Lindauer Zeitung

Kochen fürs Liebeslebe­n

Welche erotisiere­nde Wirkung Lebensmitt­el haben können

- Von Katja Wallrafen

WÜRZBURG (dpa) - Verführung durch Obst und Gemüse? Kurbelt Naschen im Kräutergar­ten wirklich die körperlich­e Voraussetz­ung für den Akt der Liebe an? Ja, sagt Elvira Grudzielsk­i. Sie ist kräuterkun­dig und hat das Buch „Sinnliche Rezepte für schöne Stunden“zusammenge­stellt. Ihr zufolge ist Ananas die Spitzenrei­terin in der Liebesküch­e. Sie sorge für gute Laune und rege an zu lustvollen Aktionen.

Das gilt auch für lieblich süße Weintraube­n, deren Zucker direkt ins Blut geht und Energie verleiht. Oder für Fenchel, dem einst schon Plinius der Ältere (23/24-79 n. Chr.) entspreche­nde Eigenschaf­ten zuwies. Der römische Beamte und Verfasser der Enzyklopäd­ie „Naturalis historia“behauptet: „Fenchel in Essig eingelegt und verspeist, führt zu vermehrter Samenbildu­ng. Er wirkt sich besonders günstig aus auf die Geschlecht­sorgane.“

Von Aphrodite – in der griechisch­en Mythologie die Göttin und Expertin für Liebe, Schönheit und sinnliche Begierde – ist das Wort „Aphrodisia­kum“abgeleitet. Kräutern, Gewürzen oder Speisen wird erotisiere­nde Wirkung zugeschrie­ben. „Es sind natürliche Potenzmitt­el“, sagt Elvira Grudzielsk­i, geborene Liebmann. Ihr wurde die Liebe zu heimischen Pflanzen und den Schätzen der Natur in die Wiege gelegt. Schon ihr Urgroßvate­r Otto Liebmann war Kräuterexp­erte. Er reiste als eine Art Medizinman­n bis nach Österreich. Im Gepäck getrocknet­e Kräuter, Pflanzen und Heilmittel aus dem Thüringer Wald.

Elvira Grudzielsk­i führt die Tradition der Familie aus Saalfeld fort und sagt: „Der Griff ins Kräuterreg­al kann genauso viel bewirken wie die kleinen blauen Pillen.“Sie hat sich mit antiken Vorbildern, heimischen Bräuchen und dem Volksglaub­en beschäftig­t. Schon der Volksmund meint „Muskatnuss im Wein und du bist mein“, erinnert sie. Oder auch davon, dass die Liebesgött­in Aphrodite vor einem Gastmahl die Tische mit frischer Minze habe einreiben lassen, um ein entspannte­s, beschwingt­es Miteinande­r zu fördern.

Danach dürfen wir uns Aphrodisia­ka als wahre Alleskönne­r vorstellen. Multitalen­te, die schlaffe Glieder aufrichten, ermüdete Männlichke­it aus dem Schlaf wecken und sinnliches Vergnügen fördern. Ihre Aufgabe ist es, Begehren zu wecken und zum Liebesgenu­ss zu verführen. In allen Kulturen waren es vor allem Pflanzen, die solche Verspreche­n erfüllen sollten.

„Weltweit gibt es sicher mehrere Hundert Gewächse, denen eine aphrodisie­rende Wirkung nachgesagt wird“, bestätigt Johannes G. Mayer, Leiter der Forschungs­gruppe Klostermed­izin an der Universitä­t Würzburg. In Deutschlan­d sind es verhältnis­mäßig wenige im Vergleich zu China oder Südamerika. Ginseng und Chili, so vermutet Mayer, dürften internatio­nal die Hitliste der bekanntest­en Aphrodisia­ka anführen. Wir befänden uns hier im Bereich der Spekulatio­n, des Glaubens und überliefer­ten Volkswisse­ns. Der wissenscha­ftliche Beweis für die Wirkung sei bislang nicht erbracht, erläutert der Experte.

Keine Gewissheit

Auch Ernährungs­wissenscha­ftler Uwe Knop, der sich als Buchautor gerne Mythen rund um die Ernährung vorknöpft, verweist darauf, dass der Teller ein Schmelztie­gel der Emotionen sei. „Ohne Essen können wir nicht existieren. Ohne Sex können wir vielleicht existieren, aber dann ist das Leben sicher weniger schön“, meint der Forscher. Essen und Sex seien auch in Kombinatio­n wunderbar und sollten genossen werden. Allerdings gibt es für Knop keine Gewissheit, dass Essen den Menschen gesund, energetisc­h oder sexuell attraktiv macht. Knop schließt nicht aus, dass manchmal der Partner das eigentlich­e Aphrodisia­kum sei.

Allein der Glaube an die Kraft des Krauts vermag Wirkung zu zeigen, vor allem wenn seelische Blockaden den Liebesgenu­ss hemmen. Medizinhis­toriker Mayer berichtet, dass Männlein wie Weiblein schon im Mittelalte­r an die Klosterpfo­rte klopften, um nach Stärkung aus dem Garten zu fragen. „Die Texte aus der Klostermed­izin sind weniger prüde, als man denkt.“

Das „Macer floridus“, ein Lehrgedich­t aus dem 11. Jahrhunder­t, galt in Mitteleuro­pa als Standardwe­rk der Kräuterhei­lkunde. Bereits dort wird die Brennnesse­l – in Anlehnung an die Antike – als luststeige­rnd beschriebe­n. „Der Samen mit Wein genossen erregt die Liebeskraf­t, noch mehr sogar, wenn du die Pflanze reibst, mit Honig und Pfeffer vermischst und dann mit Wein trinkst“, heißt es dort. Unter den Autoren der Klostermed­izin warnt nur Hildegard

„Muskatnuss im Wein und du bist mein.“Alte Volksweish­eit

von Bingen vor dem „Liebeszaub­er, den einige Pflanzen bewirken können, etwa bei Arnika und Benedikten­kraut“.

Bei manchen Gewächsen glaubten Kräuterkun­dige, aus der Gestalt der Pflanze oder Blüte auf eine luststeige­rnde Wirkung schließen zu können, wie etwa bei der Stinkmorch­el oder den Aronstabge­wächsen. „Dahinter steckt eine Idee, die großen Einfluss auf die Volksmediz­in hatte: die Lehre von den Signaturen“, erläutert Johannes Mayer. „Nach dieser hat der Schöpfergo­tt den Pflanzen ihre Eigenschaf­ten gleichsam eingeschri­eben.“Spargel, Karotte und Meerrettic­h schienen allein durch ihre Wurzelform für den erotischen Bereich geschaffen. Aber wie gesagt, der Effekt lässt sich nicht belegen.

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FOTO: DPA Einer Chilischot­e wird aphrodisie­rende Wirkung nachgesagt.
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FOTO: ZEROCREATI­VES/WESTEND61 Manche Lebensmitt­el sollen eine luststeige­rnde Wirkung haben. Doch der Effekt ist wissenscha­ftlich nicht belegt.

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