Diesel könnte 70 Cent teurer werden
Debatte um drastische Vorschläge des Umweltbundesamtes – ADAC warnt vor Überforderung
BERLIN (dpa) Tempo 120 auf Autobahnen, höhere Steuern vor allem auf Diesel, Aus für die Pendlerpauschale, Streichung der Steuerprivilegien für Dienstwagen, höhere LkwMaut: Um die deutschen Klimaziele im Verkehr zu erreichen, hat das Umweltbundesamt (UBA) drastische Einschnitte empfohlen – und eine Debatte ausgelöst. Die von der SPDPolitikerin Maria Krautzberger geführte Behörde empfiehlt unter anderem, die Steuern auf Diesel bis 2030 um mehr als 70 Cent pro Liter zu erhöhen. Benzin müsste demnach um etwa 47 Cent teurer werden.
Von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer kam prompt Kritik. „Die Bürger erneut mit Verzicht, Verbot und Verteuerung à la Bundesumweltamt in Panik zu versetzen, ist der falsche Ansatz“, sagte der CSUPolitiker. Tatsächlich ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung bemerkenswert: Gerade erst hat die Große Koalition beschlossen, die Pendlerpauschale ab dem 21. Kilometer zu erhöhen, um auszugleichen, dass ein CO2Preis Diesel und Benzin teurer machen soll. Ein Sprecher von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte derweil: „Grundsätzlich sind die in der UBAStudie genannten Maßnahmen geeignet, um die Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen.“Wenn das Klimapaket – das neben einem moderaten CO2Preis vor allem auf Fördermaßnahmen setzt – nicht ausreiche, müsse nachgesteuert werden.
Umweltorganisationen, der BUND oder auch Greenpeace, sehen sich mit dem Bericht in ihrer Kritik am Klimapaket der Regierung bestätigt. Heftige Kritik kam dagegen vom ADAC. Die Vorschläge gingen an der Lebenswirklichkeit vieler Menschen völlig vorbei. Die Pläne wirkten wie ein „ideologischer Feldzug gegen das Auto“, sagte ADACVizepräsident Gerhard Hillebrand der „Süddeutschen Zeitung“. Klimaschutz dürfte die Menschen nicht überfordern.
Der FDPFraktionsvize Frank Sitta sagte, die Forderungen seien ein „Vorgeschmack dessen, was auf die Bürger zukommen wird“– weil das Klimapaket der Koalition scheitern werde, würden die Menschen künftig „mit solchen radikalen Maßnahmen drangsaliert“werden. Dirk Spaniel, der verkehrspolitische Sprecher der AfDFraktion, nannte die UBAVorschläge „absurd“.
BERLIN Der Verkehr ist das große Problem der deutschen Klimapolitik. Zwar werden die Motoren immer effizienter, gleichzeitig jedoch werden die Autos, von denen immer mehr auf den Straßen unterwegs sind, immer größer. Die Folge ist, dass die KohlendioxidEmissionen im Verkehr bestenfalls stagnieren. Zwischen 2009 und 2017 sind sie sogar kontinuierlich bis auf 167 Millionen Tonnen gestiegen, bevor sie vergangenes Jahr auf 162 Millionen gesunken sind.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat nun darauf hingewiesen, dass deutlich mehr getan werden müsste, um das Ruder herumzureißen: höhere Steuern vor allem für Dieselfahrzeuge, ein Ende der Pendlerpauschale, Tempo 120 auf Autobahnen. Auch müsste laut einem Positionspapier, das das dem Umweltministerium unterstehende UBA am Donnerstag vorgestellt hat, der Preis für Diesel um 70 Cent erhöht werden, jener für Benzin um 47 Cent. Auch die Steuerprivilegien für Dienstwagen sollten abgeschafft werden.
Selbst wenn Maßnahmen wie die Förderung der Elektromobilität und die Ausweitung der Lastwagenmaut erfolgreich griffen, verbrauche der Verkehrssektor im Jahr 2030 noch immer mehr als 56 Millionen Tonnen Kohlendioxid zu viel, warnt das UBA. Daher könne es in der Verkehrspolitik „kein ,Weiter so' geben“. Die Behörde nennt die vorgeschlagenen Maßnahmen „ambitioniert, aber machbar“, die Instrumente müssten aber noch in dieser Legislatur angestoßen werden. Zudem müssten soziale Härten abgefedert werden.
Das UBA schlägt Maßnahmen in drei Etappen vor, in deren Verlauf der Preis für Kraftstoff und die Lastwagenmaut steige und das Tempolimit umgesetzt werde. In Etappe drei schlägt das UBA zudem eine Elektroquote für neu zugelassene Autos in Höhe von 70 Prozent im Jahr 2030 vor.
Im Grunde genommen sind die Vorschläge deckungsgleich mit jenen der Umweltverbände. Dementsprechend begeistert zeigt sich der Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND). Der Vorstoß sei „begrüßenswert, jetzt müssen die Maßnahmen vom Klimakabinett aufgegriffen und umgesetzt werden“, erklärte der Verband in einer Stellungnahme. Dass das geschehen wird, ist momentan zumindest mehr als unwahrscheinlich. Denn der größte Teil des Klimapakets der Großen Koalition ist soeben beschlossen worden. Die Pendlerpauschale wird, wenn der Bundesrat dem im Vermittlungsausschuss zustimmt, nicht abgeschafft, sondern erhöht.
Dass das Papier also gerade jetzt veröffentlicht wurde, kann durchaus als Geste des Unmuts gedeutet werden, den die Umweltbehörde angesichts der Klimapolitik der Regierungskoalition verspürt. Die beschlossenen Maßnahmen, wie etwa die günstigere Mehrwertsteuer für Bahntickets, würden nicht ausreichen, beklagt UBAPräsidentin Maria Krautzberger: „Nach unseren Abschätzungen bleibt eine Klimaschutzlücke von 20 bis 30 Millionen Tonnen Treibhausgasen“, sagte Krautzberger der „Süddeutschen Zeitung“.
Die FDP bezeichnete die Pläne als „sozialen Sprengstoff “. Millionen Deutsche seien täglich auf das eigene Auto angewiesen, sagte der Verkehrsexperte Oliver Luksic. Auch die Linke sprach sich deswegen gegen eine Abschaffung der Pendlerpauschale aus. Das bringe Probleme für alle Menschen, „die keinen Zugang zum gut ausgebauten Nahverkehrsnetz der Städte hätten“, sagte Umweltpolitiker Ralph Lenkert dem SWR.