Obstbauern stehen unter Druck
Der rückläufige Apfelkonsum stellt Landwirte vor Herausforderungen.
KREIS LINDAU – Die Lindauer Obstbauern sind geplagt. Erst der Frost im Jahre 2017, der ihnen fast die ganze Ernte verorben hat, dann, 2018, so viele Äpfel wie noch nie, aber einhergehend mit einem Preisverfall sondersgleichen, und jetzt das Volksbegehren, das die Landwirte zum Buhmann macht. Zumindest letzterem wollen die Bauern jetzt entgegentreten. Mit sachlichen Informationen und wissenschaftlich fundierten Fakten sowie einer Imagekampagne. Jede Menge Schützenhilfe dazu bekamen die Obstbauern auf ihrer diesjährigen Jahreshauptversammlung von Udo Pollmer, Lebensmittelchemiker, Buchautor und einstiger Feind der Agrarindustrie.
Die Obstbauern haben es derzeit nicht gerade leicht. Das hat sich auf der diesjährigen Jahreshauptversammlung der Erzeugergemeinschaft Lindauer Obstbauern (EZG) gezeigt. Waren die zahlreichen Grußredner aus der Politik und der Landwirtschaft, wie Nonnenhorns Bürgermeister Rainer Krauß, der stellvertretende Landrat Johann Zeh, Lindaus Bürgermeister Uwe Birk, der schwäbische Bezirkspräsident des bayerischen Bauernverbandes Alfred Enderle, Kreisobmann Elmar Karg und die Abgeordnete im Europäischen Parlament Ulrike Müller insbesondere auf die Buhmann-Ecke eingegangen, in die sich die Landwirte durch das Volksbegehren „Artenvielfalt“gedrängt fühlen, so zeigte sich auch in den Marktberichten, dass die Zeiten für die Obstbauern nicht gerade rosig sind. „Die Marktlage ist nicht so erfreulich, wie wir es gerne hätten“, sagte Dietmar Bahler, der neue Geschäftsführer der „Obstregion Bodensee“, jener Vertriebsgesellschaft, die die Äpfel und anderen Früchte der Lindauer Obstbauern vermarktet. Grund dafür sei, dass die Auswirkungen des Frosts von 2017, durch den die Obstbauern zwei Drittel ihrer normalen Ernte eingebüßt hätten, nun spürbar werden würden. Nämlich insofern, als dass die Bodenseeregion Marktanteile eingebüßt habe, weil sie ihre Abnehmer nicht hatte befriedigen können. „Die gilt es jetzt wieder zurück zu erkämpfen“, sagte er und erklärte, dass die Verbraucher dazu aufgerufen seien, Äpfel von hier zu kaufen und nicht auf Exporte zurückzugreifen. Allerdings, und das erklärte Johannes von Eerde, ebenfalls neuer Geschäftsführer von „Obst am Bodensee“, gehe der Apfelkonsum in Deutschland immer mehr zurück. Was umso prekärer für die Lindauer Obstbauern ist, denn, so sagte von Eerde, zur Apfelsaison 2018: „Sie werden in ganz Deutschland die größte Ernte einfahren.“In den Lagern am gesamten Bodensee befänden sich noch 140 Tonnen Äpfel, die es zu vermarkten gelte. „Wenn alle drei Wochen ein Apfel mehr gegessen würde, wäre der Absatz 2018 geschafft.“ Dietmar Bahler, der neue Geschäftsführer der „Obstregion Bodensee“
Besonders große Sorgen bereitet den Lindauer Obstbauern der Apfelpreis. Statt der nötigen 50 Cent, die ein Obstbauer für seine Arbeit pro Apfel erzielen müsste, seien es heuer nur 30 Cent für die meisten Sorten, sagte Martin Nüberlin. Zudem beklagte der Vorsitzende der Lindauer Obstbauern, dass es nicht gelänge, alle deutschen Äpfel auch in Deutschland zu verkaufen. „Deutschland ist ein Industrieland und kein Agrarland, und trotzdem schaffen wir es nicht, den bayerischen Markt und den deutschen Markt zu hundert Prozent zu versorgen.“Aber keinesfalls, weil etwa nicht genügend Äpfel da wären, sondern weil den Obstbauern die Absatzmöglichkeiten fehlten. Eine Mitschuld an diesem Umstand schrieb Nüberlin der europäischen Politik zu, die mit Subventionen die polnische Apfelproduktion unterstütze, was zu einer Überproduktion führe. Als „Riesenziel“sah Nüberlin, der auf dieser Jahreshauptversammlung schon mal bekannt gab, dass er sein Amt bei der Wahl im kommenden Jahr abgeben werde, die „Imagepflege“an. Damit blies er ins gleiche Horn wie zuvor bereits Bahler und Karg. Angesichts des Volksbegehrens zur Artenvielfalt hatte der Kreisobmann angekündigt, den mit „Schlagworten“und „Emotionen“arbeitenden Initiatoren und Befürwortern mit sachlichen Informationen und wissenschaftlich fundierten Fakten zu begegnen. „Wir sind viel besser als die produzierte Meinung“, betonte er und meinte: „Die Schlacht ist nicht verloren, jetzt geht’s erst richtig los.“
Die Imagepflege als Strategieentscheidung, die Udo Pollmer allerdings nicht teilte. Der streitbare Referent riet den Obstbauern vielmehr: „Das tolle Image der anderen Seite anzugraben hilft mehr als die eigene Udo Pollmer Imagepflege.“Außerdem sollten die Obstbauern dafür sorgen, dass ihre Position vertreten werde. Und zwar von eigenen Verbänden und Vertretern, nicht aber vom Bauernverband. „Kämpfen Sie um die richtige Darstellung der Fakten.“
Dass die Fakten um Pestizide und Bienensterben ganz anders aussehen, als landläufig gedacht, das erläuterte der Lebensmittelchemiker den Obstbauern. Mit seinem Vortrag „Das Schlamassel mit den Pestiziden“gab er ihnen jede Menge Argumente an die Hand, mit denen sie künftig agieren können. So belegte er etwa, dass die natürlichen Pestizide, die Pflanzen wie Brokkoli, Spinat, Sprossen, Zucchini, Kartoffeln und Co von Natur aus aus sich selbst hervorbringen, um sich zu schützen, ungesünder seien als der heute zugelassene Pflanzenschutz, mit dem die Bauern ihre Produkte schützen. Auch mit dem Bienensterben räumte er auf, indem er auf weltweite Bienenstatistiken hinwies.
Oder einfach nur auf einen weiteren Anhaltspunkt hinwies: „Der Honig ist in den letzten Jahren nicht teurer geworden.“
„Die Marktlage ist nicht so erfreulich, wie wir es gerne hätten.“ „Das tolle Image der anderen Seite anzugraben hilft mehr als die eigene Imagepflege.“