Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit
Singen macht●glücklich, behaupten Therapeuten. Singen kann auch ganz schön unglücklich machen, dann nämlich, wenn diese Kunst in ihrer Hochform auf die Bühne gebracht werden will, zahlen Sängerinnen und Sänger oft einen hohen Preis. Sie können buchstäblich ein Lied davon singen. Zum Beispiel Brigitte Fassbaender.
Die berühmte Mezzosopranistin hat zu ihrem 80. Geburtstag ihre Memoiren vorgelegt. Sie wählte ein Motto aus dem „Rosenkavalier“, also jener StraussOper, in der sie mit der Hosenrolle Rolle des Oktavian weltberühmt geworden ist. Doch das Zitat stammt nicht von dem schönen Jüngling, sondern vom groben Ochs von Lerchenau; „Komm' aus dem Staunen nicht heraus“.
Sachlich, mit Humor und oft mit einer gewissen Schnoddrigkeit – Brigitte Fassbaender ist in Berlin geboren und aufgewachsen – erzählt die Sängerin aus ihrem Leben. Die Tochter des ebenfalls schon berühmten Sängers Willi DomgrafFassbaender blickt nicht selbstgefällig zurück auf diese Karriere, die sie an alle großen Opernhäuser und in die bedeutendsten Konzertsäle dieser Welt gebracht hat. Sondern sie macht auch deutlich, was ein Mensch aushalten muss, der sich hinauswagt auf die Bühne, schutzlos und allein. Denn das Instrument der Sängerin ist nur die Stimme. Sie verzeiht nichts.
Ein solches Leben mag nach außen glänzend erscheinen. Die ungeheure Disziplin, die es erfordert, kann das Publikum nicht sehen, nur ahnen. Unumwunden spricht Fassbaender von Angstschüben, von Stimmproblemen im Klimakterium und von ihren jahrzehntelangen Diäten. Nur weil ein Intendant gleich am Anfang was von „aufs Gewicht achten“gesagt hat.
Der Weg von der Bühne zum Regiepult und schließlich auf den Intendantensessel in Innsbruck sowie bei Festivals in GarmischPartenkirchen und Eppan erscheint angesichts der Strapazen des Sängerinnenlebens wie der Weg in die Freiheit. Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit, könnte man mit Karl Valentin sagen. In einem sehr langen, der eigentlichen Biografie angehängten Theatertagebuch wird erkennbar, dass auch die Rolle der Regisseurin nicht nur viel Kreativität, sondern vor allem ein stabiles Nervenkostüm erfordert.
In den Besprechungen ihrer Autobiografie werden – aus gegebenem Anlass – vor allem jene Passagen zitiert, die zur heutigen #MeTooDebatte passen. Dass Domingo ein „Weiberheld“war und der legendäre Dirigent Sir Georg Solti weibliches Entgegenkommen gern mit Nerzstolas honorierte. Fassbaender, die nach einer frühen Ehe, nun schon seit Jahrzehnten mit einer Frau zusammenlebt, macht kein Hehl daraus, wie sehr sie dieses System der Abhängigkeiten im Musikbetrieb anwidert.