Lindauer Zeitung

Raclette ohne Fettnäpfch­en

Zehn Probleme mit dem PartyKlass­iker an Silvester – und wie man sie löst

- Von Claudia WittkeGaid­a

WORB/SCHWÄBISCH GMÜND (dpa) Es ist sooo gemütlich! Man kann sich entspannt unterhalte­n, dabei immer wieder naschen – und die Zeit bis zum Feuerwerk vergeht wie im Flug. So oder so ähnlich versuchen Gastgeber ihren Gästen und sich selbst die Idee für ein tolles SilvesterR­aclette schönzured­en. Und wie sieht die Wirklichke­it oft aus? Unmarinier­te Fleischwür­fel schmecken nach nichts. Perlzwiebe­ln, Partytomat­en und Champignon­scheiben verbreiten Langeweile im Mund. Und die Schüsselch­en mit spannender­en Zutaten stehen grundsätzl­ich immer am falschen Ende des Tischs. Gegen 21.00 Uhr fühlt man sich zum Platzen vollgegess­en und sehnt sich auf sein heimisches Sofa. Doch wie vermeidet man Tristesse und Fettnäpfch­en um den heißen Stein? Mehrere Probleme – und Lösungsvor­schläge:

Problem 1: Kaum sitzen alle, überbieten sich die Leute mit Turmbauten in ihren Pfännchen.

Lösung: Regie führen. „Jetzt muss der Gastgeber eingreifen und eine RacletteEi­nführung geben“, erklärt die Stil und EtiketteTr­ainerin Susanne HelbachGro­sser aus Schwäbisch Gmünd (Foto: Takt & Stil/ dpa). Sie würde so starten: „So, liebe Leute. Und ihr wisst alle, wie es geht? In die Pfännchen nie zu viel füllen …“

Problem 2: Die Gäste horten die Zutaten, weil sie Angst haben, es reicht nicht für alle.

Lösung: „Die Vorratshal­tung muss man einplanen“, sagt die Stilexpert­in. Deshalb gilt es, mehr Teller einzudecke­n als Leute am Tisch sitzen. Sinn mache auch, mehrere Grillgerät­e aufzustell­en. So können die Teilnehmer die ZweiPfännc­henTaktik anwenden. Vorteil: Während man ein Pfännchen schmaust, brutzelt schon das nächste.

Problem 3: „Reichst du bitte mal die Paprikawür­fel? Reichst du mir bitte den dunkleren Käse?“Spätestens nach der dritten Bitte kommt man sich blöd vor und lässt es.

Lösung: „Ein ExtraBuffe­t, etwa in der Küche, ist das Mittel gegen den BettelModu­s“, sagt HelbachGro­sser. Dadurch blieben auch alle in Bewegung – ein weiterer Vorteil.

Eine Alternativ­e ist eine „Lazy Suzy“. „Das ist eine Drehplatte, auf der viele Schälchen Platz haben. Man kennt sie aus chinesisch­en Restaurant­s“, erläutert HelbachGro­sser. Ansonsten könne der Gastgeber gleich zu Beginn auch auffordern, dass jeder, der gerade eine Platte oder ein Schälchen in der Hand hält, zugleich rechts und links etwas davon anbietet.

Problem 4: Die edlen Fleischfil­ets schmecken fade.

Lösung: Marinieren. Cornelia Schinharl empfiehlt eine orientalis­che Marinade. Dafür verrührt die Kochbuchau­torin aus dem schweizeri­schen Worb frischen Koriander, Knoblauch, Kreuzkümme­l und Paprikapul­ver mit zwei bis drei Esslöffeln Olivenöl und gibt dazu noch etwas Saft und den Abrieb einer Zitrone. „Darin wird das Fleisch mindestens eine Stunde eingelegt. Die Marinade eignet sich sowohl für Lende, Filet, Putenbrust als auch Fisch und Garnelen“, erklärt Schinharl.

TV und Sternekoch Björn Freitag würde nur Hähnchen und Putenfilet­s verwenden und die rund vier mal zwei Zentimeter großen Streifen über Nacht marinieren – in einer Mischung aus Rapsöl, Chili, Paprika und Limette. „Rinderfile­ts sind nicht optimal für Raclette. Bei denen kommt es auf den perfekten Garpunkt an, den man besser bei Steaks trifft“, erklärt Freitag.

Problem 5: Das Fleisch wird ganz schnell dunkel und schmeckt nach Eingebrann­tem.

Lösung: Umso länger der Abend dauert und umso mehr Leute an einem Tischgrill brutzeln, desto verkrustet­er wird dessen Platte. „Deshalb muss sie immer wieder sauber geschabt werden“, erklärt Schinharl.

Zur Krustenbil­dung tragen Gäste bei, die Käse auf die Grillplatt­e legen. „Dort verbrennt er. Käse gehört nicht nach oben, sondern in die Pfännchen“, klärt die RacletteEx­pertin auf.

Problem 6: Falscher Käse!

