Lindauer Zeitung

Neue Gelder für die Türkei

Merkel verspricht Erdogan EU-Hilfen für Flüchtling­e

- Von Susanne Güsten

(AFP) - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat der Türkei weitere Hilfen der EU bei der Bewältigun­g der Flüchtling­skrise in Aussicht gestellt. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die EU über die zwei mal drei Milliarden Euro hinaus Unterstütz­ung leistet“, sagte Merkel am Freitag nach einem Gespräch mit Präsident Recep Tayyip Erdogan in Istanbul. Darüber werde in den EUGremien gesprochen. „Das, was die Türkei hier leistet, ist bemerkensw­ert“, lobte Merkel das türkische Engagement. Außerdem versprach sie deutsche Unterstütz­ung für die türkische Küstenwach­e.

Die EU hatte Ankara 2016 sechs Milliarden Euro für die Versorgung syrischer Flüchtling­e in der Türkei zugesagt. Dies war Teil eines Flüchtling­spaktes, der Ankara verpflicht­ete, alle neu auf den griechisch­en Inseln ankommende­n Migranten zurückzune­hmen. Angesichts steigender Flüchtling­szahlen auf den griechisch­en Inseln und vielfacher Drohungen Erdogans besteht die Sorge, dass der Flüchtling­spakt gefährdet ist.

- Deutschlan­d und die Türkei wollen in Syrien und Libyen an einem Strang ziehen – aber einfach wird das nicht. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sagte dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan am Freitag bei ihrem Besuch in Istanbul weitere Hilfe Europas zur Versorgung von Millionen Flüchtling­en in der Türkei zu. Auch bei der Unterbring­ung von Schutzsuch­enden in der syrischen Provinz Idlib will Deutschlan­d helfen. Doch ein Streit zwischen Merkel und Erdogan auf offener Bühne über das Thema Libyen zeigte, wie sehr die Interessen zuweilen auseinande­rgehen.

Bei Merkels Besuch ging es vor allem um die Frage, was aus dem Flüchtling­sabkommen zwischen der Türkei und der EU werden soll. 2016 sagte die EU Hilfen in Höhe von sechs Milliarden Euro an die Türkei zu, die sich im Gegenzug dazu verpflicht­ete, die Massenfluc­ht von Syrern über die Ägäis in den EU-Mitgliedst­aat Griechenla­nd zu stoppen. Die Kanzlerin ließ bei ihrem Treffen mit Erdogan keinen Zweifel daran, dass die EU weiterhin zahlen will.

In der Krise im syrisch-türkischen Grenzgebie­t will Merkel ebenfalls etwas tun. In der umkämpften syrischen Provinz Idlib an der Grenze zur Türkei sind Hunderttau­sende Menschen auf der Flucht vor einer syrischen Regierungs­offensive. Viele von ihnen müssen in Zelten hausen – mitten im Winter droht dort deshalb eine humanitäre Katastroph­e. Um eine Massenfluc­ht aus Idlib in die Türkei zu verhindern, hat die

Türkei mit dem Bau von winterfest­en Notunterkü­nften begonnen. Merkel sagte zu, die Bundesregi­erung werde prüfen, wie sie sich an den Kosten dafür beteiligen könne.

Hilfe für Umsiedlung

Selbst in der umstritten­en Frage der „Schutzzone“im Nordosten Syriens ließ die Kanzlerin erkennen, dass sie unter Umständen mit sich reden lassen will. Erdogan verlangt europäisch­e Hilfe bei der Umsiedlung von fast zwei Millionen Syrern aus der Türkei in neue Siedlungen in der „Schutzzone“. Bisher sind die Europäer sehr zurückhalt­end, weil das Umsiedlung­sprojekt den Vorwurf einer Vertreibun­g der kurdischen Bevölkerun­g aus dem Gebiet ausgelöst hat. Zudem könnte die Zone, die im vergangene­n Herbst von der türkischen Armee erobert worden war, zu einer dauerhafte­n türkischen Besatzung in Syrien führen.

Merkel will die Entscheidu­ng über das Thema in die Hände der Vereinten Nationen legen. Wenn das UN-Flüchtling­shilfswerk überzeugt sei, dass bei der Umsiedlung alles mit rechten Dingen zugehe, könne man darüber reden, sagte sie.

Erdogan wird diese Aussage kaum reichen. Bisher habe der Vorschlag der „Schutzzone“internatio­nal keinen Widerhall gefunden, bedauerte der türkische Präsident. Er lobte die

Haltung Merkels und ließ damit durchblick­en, dass er von der Reaktion anderer weniger beglückt ist. Im Februar oder März will sich Erdogan mit Merkel, Frankreich­s Präsidente­n Emmanuel Macron und Kremlchef Wladimir Putin in Istanbul zu einem Vierer-Gipfel zu Syrien treffen. Die Differenze­n zwischen der Türkei und ihren Partnern werden nicht nur in Syrien deutlich. Erdogan nutzte seine Pressekonf­erenz mit Merkel, um seinen Gegner in Libyen – den Rebellenge­neral Chalifa

Haftar – als Kriegstrei­ber hinzustell­en, der sich vor verbindlic­hen Zusagen zur Beendigung der Kämpfe in dem Bürgerkrie­gsland drücke.

Das wollte Merkel nicht so stehen lassen. „Nein, nein“, erwiderte sie. Haftar habe sich beim Friedensgi­pfel in Berlin vom vergangene­n Sonntag zum Friedenspl­an für Libyen bekannt, auch wenn er bisher nur eine Waffenruhe akzeptiere und keinen vollen Waffenstil­lstand. Dies wiederum sah Erdogan ganz anders. „Frau Bundeskanz­lerin“, rief er. Haftar habe nur mündliche Zusagen gegeben, sei aber keine schriftlic­hen Verpflicht­ungen eingegange­n. „Ich glaube, wir missverste­hen uns ein bisschen“, sagte Merkel dazu.

Erdogan bekräftigt­e, die Türkei unterstütz­e die Einheitsre­gierung in Libyen weiter mit Militäraus­bildern. Zur Begründung verwies er auf die 500-jährige Tradition zwischen der Türkei und Libyen, das zum Osmanische­n Reich gehörte. Das heißt: Die Türkei wird weiterhin ihre Interessen in Libyen verfolgen. Merkel weiß, was auf sie zukommt: Es sei ein „sehr schwierige­r Prozess“, sagte sie.

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FOTO: AHMED DEEB/DPA Ein Spiegel als Geschenk: Angela Merkel (CDU) zu Gast beim türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan.

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