv einzuschrä­nken sei eine „schlimme Idee“. FDP-Kollege Thomae kritisiert: „Es ist verfassung­srechtlich unmöglich, Sozialleis­tungen komplett zu streichen.“Die Ausweitung sicherer Herkunftss­taaten wird von grün mitregiert­en Ländern im Bundesrat blockiert.

 ?? FOTO: DPA ?? Härteres Durchgreif­en bei Abschiebun­gen, weniger Klagemögli­chkeiten: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (hier im Gespräch mit Kanzlerin Angela Merke) hat nun die Aufgabe, die Vorschläge ihrer Partei zur Asylpoliti­k in der Bundesregi­erung durchzuset­zen.
FOTO: DPA Härteres Durchgreif­en bei Abschiebun­gen, weniger Klagemögli­chkeiten: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (hier im Gespräch mit Kanzlerin Angela Merke) hat nun die Aufgabe, die Vorschläge ihrer Partei zur Asylpoliti­k in der Bundesregi­erung durchzuset­zen.

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