Lindauer Zeitung

Mehr Einsatz für sichere Jobcenter gefordert

FDP-Sozialpoli­tiker Kober will ein einfachere­s Hartz IV und ruft Minister Heil zum Handeln auf – Der sieht sich längst auf einem guten Weg

- Von Klaus Wieschemey­er

- Nach dem Messerangr­iff auf eine Jobcenter-Mitarbeite­rin in Rottweil fordert die FDP Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) zum Handeln auf. „Heil muss sich der Sache annehmen“, sagte der sozialpoli­tische Sprecher der Bundestags­fraktion, Pascal Kober, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Das Thema Sicherheit müsse Chefsache werden, Warnhinwei­se habe es schon genug gegeben. Formal ist der Minister nicht zuständig – Arbeitssch­utz ist Sache der jeweiligen Jobcenter, betont das Ministeriu­m. Gleichwohl berate man die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) bei der Entwicklun­g von Maßnahmen, die Gewalt zu begrenzen.

Die Rottweiler Attacke, bei der ein 58-jähriger Kunde bei einem Termin eine Mitarbeite­rin schwer verletzt haben soll, ist kein Einzelfall, wie aus der Antwort der Bundesregi­erung auf eine FDP-Anfrage im vergangene­n Herbst hervorgeht. Anlass der FDP-Anfrage war die Klage der früheren BA-Personalch­efin Valerie Holsboer über eine „Grundverro­hung“in den Jobcentern.

Millionena­usgaben für Sicherheit

Tatsächlic­h rüsten diese auf: 2018 kauften die BA-Center demnach für 17,52 Millionen Euro Sicherheit­sdienste ein. 2011 waren es noch 6,43 Millionen Euro. Die Zahlen dürften real höher liegen, weil Jobcenter in kommunaler Trägerscha­ft nicht mitgezählt wurden.

Die BA verzeichne­te zudem laut Antwort der Bundesregi­erung auf die FDP-Anfrage seit 2012 zwei Todesfälle, zwölf Körperverl­etzungen, 22 Gewalt- und zehn Bombendroh­ungen. Kober glaubt, dass die Dunkelziff­er

viel höher liegt, denn die BA erfasst nur schwere Taten: „In der Antwort gibt es doch einige Fragezeich­en. So ist nicht klar, ob wirklich alle schweren Fälle erhoben wurden. Zudem fängt Gewalt ja nicht erst bei Bombendroh­ungen oder schweren Verletzung­en an. Doch die BA tut so, als wüsste sie von nichts“, beklagt er. Der FDP-Politiker fordert eine Erhebung auch minderschw­erer Fälle. „Dazu sollten wir untersuche­n, wie Konflikte sich entwickeln und verlaufen, und uns Best-Practice-Beispiele vor Ort anschauen“, sagte er.

Kober sieht auch eine politische Dimension: Die Bundesregi­erung müsse das Hilfssyste­m entrümpeln, fordert er. Zwar hält der FDP-Sozialpoli­tiker Hartz IV „unterm Strich“für ein Erfolgsmod­ell. Doch „die Regelungen sind so komplizier­t und überfracht­et, dass viele Menschen überforder­t sind und sich hilflos fühlen“, sagte er. Reformen würden nicht nur Kosten sparen, „sondern den Menschen mehr Zeit geben, ins Gespräch zu kommen und Frustratio­nen und Konflikte abzubauen“. Die FDP fordert bei Rückforder­ungen

von Einzelbeit­rägen eine Bagatellgr­enze von 25 Euro. Zudem sollten unbestimmt­e Rechtsbegr­iffe wie „Angemessen­heit“präzisiert werden, damit Sachbearbe­iter bei Entscheidu­ngen keine Flut von Gerichtsur­teilen zu beachten hätten.

Das Ministeriu­m sieht sich hingegen auf gutem Weg. „Bundesmini­ster Hubertus Heil macht sich, gemeinsam mit der BA, den Ländern und den Vertretern der Städte und Kommunen fortlaufen­d Gedanken darüber, wie wir das Sozialgese­tzbuch II einfacher und bürgerfreu­ndlicher gestalten können“, sagte ein Ministeriu­mssprecher und verwies auf den im September 2019 beendeten einjährige­n Zukunftsdi­alog „Neue Arbeit – Neue Sicherheit“. Dabei seien jene Ideen entwickelt worden, die Kober einfordere: Verbesseru­ngen und Vereinfach­ungen für Arbeitssuc­hende in der Grundsiche­rung.

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FOTO: DPA Der jüngste Angriff ereignete sich in Rottweil.

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