Lindauer Zeitung

Macron hat hoch gepokert

- Von Christine Longin politik@schwaebisc­he.de

Der französisc­he Präsident hat in den ersten zweieinhal­b Jahren im Amt schon einiges durchgesta­nden: Rücktritte prominente­r Minister, einen prügelnden Leibwächte­r und die Proteste der Gelbwesten. Doch das, was vor Weihnachte­n noch auf Emmanuel Macron zukommt, dürfte alles andere übertreffe­n. Der Streik am Donnerstag gab einen Vorgeschma­ck auf eine massive Protestbew­egung, die sich über Wochen hinziehen könnte. Und der Staatschef hat diese Protestbew­egung selbst provoziert. Bewusst wollte er die Rentenrefo­rm noch vor den Kommunalwa­hlen im März angehen. Auch wenn sie seiner noch jungen Partei „La République en Marche“Stimmen kosten dürfte. Doch Macron schaut viel weiter als nur bis zum nächsten Wahldatum. Er hat die Präsidents­chaftswahl in zweieinhal­b Jahren im Blick. 2017 wählte ihn eine Mehrheit der Franzosen, weil er ihnen versproche­n hatte, das verkrustet­e Land zu reformiere­n. Die Rentenrefo­rm, die bisher noch keiner Regierung gelungen war, sollte ihm die Wiederwahl sichern.

Und anfangs sah es auch so aus, als könnte es klappen. Arbeitsrec­htsreform und Bahnreform brachte der Staatschef ohne große Schwierigk­eiten über die Bühne. Seine anderen Reformen schienen sich wie Perlen auf eine Schnur zu reihen. Doch dann kamen die Gelbwesten und machten dem Präsidente­n klar, dass er das Land mehr gespalten hatte, als es zu versöhnen.

Diese Spaltung war auch am Donnerstag sichtbar: Das Frankreich von unten demonstrie­rte gegen das Frankreich von oben. Den Hunderttau­senden auf der Straße ging es nicht nur um die Rentenrefo­rm, sondern auch um eine zunehmende Verarmung der Bevölkerun­g. Die Angst, dass die Rentenrefo­rm Altersarmu­t produziert, ist groß. Auch deshalb wird die Streikbewe­gung von 58 Prozent der Franzosen unterstütz­t. Macron kann diese Zahl nicht ignorieren. Er kann nur versuchen, mit Zugeständn­issen die Gewerkscha­ften ins Boot zu holen. Wenn er sein Projekt aber zu sehr verwässert, ist sein Ruf als Reformer dahin. Dann hätte er hoch gepokert und viel verloren.

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