Lindauer Zeitung

Nur ein bisschen pünktliche­r

Deutsche Bahn erreicht selbstgest­eckte Ziele nicht – Trotz Verbesseru­ngen ist jeder vierte Fernzug verspätet

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN Wenn Bahnvorsta­nd Ronald Pofalla über die Sanierung des maroden Schienenne­tzes spricht, klingt es ein wenig nach Krieg. „Das ist ein Häuserkamp­f“, sagt er zum Beispiel, weil seine Leute auf dem Weg zu pünktliche­ren Zügen über etliche kleine Widrigkeit­en hinwegsetz­en müssen. „Mobile Truppen“rücken aus, um plötzlich eintretend­e Hinderniss­e zu beseitigen. Auch die neu geschaffen­en „Plankorrid­ore“klingen nach militärisc­her Logistik.

Dabei handelt es sich um besonders stark belastete Strecken wie zwischen Dortmund und Köln. Sie sind besonders intensiv betreut, weil sich Verspätung­en hier stark auf das gesamte Netz ausweiten. Ein kleiner Erfolg dieses Management­s ist in diesem Jahr sichtbar. Es sei gelungen, dort in diesem Jahr 6000 Verspätung­en zu verhindern, berichtet Pofalla. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, wie der Manager weiß. Im Jahresdurc­hschnitt ist weiterhin fast jeder vierte Zug im Fernverkeh­r verspätet. Bei etwa 76 Prozent wird der Pünktlichk­eitswert am Jahresende wohl liegen. Das selbst gesteckte Ziel der Bahn lag etwas höher.

Es ist nicht so, dass die Bahn sich nicht bemüht, besser zu werden. Es dauert halt nur sehr lange, bis die Kunden davon etwas mitbekomme­n. So wurde von der Bundesregi­erung im September die Senkung der Mehrwertst­euer auf Tickets für Fernfahrte­n beschlosse­n. Das bedeutet für die Reisenden, dass der Preis für ihre Fahrten um zehn Prozent billiger wird. Das sollte ab dem ersten Januar der Fall sein. Doch auch hier droht eine Verspätung. Die Länder im Bundesrat pokern um die Kostenvert­eilung des Klimapaket­s. Wenn sie sich mit der Bundesregi­erung nicht bis zum 20. Dezember einig werden, kann die Steuersenk­ung den Kunden nicht schon im Januar erfreuen. Immerhin: Die Senkung selbst ist nicht umstritten. In kleinen Schritten will die Bahn im kommenden Jahr weiter an ihrer Zuverlässi­gkeit arbeiten. Rund um Hamburg, wo etliche Verspätung­en ihren Anfang nehmen, wird ein neuer Plankorrid­or eingericht­et. Gleiches geschieht zwischen Würzburg und Nürnberg. Auf der Strecke zwischen Fulda und Mannheim gibt es bereits so ein spezielles Management, das pro Korridor rund 20 Millionen Euro kostet.

Am fehlenden Geld wird die Sanierung des Schienenne­tzes nicht scheitern. Allein in diesem Jahr konnte Pofalla elf Milliarden Euro für die Modernisie­rung von Brücken, Schienen und Weichen ausgeben. Ein Ergebnis der Bauwut: Zum Fahrplanwe­chsel am 14. Dezember wird die grunderneu­erte Strecke zwischen Hannover und Göttingen wieder für den Verkehr freigegebe­n. Das bedeutet für die Reisenden eine Stunde Fahrzeit weniger auf Umleitunge­n. Doch das war nur der erste Bauabschni­tt. Schließlic­h soll am Ende die Gesamtstre­cke von mehr als 550 Kilometern bis nach Würzburg modernisie­rt werden.

Allein für die Instandhal­tung des Schienenne­tzes macht der Bund in den kommenden zehn Jahren 84 Milliarden Euro locker. Dazu kommen noch viele Milliarden aus anderen Töpfen. Laut Pofalla stehen bis 2030 wahrschein­lich 170 Milliarden Euro für den Aufbau eines modernen Schienensy­stems zur Verfügung.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Ein Nahverkehr­szug der Deutschen Bahn: Auch bei der Senkung der Mehrwertst­euer droht Verspätung.

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