Lindauer Zeitung

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit

- Von Barbara Miller

Singen macht●glücklich, behaupten Therapeute­n. Singen kann auch ganz schön unglücklic­h machen, dann nämlich, wenn diese Kunst in ihrer Hochform auf die Bühne gebracht werden will, zahlen Sängerinne­n und Sänger oft einen hohen Preis. Sie können buchstäbli­ch ein Lied davon singen. Zum Beispiel Brigitte Fassbaende­r.

Die berühmte Mezzosopra­nistin hat zu ihrem 80. Geburtstag ihre Memoiren vorgelegt. Sie wählte ein Motto aus dem „Rosenkaval­ier“, also jener StraussOpe­r, in der sie mit der Hosenrolle Rolle des Oktavian weltberühm­t geworden ist. Doch das Zitat stammt nicht von dem schönen Jüngling, sondern vom groben Ochs von Lerchenau; „Komm' aus dem Staunen nicht heraus“.

Sachlich, mit Humor und oft mit einer gewissen Schnoddrig­keit – Brigitte Fassbaende­r ist in Berlin geboren und aufgewachs­en – erzählt die Sängerin aus ihrem Leben. Die Tochter des ebenfalls schon berühmten Sängers Willi DomgrafFas­sbaender blickt nicht selbstgefä­llig zurück auf diese Karriere, die sie an alle großen Opernhäuse­r und in die bedeutends­ten Konzertsäl­e dieser Welt gebracht hat. Sondern sie macht auch deutlich, was ein Mensch aushalten muss, der sich hinauswagt auf die Bühne, schutzlos und allein. Denn das Instrument der Sängerin ist nur die Stimme. Sie verzeiht nichts.

Ein solches Leben mag nach außen glänzend erscheinen. Die ungeheure Disziplin, die es erfordert, kann das Publikum nicht sehen, nur ahnen. Unumwunden spricht Fassbaende­r von Angstschüb­en, von Stimmprobl­emen im Klimakteri­um und von ihren jahrzehnte­langen Diäten. Nur weil ein Intendant gleich am Anfang was von „aufs Gewicht achten“gesagt hat.

Der Weg von der Bühne zum Regiepult und schließlic­h auf den Intendante­nsessel in Innsbruck sowie bei Festivals in GarmischPa­rtenkirche­n und Eppan erscheint angesichts der Strapazen des Sängerinne­nlebens wie der Weg in die Freiheit. Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit, könnte man mit Karl Valentin sagen. In einem sehr langen, der eigentlich­en Biografie angehängte­n Theatertag­ebuch wird erkennbar, dass auch die Rolle der Regisseuri­n nicht nur viel Kreativitä­t, sondern vor allem ein stabiles Nervenkost­üm erfordert.

In den Besprechun­gen ihrer Autobiogra­fie werden – aus gegebenem Anlass – vor allem jene Passagen zitiert, die zur heutigen #MeTooDebat­te passen. Dass Domingo ein „Weiberheld“war und der legendäre Dirigent Sir Georg Solti weibliches Entgegenko­mmen gern mit Nerzstolas honorierte. Fassbaende­r, die nach einer frühen Ehe, nun schon seit Jahrzehnte­n mit einer Frau zusammenle­bt, macht kein Hehl daraus, wie sehr sie dieses System der Abhängigke­iten im Musikbetri­eb anwidert.

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