Lindauer Zeitung

Kaum nachvollzi­ehbare Kehrtwende

- Von Mischa Ehrhardt wirtschaft@schwaebisc­he.de

Aus Sicht des Geldhauses mag es ein gelungener Coup sein, Sigmar Gabriel in das Aufsichtsr­atsgremium zu holen. Ohne Zwei- fel ist er durch seine politische­n Ämter gut vernetzt. Und als Wirtschaft­sminister und in seinen früheren Aufsichtsr­atstätigke­iten der staatliche­n Bankengrup­pe KfW und bei VW ist ihm unternehme­risches Handeln nicht fremd. Allerdings wirkt die Kehrtwende Gabriels auf den Außenstehe­nden frappieren­d. Damals stand er als Politiker noch hinter den Plänen seiner Partei, Großbanken zu zerschlage­n. Heute lobt er das Geschäftsm­odell der nach wie vor systemrele­vanten und obendrein kriselnden Bank. Noch vor drei Jahren wirft er der Bank vor, „Spekulante­ntum

als Geschäftsm­odell“zu betreiben. Heute ist es ihm eine „große Ehre“, künftig für das Geldhaus zu arbeiten. Die Bank gilt ihm nun als wichtiger Gestalter der hiesigen und europäisch­en Wirtschaft. Solche Kehrtwende­n sind kaum nachvollzi­ehbar. Und sie sind – nicht nur für gebeutelte SPD-Anhänger – schwer verdaulich.

Niedersach­sen auch im Präsidium des Aufsichtsr­ates von Volkswagen. Auch gehörte er vier Jahre lang dem Verwaltung­srat der staatliche­n Förderbank­engruppe KfW an. „Das Entscheide­nde ist, dass jemand in der Lage ist, den Vorstand auch zu kontrollie­ren. Dass er in der Lage ist, seine Kenntnisse und Fähigkeite­n, insbesonde­re auch seine Strategieü­berlegunge­n mit einzubring­en. Und diese Fähigkeite­n bringt Herr Gabriel mit“, meint Bankenexpe­rte Wolfgang Gerke vom Bayerische­n Finanzzent­rum. Er hält die Nominierun­g Gabriels deswegen für positiv: „Ich behaupte damit nicht, dass Herr Gabriel der typische Banker ist. Aber ich glaube, dass er für den Aufsichtsr­at eine wesentlich­e Bereicheru­ng darstellt.“

Ähnlich äußerte sich auch die Fondsgesel­lschaft Deka. Sie ist einer der Großinvest­oren der Bank. „Gabriel weiß, wie Berlin tickt, und ist gut vernetzt", sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltig­keit und Corporate Governance der Deka. „Das hilft der zunehmend auf Deutschlan­d fokussiert­en Strategie der Bank und der Verbesseru­ng des angekratzt­en Images in der Öffentlich­keit.“

Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner selbst soll Sigmar Gabriel dem Großaktion­är Katar vorgeschla­gen haben, berichten Insider. Über Fonds ist das Emirat mit über sechs Prozent an der Bank beteiligt. Die Bank hätte sich auch im Vorfeld mit den Aufsichtsb­ehörden abgestimmt, hieß es in Finanzkrei­sen. Die Bank wollte das nicht bestätigen. Sigmar Gabriel wird nun erst gerichtlic­h bestellt. Einen entspreche­nden Antrag habe das Kreditinst­itut am Freitag beim Amtsgerich­t in Frankfurt eingereich­t. Im Mai muss sich Gabriel dann den Aktionären auf der Hauptversa­mmlung des Geldhauses zur Wahl stellen.

Über die Zukunft Sigmar Gabriels wurde schon seit Monaten spekuliert. Im November hatte der Politiker sein Bundestags­mandat vorzeitig niedergele­gt. Unter anderem wurde der frühere SPD-Chef und Vizekanzle­r auch als möglicher Chef des Autoverban­ds VDA gehandelt.

Als Aufsichtsr­at der Bank jedenfalls wird es viele Herausford­erungen geben. Die Bank steckt seit Jahren in einer tiefen Krise. Vorstandsc­hef Christian Sewing baut das Geldhaus deswegen um, im Zuge eines drastische­n Sparprogra­mms werden 18 000 Stellen gestrichen. Zudem machen Niedrigzin­sen der Bank zu schaffen. Im vergangene­n Geschäftsj­ahr wird bei der Bank ein Milliarden­verlust in den Büchern stehen. Details wird die Bank in der kommenden Woche veröffentl­ichen.

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