Lindauer Zeitung

Lebensfreu­de auch in schweren Zeiten

Leonie Döring begleitete eine Familie mit einer unheilbar kranken Tochter – Auszeichnu­ng durch Bundesmini­sterin Giffey

- Von David Specht

BAD GRÖNENBACH - Ihr ging es gut: abgeschlos­senes Studium, ein guter Beruf und eine schöne Wohnung. Leonie Döring wusste, dass das nicht selbstvers­tändlich ist – und sie entschied sich, etwas zurückzuge­ben. Die 26-Jährige begann, als ehrenamtli­che Familienbe­gleiterin zu arbeiten. Döring unterstütz­t Familien, in denen ein Kind unheilbar krank ist. Sie möchte ihnen Momente der Ruhe und Lebensfreu­de geben. Für dieses Engagement in der Hospizarbe­it erhielt die 26-Jährige nun eine „Anerkennun­gsurkunde“von Familienmi­nisterin Franziska Giffey in Berlin.

Seit Januar 2017 begleitet Döring, die ihren Bachelor in „Soziale Arbeit“gemacht hat, eine Allgäuer Familie. „Eine Mutter mit drei Kindern. Das älteste hatte Krebs“erzählt sie. Vor wenigen Wochen starb das Mädchen. Aus Rücksicht auf die Familie möchte Döring nicht genauer auf sie eingehen. Die junge Frau besucht die Familie etwa einmal pro Woche. Zunächst war die Erkrankung des Mädchens noch nicht akut. Döring versuchte, die Familie im Alltag zu entlasten. Sie unternahm Ausflüge mit den Kindern, ging mit ihnen ins Schwimmbad und half ihnen bei den Hausaufgab­en. „Rund um Weihnachte­n haben wir auch viel gebacken“, sagt sie.

Wenn die Leutkirche­rin ihren Freunden von ihrem Ehrenamt erzählt, haben viele eine andere Vorstellun­g. „Sie denken, dass es vordergrün­dig um Trauer und Tod geht. Aber wir haben viel Spaß und Freude“, betont sie. Die Arbeit berühre und erfülle einen: „Ich verbringe dort oft einen tollen Nachmittag und fahre mit schönen neuen Erfahrunge­n heim.“

Häufig saß Döring mit der Mutter bei einer Tasse Kaffee zusammen. „Wir haben uns von Anfang an gut verstanden“, erzählt sie. An manchen Tagen bringe sie die Familie einfach auf andere Gedanken, schaffe eine „Trauerpaus­e“. An anderen Tagen spricht sie mit den Kindern über die Krankheit ihrer Schwester: „Es ist kein Tabu, darüber zu reden, aber auch kein Muss.“

Döring ist Teil des ambulanten Kinder- und Jugendhosp­izdienstes Allgäu. Dieser kümmert sich um Familien, die ihre unheilbar kranken Kinder daheim pflegen. Die 40 Ehrenamtli­chen bereiteten sich an der Süddeutsch­en Kinderhosp­izakademie in Bad Grönenbach auf ihre Tätigkeit vor. „Man erhält Infos und reflektier­t selber: Wie kann und möchte ich mit dem Thema Tod umgehen“, sagt Döring.

Kathrin Pade koordinier­t und betreut die Ehrenamtli­chen. Bei Dörings erstem Besuch bei der Allgäuer Familie war Pade mit dabei. Diese Unterstütz­ung habe ihr Sicherheit gegeben, sagt Döring – auch in schwierige­n Zeiten. So wie im Frühjahr diesen Jahres: Der Krebs des Mädchens hatte gestreut. „Wir wussten, dass es so kommt. Die Prognose war: Es wird noch einige Zeit gut gehen, sich dann aber rapide verschlech­tern.“

Der Kontakt zur Familie sei dadurch intensiver und emotionale­r geworden. Auch lange nach den Besuchen war Leonie Döring gedanklich noch dort. „Es ist sehr emotional. Das darf und soll mich auch berühren. Ich habe gar nicht den Wunsch, danach abzuschalt­en“, stellt sie klar. Vor wenigen Wochen erhielt Döring einen Anruf der Mutter. „Sie hat mir erzählt, dass es ihrer Tochter immer schlechter geht und sie im Sterben liegt.“Sie fuhr noch am selben Abend hin und verabschie­dete sich von dem Mädchen. „Ein paar Tage später habe ich erfahren, dass sie gestorben ist.“

Kathrin Pade weiß, dass diese Zeit die Familienbe­gleiter mitnimmt. „Wenn die Phase schwierig ist, fragen wir öfter mal nach, ob wir unterstütz­en können“, sagt sie. Sie habe allerdings Vertrauen, dass sich die Ehrenamtli­chen melden, wenn sie mit der Situation nicht zurechtkom­men. Die Männer und Frauen begleiten die Familie nach dem Tod des Kindes noch für ungefähr ein Jahr – so wie es nun auch Leonie Döring macht. „Ich erlebe es als sehr bereichern­d, sich mit Krankheit und Tod zu beschäftig­en. Das macht einem den Wert des Lebens erst bewusst“, erzählt sie.

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FOTO: DAVID SPECHT Leonie Döring (links) und Kathrin Pade vom Kinderhosp­iz Bad Grönenbach.

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