Mehr Einsatz für sichere Jobcenter gefordert
FDP-Sozialpolitiker Kober will ein einfacheres Hartz IV und ruft Minister Heil zum Handeln auf – Der sieht sich längst auf einem guten Weg
- Nach dem Messerangriff auf eine Jobcenter-Mitarbeiterin in Rottweil fordert die FDP Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zum Handeln auf. „Heil muss sich der Sache annehmen“, sagte der sozialpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Pascal Kober, der „Schwäbischen Zeitung“. Das Thema Sicherheit müsse Chefsache werden, Warnhinweise habe es schon genug gegeben. Formal ist der Minister nicht zuständig – Arbeitsschutz ist Sache der jeweiligen Jobcenter, betont das Ministerium. Gleichwohl berate man die Bundesagentur für Arbeit (BA) bei der Entwicklung von Maßnahmen, die Gewalt zu begrenzen.
Die Rottweiler Attacke, bei der ein 58-jähriger Kunde bei einem Termin eine Mitarbeiterin schwer verletzt haben soll, ist kein Einzelfall, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine FDP-Anfrage im vergangenen Herbst hervorgeht. Anlass der FDP-Anfrage war die Klage der früheren BA-Personalchefin Valerie Holsboer über eine „Grundverrohung“in den Jobcentern.
Millionenausgaben für Sicherheit
Tatsächlich rüsten diese auf: 2018 kauften die BA-Center demnach für 17,52 Millionen Euro Sicherheitsdienste ein. 2011 waren es noch 6,43 Millionen Euro. Die Zahlen dürften real höher liegen, weil Jobcenter in kommunaler Trägerschaft nicht mitgezählt wurden.
Die BA verzeichnete zudem laut Antwort der Bundesregierung auf die FDP-Anfrage seit 2012 zwei Todesfälle, zwölf Körperverletzungen, 22 Gewalt- und zehn Bombendrohungen. Kober glaubt, dass die Dunkelziffer
viel höher liegt, denn die BA erfasst nur schwere Taten: „In der Antwort gibt es doch einige Fragezeichen. So ist nicht klar, ob wirklich alle schweren Fälle erhoben wurden. Zudem fängt Gewalt ja nicht erst bei Bombendrohungen oder schweren Verletzungen an. Doch die BA tut so, als wüsste sie von nichts“, beklagt er. Der FDP-Politiker fordert eine Erhebung auch minderschwerer Fälle. „Dazu sollten wir untersuchen, wie Konflikte sich entwickeln und verlaufen, und uns Best-Practice-Beispiele vor Ort anschauen“, sagte er.
Kober sieht auch eine politische Dimension: Die Bundesregierung müsse das Hilfssystem entrümpeln, fordert er. Zwar hält der FDP-Sozialpolitiker Hartz IV „unterm Strich“für ein Erfolgsmodell. Doch „die Regelungen sind so kompliziert und überfrachtet, dass viele Menschen überfordert sind und sich hilflos fühlen“, sagte er. Reformen würden nicht nur Kosten sparen, „sondern den Menschen mehr Zeit geben, ins Gespräch zu kommen und Frustrationen und Konflikte abzubauen“. Die FDP fordert bei Rückforderungen
von Einzelbeiträgen eine Bagatellgrenze von 25 Euro. Zudem sollten unbestimmte Rechtsbegriffe wie „Angemessenheit“präzisiert werden, damit Sachbearbeiter bei Entscheidungen keine Flut von Gerichtsurteilen zu beachten hätten.
Das Ministerium sieht sich hingegen auf gutem Weg. „Bundesminister Hubertus Heil macht sich, gemeinsam mit der BA, den Ländern und den Vertretern der Städte und Kommunen fortlaufend Gedanken darüber, wie wir das Sozialgesetzbuch II einfacher und bürgerfreundlicher gestalten können“, sagte ein Ministeriumssprecher und verwies auf den im September 2019 beendeten einjährigen Zukunftsdialog „Neue Arbeit – Neue Sicherheit“. Dabei seien jene Ideen entwickelt worden, die Kober einfordere: Verbesserungen und Vereinfachungen für Arbeitssuchende in der Grundsicherung.