Millionen für Nahverkehr im Süden
Bei Projekten wie der Ulmer Straßenbahn zahlt der Bund mit – Förderung könnte sinken
STUTTGART - Eine Rekordsumme vom Bund ist im vergangenen Jahr in Nahverkehrsprojekte in BadenWürttemberg geflossen. Auch Bayern hat profitiert. Die Mittel stammen aus dem Fördertopf des sogenannten Bundesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes, kurz: BGVFG. Alles Wichtige dazu im Überblick:
Was ist das BGVFG?
Das Förderprogramm gibt es seit 20 Jahren. Der Bund beteiligt sich mit 60 Prozent an den Kosten für große Nahverkehrsprojekte in Kommunen, wenn die Gesamtkosten dort höher als 50 Millionen Euro sind. Das Land übernimmt 20 Prozent, die restlichen 20 Prozent müssen die Träger vor Ort übernehmen – also in der Regel die Kommunen.
Was wurde so finanziert?
Ein Beispiel ist die Straßenbahn in Ulm, die insgesamt 136 Millionen Euro gekostet hat. Davon hat der Bund 81,6 Millionen Euro und das Land Baden-Württemberg 22 Millionen Euro übernommen. Dass Ulm mehr als 32 Millionen und damit deutlich mehr als 20 Prozent tragen musste, liegt am Projektverlauf. Der Bau wurde teurer, es brauchte einen Ergänzungsantrag auf Förderung. Dabei gibt das Land kein Geld mehr dazu. BGVFGMittel sind in den vergangenen Jahren etwa auch in die Breisgau-S-Bahn zwischen Freiburg und Villingen geflossen sowie in etliche Stadtbahnausbauten in Stuttgart.
Wie viel Geld hat der Süden erhalten?
Jährlich sind 333 Millionen Euro im Bundestopf. Nach Bayern sind im vergangenen Jahr nach Angaben aus dem Haus von Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) rund 61 Millionen Euro geflossen, also gut 18 Prozent der Gesamtmittel. Auch in den Vorjahren gingen je etwa 30 Millionen Euro in den Freistaat. Noch stärker profitierte Baden-Württemberg. Nach Angaben des Stuttgarter Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne) erhielt das Land 146 Millionen Euro – also 44 Prozent. Auch in den vergangenen Jahren profitierte der Südwesten überproportional. Seit 2013 gingen stets 30 bis 37 Prozent der Mittel ins Land. Das sind jeweils mehr als 100 Millionen Euro. Nach Bayern gingen in den vergangenen Jahren je etwa 30 Millionen Euro.
Warum bekommt Baden-Württemberg so viel Geld?
Es gibt mehrere Erklärungen dafür. „Das zeigt, dass wir in Baden-Württemberg einen riesigen Nachholbedarf hatten“, sagt Südwest-Verkehrsminister Hermann. Bevor er 2011 ins Amt gekommen sei, habe die CDU-geführte Vorgängerregierung in Stuttgart Nahverkehrsprojekte vernachlässigt.
Der Biberacher CDU-Landtagsabgeordnete und Verkehrsexperte der CDU-Landtagsfraktion Thomas Dörflinger entgegnet: dass so viel Geld in den Südwesten fließt, liege vor allem daran, „dass die Kommunen als Vorhabenträger viele Projekte vorangetrieben haben“. Hinzu kommt, dass andere Länder kein Bundesgeld abgerufen haben. Sie oder die Kommunen dort haben schlicht keine Mittel, ihren Anteil an den Kosten zu tragen.
Wie geht es weiter mit den Bundesmitteln?
Diese Frage ist offen. Eigentlich hat der Bund angekündigt, die Fördermittel bis 2021 auf eine Milliarde Euro zu verdreifachen – zur Freude der Wirtschaft. „Die Aufstockung der Bundesmittel für kommunale Großprojekte im öffentlichen Nahverkehr ist überfällig“, erklärte etwa Wolfgang Grenke, Präsident des BadenWürttembergischen Industrie- und Handelskammertages. Die Grundlage dafür soll eine Änderung im Grundgesetz sein. Das BGVFG hängt nun aber im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern fest. Es ist Teil des Pakets, in dem auch der Zankapfel Digitalpakt Schule steckt. Beim Letzteren wehren sich die Länder gegen die vorgeschlagene Grundgesetzänderung. Der Vermittlungsausschuss soll den Streit schlichten.
Ändern sich die Förderbedingungen?
Das ist noch unklar. Der Bund will nach eigenen Plänen seinen Finanzierungsanteil von 60 auf 50 Prozent senken. Das würde bedeuten, dass Land und Kommunen künftig zehn Prozent mehr tragen müssten. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) glaubt jedoch nicht, dass sich der Bund durchsetzen wird. „Die 50-50Regelung wird vom Tisch kommen, das ist sicher wie das Amen in der Kirche“, sagte er am Dienstag. Die Länder würden geschlossen dagegen sein.