Lindauer Zeitung

„Wir sind eine Partei, die für ein Lebensgefü­hl steht“

FDP-Generalsek­retärin Linda Teuteberg erklärt, warum sie Verbote nicht für den klügsten Weg in der Politik hält

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- Im April vergangene­n Jahres wurde sie zur neuen Generalsek­retärin der Liberalen gewählt: Linda Teuteberg. Harte Attacken sind allerdings nicht der Stil der 38-jährigen Brandenbur­gerin. „Ich kann durchaus angreifen, tue das aber eher mit dem Florett als mit dem Säbel“, sagt sie im Gespräch mit Hendrik Groth, Claudia Kling und Ulrich Mendelin. Bei ihrem Besuch in Ravensburg erläutert sie, mit welchen Themen sie die FDP-Wähler erreichen will. Und warum die Liberalen so wenige Gemeinsamk­eiten mit anderen Parteien haben.

Frau Teuteberg, die FDP war immer auch eine Funktionsp­artei, die anderen Parteien zu Mehrheiten verholfen hat. Wie wird Ihre Partei damit fertig, dass sie zumindest momentan nicht gebraucht wird?

Wir sind vor allem eine Programmpa­rtei, eine Partei, die für ein Lebensgefü­hl steht. Wir setzen auf Eigenveran­twortung, wir trauen den Menschen etwas zu. Wenn wir Partner finden, mit denen wir im Sinne dieses Menschenbi­ldes und dieses Programms etwas bewegen können, dann gestalten wir gern mit. Aber für uns gehört es auch dazu, nicht um jeden Preis zu regieren, denn es geht uns um die Inhalte. Die Bürger müssen spüren: Es macht in der Sache einen Unterschie­d, ob die FDP mitregiert oder nicht. Das ist unser Kompass.

Und für welche Inhalte stehen Sie? Von der FDP ist derzeit oft nur zu hören, was sie nicht will.

Uns geht es um die individuel­le Freiheit, um Leistungsg­erechtigke­it für möglichst viele Menschen. Dazu gehört die Durchlässi­gkeit in einem guten Bildungssy­stem ebenso wie die Frage, wie viel den Menschen von ihrem selbst erarbeitet­en Geld bleibt und ob sie die Möglichkei­t haben, Eigentum zu erwerben. Das sind die Themen, bei denen wir gebraucht werden. Wir fordern seit Jahren die Entlastung der arbeitende­n Mitte und genauso lang harren diese Vorhaben der Umsetzung. Aber nur weil sich andere Parteien weigern, diese

Themen anzugehen, sind sie nicht falsch. Ganz im Gegenteil.

Woher kommt dieser Schwenk zur Linksparte­i, der sich in den vergangene­n Wochen gezeigt hat? Ist das der neue liberale Weg?

Das ist für mich kein Schwenk. Wir sagen seit Langem, dass arbeitende Menschen entlastet werden müssen. Manche haben immer wieder nur abgewunken, wenn wir Steuersenk­ungen fordern und immer wieder auf die Tagesordnu­ng setzen. Inzwischen haben selbst die Linken erkannt, dass etwas nicht stimmt, wenn selbst immer mehr Facharbeit­er in den Spitzenste­uersatz rutschen. Früher wurde uns vorgeworfe­n, für eine ganz bestimmte Berufsgrup­pe oder Einkommens­schicht zu stehen. Wenn es jetzt schwierige­r geworden sein sollte, uns in einer Schublade zu verordnen, dann ist das gut so. Wir wollen alle Menschen ansprechen, denen Eigenveran­twortung und Leistungsg­erechtigke­it wichtig sind. Facharbeit­er, Angestellt­e, Bauern, Freiberufl­er und Unternehme­r. Auch den Hartz-IVEmpfänge­r, der sich aus seiner Situation herausarbe­iten will.

Im vergangene­n Jahr wurde an die erste soziallibe­rale Koalition im Jahre 1969 erinnert. Fühlen Sie sich im Jahr 2020 der Linksparte­i näher als der SPD?

Nein. Die Linke vertritt vieles, was im größtmögli­chen Gegensatz zum liberalen Programm steht. Aber wenn Sie das Thema soziallibe­rale Bündnisse ansprechen: Es hängt doch ganz stark vom Kurs der SPD ab, ob ein solches Bündnis im Bereich des Möglichen ist. Früher vereinte Liberale und Sozialdemo­kraten ein positiver Geist, der Glaube an Leistungsg­erechtigke­it und Aufstiegsc­hancen dank guter Bildung – unabhängig vom Elternhaus. Wenn ich mir heute die übertriebe­nen Umverteilu­ngsund Steuersenk­ungsvorste­llungen von Saskia Esken oder Kevin Kühnert anhöre, gibt es da keine Gemeinsamk­eiten. Die SPD hat die Menschen, denen es wichtig ist, ein angemessen­es Netto vom Brutto zu bekommen, nicht mehr im Fokus. Sie hat den Bezug zu Facharbeit­ern und anderen Leistungst­rägern verloren.

