Kaum nachvollziehbare Kehrtwende
Aus Sicht des Geldhauses mag es ein gelungener Coup sein, Sigmar Gabriel in das Aufsichtsratsgremium zu holen. Ohne Zwei- fel ist er durch seine politischen Ämter gut vernetzt. Und als Wirtschaftsminister und in seinen früheren Aufsichtsratstätigkeiten der staatlichen Bankengruppe KfW und bei VW ist ihm unternehmerisches Handeln nicht fremd. Allerdings wirkt die Kehrtwende Gabriels auf den Außenstehenden frappierend. Damals stand er als Politiker noch hinter den Plänen seiner Partei, Großbanken zu zerschlagen. Heute lobt er das Geschäftsmodell der nach wie vor systemrelevanten und obendrein kriselnden Bank. Noch vor drei Jahren wirft er der Bank vor, „Spekulantentum
als Geschäftsmodell“zu betreiben. Heute ist es ihm eine „große Ehre“, künftig für das Geldhaus zu arbeiten. Die Bank gilt ihm nun als wichtiger Gestalter der hiesigen und europäischen Wirtschaft. Solche Kehrtwenden sind kaum nachvollziehbar. Und sie sind – nicht nur für gebeutelte SPD-Anhänger – schwer verdaulich.
Niedersachsen auch im Präsidium des Aufsichtsrates von Volkswagen. Auch gehörte er vier Jahre lang dem Verwaltungsrat der staatlichen Förderbankengruppe KfW an. „Das Entscheidende ist, dass jemand in der Lage ist, den Vorstand auch zu kontrollieren. Dass er in der Lage ist, seine Kenntnisse und Fähigkeiten, insbesondere auch seine Strategieüberlegungen mit einzubringen. Und diese Fähigkeiten bringt Herr Gabriel mit“, meint Bankenexperte Wolfgang Gerke vom Bayerischen Finanzzentrum. Er hält die Nominierung Gabriels deswegen für positiv: „Ich behaupte damit nicht, dass Herr Gabriel der typische Banker ist. Aber ich glaube, dass er für den Aufsichtsrat eine wesentliche Bereicherung darstellt.“
Ähnlich äußerte sich auch die Fondsgesellschaft Deka. Sie ist einer der Großinvestoren der Bank. „Gabriel weiß, wie Berlin tickt, und ist gut vernetzt", sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance der Deka. „Das hilft der zunehmend auf Deutschland fokussierten Strategie der Bank und der Verbesserung des angekratzten Images in der Öffentlichkeit.“
Aufsichtsratschef Paul Achleitner selbst soll Sigmar Gabriel dem Großaktionär Katar vorgeschlagen haben, berichten Insider. Über Fonds ist das Emirat mit über sechs Prozent an der Bank beteiligt. Die Bank hätte sich auch im Vorfeld mit den Aufsichtsbehörden abgestimmt, hieß es in Finanzkreisen. Die Bank wollte das nicht bestätigen. Sigmar Gabriel wird nun erst gerichtlich bestellt. Einen entsprechenden Antrag habe das Kreditinstitut am Freitag beim Amtsgericht in Frankfurt eingereicht. Im Mai muss sich Gabriel dann den Aktionären auf der Hauptversammlung des Geldhauses zur Wahl stellen.
Über die Zukunft Sigmar Gabriels wurde schon seit Monaten spekuliert. Im November hatte der Politiker sein Bundestagsmandat vorzeitig niedergelegt. Unter anderem wurde der frühere SPD-Chef und Vizekanzler auch als möglicher Chef des Autoverbands VDA gehandelt.
Als Aufsichtsrat der Bank jedenfalls wird es viele Herausforderungen geben. Die Bank steckt seit Jahren in einer tiefen Krise. Vorstandschef Christian Sewing baut das Geldhaus deswegen um, im Zuge eines drastischen Sparprogramms werden 18 000 Stellen gestrichen. Zudem machen Niedrigzinsen der Bank zu schaffen. Im vergangenen Geschäftsjahr wird bei der Bank ein Milliardenverlust in den Büchern stehen. Details wird die Bank in der kommenden Woche veröffentlichen.