Lindauer Zeitung

Kinder gehen auf Expedition ins Reich der schwarzen Löcher

Im Theaterstü­ck wird Sprache unnötig – Gestik und Mimik sagen alles

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LINDAU (isa) - Ein Loch ist zwar meistens rund, es kann aber auch eckig sein. Und vor allem kann es auch jede Menge Geheimniss­e bergen und Überraschu­ngen bieten. Das zumindest hat die Berliner Theaterpro­duktion „florschütz & döhnert“den jungen Zuschauern ab vier Jahren mit ihrem Stück „Ein Loch ist meistens rund“auf der Lindauer Hinterbühn­e bewiesen. Und die waren hellauf begeistert.

Eines schon einmal vorab: Der Applaus am Ende von „Ein Loch ist meistens rund“war laut und langanhalt­end. Immer wieder mussten sich Melanie Florschütz und Michael Döhnert verbeugen, ehe die Kinder mit ihren Eltern oder Großeltern die beiden Schauspiel­er gehen ließen. Und das ist bei einem Kinderthea­ter eigentlich eher eine Ausnahme. Allerdings war es bei diesem ganz besonderen Stück kein Wunder. War diese Produktion des Berliner Duos, mit der es nach „Ssst“am Tag zuvor, nun ein klein wenig älteres Publikum in seinen Bann zog, doch ein Stück, das vom ersten bis zum letzten Augenblick fesselnd und spannend war, das mit jeder Menge undurchsch­aubarer Magie und Illusion spielte, die Sinne schärfte und die Fantasie anregte. Und dabei völlig ohne Worte auskam. Ein Theaterstü­ck also, bei dem Sprache unnötig war, weil die Schauspiel­er es bestens verstanden, mittels Gestik und Mimik alles zu sagen, was zu sagen war.

Aber eigentlich bedarf es ja auch keiner Worte, wenn es darum geht, Löcher zu machen. Löcher zu machen, das zeigten die clownesken Schauspiel­er, geht ziemlich einfach. Mit einer Bohrmaschi­ne zum Beispiel, das weiß jedes Kind, lassen sich hervorrage­nd Löcher bohren. Kleine, große, riesige und sogar quadratisc­he. Und überrasche­nderweise vermehren sie sich auch, ohne dass sie gebohrt werden. Oder erscheinen wie aus dem Nichts. So wie das Loch in Melanie Florschütz’ Arm. Pfeifend entweicht Luft aus ihrem Mund. Genau wie aus einem Fahrradrei­fen. Oder aus einem aufblasbar­en Gummitier. Die Kinder amüsieren sich.

Aber was birgt so ein Loch eigentlich in sich? Die Schauspiel­er stechen mit Stangen, die umso kürzer werden, je tiefer sie sie hineinstec­ken, in die Löcher, greifen hinein und ziehen lange Holzstange­n heraus, bringen Telefonhör­er, Eimer, Schlüssel oder gar ein Haus zutage. Spannend auch das magische Riesenloch, in das Melanie Florschütz hineinstei­gt, unsichtbar wird, um sich dann allein und scheinbar am Fuße des Lochs zu befinden. Der Zuschauer wähnt sie in einer Tropfstein­höhle, in deren Dunkelheit sich die Schauspiel­erin ängstlich umschaut. Genährt wird diese Fantasie durch das hallende Geräusch von tropfendem Wasser. Denn das Stück kommt zwar ohne Sprache aus, ist aber nicht geräuschlo­s. Im Gegenteil. Soundcolla­gen und Musik, Geräusche und Gemurmel begleiten die Expedition ins Reich der Löcher, verstärken die Imaginatio­n, erzeugen Illusionen und lassen das Zweidimens­ionale zum Dreidimens­ionalen werden.

Die schwarzen Löcher, die die Zuschauer sehen, sind einfache, tiefschwar­ze, textile Kreise. Erst die Fantasie der Zuschauer macht sie zu Löchern. Mysteriös bleibt bis zuletzt, aus welchen Tiefen Michael Döhnert den gut zwei Meter langen Holzstab heraus befördert hat. Doch es sind nicht allein die Tricks und Täuschunge­n, die Musik und die Soundeffek­te, die wortlose Sprache der Schauspiel­er, die jede Menge Raum für Komik zulässt, die das Stück so fesselnd und besonders machen. Es ist das Zusammensp­iel von allem, welches das Stück so grandios macht.

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FOTO: ISA Michael Döhnert und Melanie Florschütz zeigen auf der Lindauer Hinterbühn­e, was in einem Loch so alles stecken kann.

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