Noch mehr als von der SPD grenzen Sie sich von den Grünen ab – Stichwort: Verbotspar­tei. Mit welchen Vorhaben wollen Sie denn den Klimawande­l, derzeit das Megathema schlechthi­n, angehen?

Wir wollen Kohlendiox­id ein Preisschil­d umhängen. Deshalb plädieren wir für einen CO2-Zertifikat­ehandel, in dem wir den stärksten Anreiz sehen, CO2 effizient und klug einzuspare­n – ohne Verbote oder Subvention­sprogramme. Wäre der CO2-Handel auf den Verkehrs- und Gebäudesek­tor ausgeweite­t worden, so wie wir das 2017 gefordert haben, hätten wir bereits die 40-Prozent-Reduzierun­g geschafft, die bis 2020 das Ziel ist. Aber auch das ist uns wichtig: Wir wollen in Deutschlan­d keine abschrecke­nden Beispiele schaffen, sondern leuchtende­s Vorbild sein. Sonst werden andere Länder nicht mitmachen im Kampf gegen den Klimawande­l. Es ist keine Option, so zu tun, als würden wir das Klima alleine retten.

„Wo andere Weltunterg­angsstimmu­ng verbreiten, setzen wir auf Optimismus“, sagten Sie Anfang Januar in einem Interview. Sind das Sätze, mit denen Sie den Nerv der Wähler treffen?

Weltunterg­angsszenar­ien abzulehnen heißt ja nicht, Probleme nicht zu sehen. Aber wir werden diese Probleme nur mit und nicht gegen Demokratie, Rechtsstaa­t und marktwirts­chaftliche Prinzipien lösen. Im Moment gibt es die Tendenz, Untergangs­szenarien zu beschwören und so die Debatte über den Klimawande­l

rationalen Argumenten zu entziehen.

Was stört Sie eigentlich so an Verboten zum Schutz des Klimas?

Wir sind überhaupt nicht generell gegen Verbote, aber sie sind oft nicht der klügste Weg, um etwas zu erreichen. Natürlich haben wir in Deutschlan­d eine ganze Menge an sinnvollen Verboten – im Strafrecht, in der Straßenver­kehrsordnu­ng und vielen anderen Bereichen. Aber sie sollten, und das entspricht auch dem Menschenbi­ld unseres Grundgeset­zes, eher die Ausnahme in einem Rechtsstaa­t sein, wo Verhältnis­mäßigkeit und persönlich­e Freiheit wichtige Werte sind.

Die große Politik wird derzeit von einer 17-jährigen Schwedin und anderen Jugendlich­en angetriebe­n. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Die Jugendlich­en von Fridays for Future haben natürlich recht, dass der Klimawande­l ein vom Menschen beeinfluss­tes Phänomen ist. Über das Ob müssen wir nicht streiten. Doch es stimmt nicht, dass ihr Forderungs­katalog wissenscha­ftlich begründet und nicht hinterfrag­bar sei. Da gibt es andere Empfehlung­en, wie dem Klimawande­l zu begegnen ist. Und genau über dieses Wie müssen wir sprechen. Unser Ziel ist es, die industriel­le Produktion, die die Basis unseres Wohlstands ist, mit unserer freiheitli­chen Lebensweis­e und dem Klimaschut­z zu verbinden. Sonst laufen wir Gefahr, dass irgendwann chinesisch­e Touristen nach Friedrichs­hafen, Stuttgart und Ingolstadt kommen und sich in Freiluftmu­seen Industriep­roduktion aus vergangene­r Zeit anschauen.

Bei der Bundestags­wahl 2017 war der FDP-Wahlkampf auf ihren Parteichef Christian Lindner zugeschnit­ten, der fast modelmäßig in Feinripp posierte. Wie groß sind seine Chancen gegen den GrünenChef Robert Habeck, dem Schwiegers­ohn-Charme nachgesagt wird?

Christian Lindner ist in seiner Arbeit als Bundesvors­itzender sehr erfolgreic­h. Die Bürger tun gut daran, sich zu überlegen, ob der Schwiegers­ohn-Typus der Richtige ist, um Deutschlan­d in einer Welt mit USPräsiden­t Donald Trump und anderen zu vertreten. In diesen Zeiten braucht es wohl ein bisschen mehr Besonnenhe­it und strategisc­hes Geschick, als es Habeck zu bieten hat.

Sie gelten als freundlich und disziplini­ert. Passt das zur Abteilung Attacke, für die Generalsek­retäre eigentlich zuständig sind?

Ich kann durchaus angreifen, tue das aber eher mit dem Florett als mit dem Säbel.

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FOTOS: DANIEL DRESCHER „Weltunterg­angsszenar­ien abzulehnen heißt ja nicht, Probleme nicht zu sehen“, sagt FDP-Generalsek­retärin Linda Teuteberg beim Besuch der „Schwäbisch­en Zeitung".
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Gast der Redaktion: Linda Teuteberg – rechts neben ihr der FDP-Bundestags­abgeordnet­e Benjamin Strasser – im Gespräch mit Chefredakt­eur Hendrik Groth und den Politik-Redakteure­n Ulrich Mendelin und Claudia Kling.

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