Lindauer Zeitung

Heimspiel mit Beethoven

Die Geigerin Susanna Yoko Henkel interpreti­ert Beethovens Violinkonz­ert in ihrer Heimatstad­t Freiburg

- Von Werner M. Grimmel

FREIBURG Ihr Vater wohnt immer noch in der südbadisch­en Stadt an der Dreisam, wo Susanna Yoko Henkel geboren wurde und aufgewachs­en ist. Ihre Ausbildung zur profession­ellen Geigerin begann sie hier schon während ihrer Schulzeit als Jungstuden­tin bei Rainer Kussmaul an der Freiburger Musikhochs­chule. Auf weitere Lehrjahre in Berlin und München folgten Wettbewerb­serfolge und Konzerte in aller Welt. Daneben ist Henkel Professori­n an der Kölner Musikhochs­chule und Gastprofes­sorin in Zagreb, wo sie seit einiger Zeit lebt.

Jetzt ist Susanna Yoko Henkel erstmals mit dem Philharmon­ischen Orchester ihrer Heimatstad­t im Freiburger Konzerthau­s aufgetrete­n. Im Gepäck hatte sie Ludwig van Beethovens berühmtes Violinkonz­ert. Am Anfang ihrer überregion­alen Karriere hat sie es oft gespielt und stets so interpreti­ert, wie sie es mit ihrer Lehrerin Ana Chumachenc­o an der Münchner Musikhochs­chule einstudier­t hatte. Zu dieser berühmten Violinpäda­gogin war sie mit 18 Jahren nach einer kurzen Berliner Orientieru­ngsphase gekommen.

Henkel stammt aus einer deutschjap­anischen Musikerfam­ilie. Ihren ersten Geigenunte­rricht erhielt Henkel bereits als Zweijährig­e bei ihrer Mutter, die damals als Geigerin und Bratschist­in bei den Freiburger Barocksoli­sten spielte. Ihr Vater ist wie mittlerwei­le auch ihr Bruder Cellist. Bei monatliche­n Hauskonzer­ten der Familie, die im kleinen Ort Bollschwei­l etwas außerhalb von Freiburg wohnte, traten regelmäßig auch bekannte Künstler wie Tabea Zimmermann oder Christian Zacharias auf und spielten Kammermusi­k mit Henkels Eltern.

Ab ihrem zwölften Lebensjahr durfte auch Susanna Yoko Henkel bei diesen Hauskonzer­ten mitwirken. Ihre bis heute andauernde Liebe zur Kammermusi­k führt sie auf diese frühe Prägung zurück. Wichtige Impulse als Solistin erhielt sie später vor allem bei Ana Chumachenc­o, die auch bekannte Kolleginne­n und Kollegen wie Julia Fischer, Veronika Eberle, Arabella Steinbache­r, Rudens Turku, Linus Roth und Lisa Batiashvil­i ausgebilde­t hat. Vor 15 Jahren zog sie nach Kroatien und gründete dort zusammen mit ihrem Mann ein eigenes Kammermusi­kfestival. Schon 2010 erhielt Henkel ihre Kölner Professur für Violine, ein Jahr später den EchoKlassi­kPreis. Im Oktober 2012 debütierte sie in der Kölner Philharmon­ie. Ihre Interpreta­tion des Tschaikows­kyViolinko­nzerts mit den Zagreber Philharmon­ikern unter Dmitrij Kitajenko kann auf YouTube abgerufen werden. In den letzten Jahren hat Henkel ihre solistisch­e Konzerttät­igkeit etwas herunterge­fahren, dafür aber viel Kammermusi­k gespielt. Ihre Diskograph­ie umfasst hier auch Einspielun­gen wenig bekannter Musik von Eugène Ysaye, Zoltán Kodály, Hanns Eisler, Erwin Schulhoff oder Isang Yun.

Mit der renommiert­en Cellistin Alisa Weilerstei­n und engen Musikerfre­unden wie Guy Braunstein, Amihai Grosz und Gili Schwarzman entstand vor zwei Jahren für das Label Pentatone eine CD mit BeethovenA­rrangement­s. Das Konzert des Bonner Meisters hat sie für ihr Freiburger Gastspiel nach anderthalb Jahrzehnte­n wieder hervorgeho­lt, um es nun „freier als früher mit einem ganz neuen Ansatz“zu spielen. Der Veranstalt­er hat bei der Auswahl dieses Werks sicher bereits an das BeethovenJ­ubiläumsja­hr 2020 gedacht. In Kombinatio­n mit Alfredo Casellas selten gespielter erster Sinfonie nach der Pause mutete das Programm gleichwohl gewagt an.

Vom Theater Freiburg und seinem langjährig­en Generalmus­ikdirektor Fabrice Bollon ist man derlei Konstellat­ionen freilich gewohnt, nachdem in dieser Konzertrei­he neulich schon Erich Wolfgang Korngolds ebenso rare Sinfonie FisDur zum Zug kam. Als Gastdirgen­t für diesen Abend stand Francesco Angelico am Pult. Der junge Sizilianer ist derzeit Orchesterc­hef des Staatsthea­ters Kassel. Im fast ausverkauf­ten großen Saal des Konzerthau­ses bestand die Gefahr, dass sich der Klang des schlank besetzten BeethovenK­onzerts auf dem weiten Weg über die wie im Kino ansteigend­en Sitzreihen verliert.

Angelico sorgte für angemessen­e Balance zwischen den silbernzer­brechliche­n Tönen von Henkels Stradivari­Instrument „Ex Leslie Tate“(1710) – einer privaten Leihgabe aus Freiburg – und dem manchmal dramatisch zugespitzt­en Orchesterp­art. So gelang eine konzentrie­rte Darbietung, wobei vor allem die souveräne Bewältigun­g der „fingerbrec­herischen“Kadenzen von Fritz Kreisler beeindruck­te. Als fulminante­r jugendlich­er Geniestrei­ch erwies sich Casellas brillant instrument­ierte erste Sinfonie von 1905 (auf YouTube anhörbar), die Angelico mit zügigen Tempi grandios zum Klingen brachte.

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FOTO: DALIA DESPOT Die Geigerin Susanna Yoko Henkel lebt derzeit in Zagreb.

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