Selbst den Teddy muss er teilen
In seinem neuen Buch schreibt Peter Wawerzinek: „Man kann, ohne geliebt zu werden, auf Erden leben.“Und er muss es wissen. Drei Jahre alt war er als seine Mutter in den Westen ging und ihn mit der zweijährigen Schwester allein zurückließ. Aus der völlig verwahrlosten Wohnung in Rostock wurden die beiden Geschwister in zwei getrennten Kinderheimen untergebracht. Immer wieder hat Peter Wawerzinek in Büchern wie „Das Kind, das ich war“(1994) oder seinem Roman „Rabenliebe“(2010), für den er den IngeborgBachmannPreis bekam, davon erzählt. Zuletzt verarbeitete er seine Erfahrungen in dem mit Steffen Sebastian gedrehten Dokumentarfilm „Lievalleen“(2019), der im Frühjahr beim Filmkunstfest Schwerin für Aufsehen sorgte. Sein neuer Roman „Liebestölpel“schließt daran an.
Sogar den geliebten Teddybär Kalle muss der IchErzähler mit den anderen Kindern im Heim an der Ostsee teilen. Wie soll man da „zu lieben“lernen? Eine seiner ersten Erinnerungen ist, wie er auf dem Dreirad im Wald bei Nienhagen zwei schwarzen Zöpfen hinterherjagt. Die gehören Lucretia, etwas älter als er selbst.
Mit diesem Bild setzt der 1954 geborene Peter Wawerzinek gleich am Anfang ein ausdrucksstarkes Motiv, das sich durch den ganzen Roman zieht. Immer wieder läuft diese Lucretia aus dem Kinderheim weg. So wie sie später immer wieder dem Erzähler davonläuft, den sie nur „Petkowitsch“nennt. Nie kommt er von ihr los. „Ist sie nicht in meiner Nähe, vergesse ich sie. Taucht sie urplötzlich auf, vergesse ich mich, egal in welcher Beziehung ich gerade stecke …“Ob Inga, Marina, Isa oder Epona. Immer wenn Petkowitsch eine Frau kennenlernt, taucht Lucretia auf und entführt ihn. Nach Prag, Venedig, in die USA. Und so schnell sie kommt, verschwindet sie wieder.
Eindrucksvoll versteht es Peter Wawerzinek, aus seiner eigenen Vita eine Geschichte zu machen. Auseinanderzuklamüsern was wirklich erlebt und was er erfunden ist, würde diesem Buch nicht gerecht werden. Es ist autobiografisch genug, um authentisch zu sein. Und einmal mehr lässt Wawerzinek seine Leser daran teilhaben, dass die Liebe einer Mutter nicht zu ersetzen ist.