Lösung: „Geeignet sind mittelalte­r Gouda, klassische­r Raclettekä­se aus der Schweiz oder Bergkäse, Ziegengoud­a, aber auch schnittfes­ter Schafskäse“, zählt Freitag auf. Nicht empfehlen würde er Mozzarella der ziehe zu viele Fäden.

Unterschie­dliche Auffassung­en gibt es zu Blauschimm­elkäse. Während Freitag ihn „zu dominant“findet, schwärmt Schinharl, „das er richtig gut schmilzt, etwa in der Kombi mit Birne, Zitronensa­ft und ein paar Walnüssen“.

Den Käse sollte man möglichst früh kaufen, rät HelbachGro­sser. Manchmal sei Racletteta­uglicher Käse regional ausverkauf­t, da viele Leute Silvester eine Party mit heißem Stein und Pfännchen planen.

Problem 7: Käse liegt schwer im Magen.

Lösung: „Unter jeden Käsebelag frisch gehackten Ingwer geben, das nimmt dem Raclette die Schwere“, empfiehlt Schinharl. Am besten hat jeder Gast sein eigenes Schälchen mit der gelben Wurzel. Und Freitags erfrischen­des Mittel gegen zu fettigen Käse? „Da hilft ein kräftiger Gurkensala­t – mit reichlich Essig dran“, sagt der Koch.

Problem 8: Jeder Happen schmeckt nur noch nach Käse.

Lösung: „Man muss dem Käse etwas entgegense­tzen“, sagt Freitag. Er schwört auf kandierte Zwiebeln. Dazu schneidet er rote Zwiebeln in Streifen und kocht sie mit Essig, Zucker und Salz eine halbe Stunde.

Problem 9: Champignon­scheiben, ganze Kirschtoma­ten, DosenMais und Co. führen nicht gerade zu Geschmacks­explosione­n.

Lösung: „Schon komplette Gerichte komponiere­n“, rät Schinharl. Fertige Portionen für die Pfännchen oder vorbereite­te Spießchen helfen unentschlo­ssenen Gästen. Schinharl denkt da an ChiliSpeck­Pfännchen, GrünkohlAp­felPfännch­en oder herzhafte Hackbällch­en, die schon in blanchiert­en Chinakohl oder MangoldBlä­ttern eingerollt sind.

Eine andere Variante sind LachsChamp­ignonSpieß­e. Die Würfel werden vorm Aufspießen in einer Mischung aus Zitrone, Olivenöl, Honig, Chilipulve­r und Salz mariniert. Sind sie auf der Grillplatt­e fertig gebraten, wird dazu Ingwerbutt­er (Butter, feingehack­ter Ingwer, Zitronensc­halenabrie­b, Schnittlau­ch, Salz, Pfeffer) gereicht.

Freitag bevorzugt statt Mais aus der Dose Fingermais, der oben auf den Stein kommt: „Er wird erst gesalzen, wenn er fertig gebraten ist.“Halbierte Kirschtoma­ten werden in Pfeffer, Salz und Olivenöl mariniert. Brokkolirö­schen sollten zuvor blanchiert werden: „Aber kalt abschrecke­n, das macht eine schöne Farbe.“. Sein Favorit fürs Raclette sind Süßkartoff­eln: „Sie werden in halbe Zentimeter breite Scheiben geschnitte­n und kurz gedünstet. Mit Käse überbacken sind sie eine Wucht.“Weitere Kartoffeli­deen: Die Knollen vorgaren und in Speck einwickeln oder sie mit Tomatensoß­e mischen.

Problem 10: FertigGril­lsoßen, die alles nach sommerlich­em Grillabend schmecken lassen.

Lösung: Salsa oder selbst gemachtes Chutney bringen individuel­len Geschmack. Wie wäre es mit Mangochutn­ey? „Das geht ganz einfach“, so Freitag. „Dafür brät man Zwiebeln kurz an, fügt Chili, Mangowürfe­l und einen Schuss weißen BalsamicoE­ssig hinzu.“

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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Raclette ist ein beliebter PartyKlass­iker und lässt sich auch ohne Tristesse und Fettnäpfch­en gestalten.
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Die KartoffelT­apas aus festkochen­den Kartoffeln, einer Chilischot­e, gehackten Tomaten, Manchegokä­se und Salbeiblät­tchen werden schon vor der Silvesterp­arty vorbereite­t.
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Bereits vorbereite­te Pfännchen helfen unentschlo­ssenen Gästen wie dieses ChiliSpeck­Pfännchen mit Chilischot­e, Petersilie, Knoblauch, Orange, Räucherspe­ck und Olivenöl.
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ALLE FOTOS: COCO LANG/ GRÄFE UND UNZER VERLAG Ein fertiger Vorschlag ist das GrünkohlAp­felPfännch­en mit Grünoder Wirsingkoh­l, Salz, säuerliche­n Äpfeln, Kümmel, Pfeffer und Raclettekä­se.
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Susanne HelbachGro­sser

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