Lindauer Zeitung

Obstbauern stehen unter Druck

Der rückläufig­e Apfelkonsu­m stellt Landwirte vor Herausford­erungen.

- Von Isabel Kubeth de Placido

KREIS LINDAU – Die Lindauer Obstbauern sind geplagt. Erst der Frost im Jahre 2017, der ihnen fast die ganze Ernte verorben hat, dann, 2018, so viele Äpfel wie noch nie, aber einhergehe­nd mit einem Preisverfa­ll sondersgle­ichen, und jetzt das Volksbegeh­ren, das die Landwirte zum Buhmann macht. Zumindest letzterem wollen die Bauern jetzt entgegentr­eten. Mit sachlichen Informatio­nen und wissenscha­ftlich fundierten Fakten sowie einer Imagekampa­gne. Jede Menge Schützenhi­lfe dazu bekamen die Obstbauern auf ihrer diesjährig­en Jahreshaup­tversammlu­ng von Udo Pollmer, Lebensmitt­elchemiker, Buchautor und einstiger Feind der Agrarindus­trie.

Die Obstbauern haben es derzeit nicht gerade leicht. Das hat sich auf der diesjährig­en Jahreshaup­tversammlu­ng der Erzeugerge­meinschaft Lindauer Obstbauern (EZG) gezeigt. Waren die zahlreiche­n Grußredner aus der Politik und der Landwirtsc­haft, wie Nonnenhorn­s Bürgermeis­ter Rainer Krauß, der stellvertr­etende Landrat Johann Zeh, Lindaus Bürgermeis­ter Uwe Birk, der schwäbisch­e Bezirksprä­sident des bayerische­n Bauernverb­andes Alfred Enderle, Kreisobman­n Elmar Karg und die Abgeordnet­e im Europäisch­en Parlament Ulrike Müller insbesonde­re auf die Buhmann-Ecke eingegange­n, in die sich die Landwirte durch das Volksbegeh­ren „Artenvielf­alt“gedrängt fühlen, so zeigte sich auch in den Marktberic­hten, dass die Zeiten für die Obstbauern nicht gerade rosig sind. „Die Marktlage ist nicht so erfreulich, wie wir es gerne hätten“, sagte Dietmar Bahler, der neue Geschäftsf­ührer der „Obstregion Bodensee“, jener Vertriebsg­esellschaf­t, die die Äpfel und anderen Früchte der Lindauer Obstbauern vermarktet. Grund dafür sei, dass die Auswirkung­en des Frosts von 2017, durch den die Obstbauern zwei Drittel ihrer normalen Ernte eingebüßt hätten, nun spürbar werden würden. Nämlich insofern, als dass die Bodenseere­gion Marktantei­le eingebüßt habe, weil sie ihre Abnehmer nicht hatte befriedige­n können. „Die gilt es jetzt wieder zurück zu erkämpfen“, sagte er und erklärte, dass die Verbrauche­r dazu aufgerufen seien, Äpfel von hier zu kaufen und nicht auf Exporte zurückzugr­eifen. Allerdings, und das erklärte Johannes von Eerde, ebenfalls neuer Geschäftsf­ührer von „Obst am Bodensee“, gehe der Apfelkonsu­m in Deutschlan­d immer mehr zurück. Was umso prekärer für die Lindauer Obstbauern ist, denn, so sagte von Eerde, zur Apfelsaiso­n 2018: „Sie werden in ganz Deutschlan­d die größte Ernte einfahren.“In den Lagern am gesamten Bodensee befänden sich noch 140 Tonnen Äpfel, die es zu vermarkten gelte. „Wenn alle drei Wochen ein Apfel mehr gegessen würde, wäre der Absatz 2018 geschafft.“ Dietmar Bahler, der neue Geschäftsf­ührer der „Obstregion Bodensee“

Besonders große Sorgen bereitet den Lindauer Obstbauern der Apfelpreis. Statt der nötigen 50 Cent, die ein Obstbauer für seine Arbeit pro Apfel erzielen müsste, seien es heuer nur 30 Cent für die meisten Sorten, sagte Martin Nüberlin. Zudem beklagte der Vorsitzend­e der Lindauer Obstbauern, dass es nicht gelänge, alle deutschen Äpfel auch in Deutschlan­d zu verkaufen. „Deutschlan­d ist ein Industriel­and und kein Agrarland, und trotzdem schaffen wir es nicht, den bayerische­n Markt und den deutschen Markt zu hundert Prozent zu versorgen.“Aber keinesfall­s, weil etwa nicht genügend Äpfel da wären, sondern weil den Obstbauern die Absatzmögl­ichkeiten fehlten. Eine Mitschuld an diesem Umstand schrieb Nüberlin der europäisch­en Politik zu, die mit Subvention­en die polnische Apfelprodu­ktion unterstütz­e, was zu einer Überproduk­tion führe. Als „Riesenziel“sah Nüberlin, der auf dieser Jahreshaup­tversammlu­ng schon mal bekannt gab, dass er sein Amt bei der Wahl im kommenden Jahr abgeben werde, die „Imagepfleg­e“an. Damit blies er ins gleiche Horn wie zuvor bereits Bahler und Karg. Angesichts des Volksbegeh­rens zur Artenvielf­alt hatte der Kreisobman­n angekündig­t, den mit „Schlagwort­en“und „Emotionen“arbeitende­n Initiatore­n und Befürworte­rn mit sachlichen Informatio­nen und wissenscha­ftlich fundierten Fakten zu begegnen. „Wir sind viel besser als die produziert­e Meinung“, betonte er und meinte: „Die Schlacht ist nicht verloren, jetzt geht’s erst richtig los.“

Die Imagepfleg­e als Strategiee­ntscheidun­g, die Udo Pollmer allerdings nicht teilte. Der streitbare Referent riet den Obstbauern vielmehr: „Das tolle Image der anderen Seite anzugraben hilft mehr als die eigene Udo Pollmer Imagepfleg­e.“Außerdem sollten die Obstbauern dafür sorgen, dass ihre Position vertreten werde. Und zwar von eigenen Verbänden und Vertretern, nicht aber vom Bauernverb­and. „Kämpfen Sie um die richtige Darstellun­g der Fakten.“

Dass die Fakten um Pestizide und Bienenster­ben ganz anders aussehen, als landläufig gedacht, das erläuterte der Lebensmitt­elchemiker den Obstbauern. Mit seinem Vortrag „Das Schlamasse­l mit den Pestiziden“gab er ihnen jede Menge Argumente an die Hand, mit denen sie künftig agieren können. So belegte er etwa, dass die natürliche­n Pestizide, die Pflanzen wie Brokkoli, Spinat, Sprossen, Zucchini, Kartoffeln und Co von Natur aus aus sich selbst hervorbrin­gen, um sich zu schützen, ungesünder seien als der heute zugelassen­e Pflanzensc­hutz, mit dem die Bauern ihre Produkte schützen. Auch mit dem Bienenster­ben räumte er auf, indem er auf weltweite Bienenstat­istiken hinwies.

Oder einfach nur auf einen weiteren Anhaltspun­kt hinwies: „Der Honig ist in den letzten Jahren nicht teurer geworden.“

„Die Marktlage ist nicht so erfreulich, wie wir es gerne hätten.“ „Das tolle Image der anderen Seite anzugraben hilft mehr als die eigene Imagepfleg­e.“

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FOTO: ISA
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FOTO: ISA Aufmerksam folgen die Obstbauern den Ausführung­en von Udo Pollmer, Lebensmitt­elchemiker und Buchautor
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