Ungewöhnliches Signal der IG Metall
In Tarifrunde setzt Gewerkschaft auf Jobsicherheit statt konkreter Lohnforderungen
- Die IG Metall reagiert mit einem ungewöhnlichen Signal auf den ökologischen und digitalen Umbruchprozess in der Metall- und Elektroindustrie: In der bevorstehenden Tarifrunde hat Beschäftigungssicherung für sie Vorrang vor Einkommenserhöhungen. Deshalb ist sie bereit, auf eine Prozentforderung bei der Gehaltserhöhung zu verzichten, vorausgesetzt die Arbeitgeber sind bereit, mit der Gewerkschaft ein „Zukunftspaket“zu schnüren.
Dieses muss aus Sicht der Gewerkschaft den weitgehenden Verzicht auf Entlassungen enthalten („keine einseitigen Maßnahmen zum Personalabbau“) sowie Vereinbarungen zu Kurzarbeit, Weiterbildung und Altersteilzeit. Außerdem sollen die Arbeitgeber einwilligen in Verhandlungen über betriebliche Zukunftstarifverträge. „Ziel ist die Festlegung konkreter Investitionsund Produktperspektiven für Standorte und Beschäftigte“, heißt es im Vorstandsbeschluss „Moratorium für einen fairen Wandel“, den die Gewerkschaftsführung in einer außerordentlichen Sitzung am Freitag beschlossen hat.
Der Gewerkschaftsvorsitzende Jörg Hofmann sagte in Frankfurt im Rahmen der traditionellen Jahrespressekonferenz, die Hälfte der Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie habe noch immer keine Strategie zur Bewältigung der Transformation, die sich in der Automobilindustrie mit ihren 1,5 Millionen Beschäftigten wie unter einem Brennglas beobachten lasse.
„Leider ist die Antwort zu vieler Unternehmen auf die Transformation einfach nur die Abrissbirne: Personalabbau, Einstellung der Produktion und Verlagerung.“Ein solcher „Kahlschlag ist eine strategische Bankrotterklärung des Managements“, rügte Hofmann.
Die Gewerkschaft hingegen wolle „die Veränderungen sozial, wirtschaftlich und gesellschaftlich erfolgreich gestalten“. Deshalb biete sie den Arbeitgebern dieses Moratorium für einen fairen Wandel an. Ziel sei es, vor Auslaufen der Friedenspflicht am 28. April zu einer Einigung zu kommen. Die IG Metall setzt den Arbeitgebern eine Frist: Bis 3. Februar müssen sie erklären, ob sie auf das Angebot der Gewerkschaft eingehen. Schlagen sie es aus, wird der Vorstand einen Tag später eine Prozentforderung für Einkommenserhöhungen beschließen. Auf eine konkrete Prozentforderung hat die Gewerkschaft bislang erst einmal verzichtet, nämlich 2010 im Zug der Finanzkrise.
Der Gewerkschaft geht es mit ihrem Vorschlag eines Moratoriums keineswegs um ein Stillhalteabkommen bei den Einkommen. Verzicht auf Lohn-Prozent ist kein Verzicht auf mehr Lohn. Hofmann sagte dazu, man wolle die Kaufkraft sichern und stärken; das müsse sich dann auch in den Entgelttabellen wiederfinden. Damit erteilte er Forderungen der Metallarbeitgeber eine Absage, in diesem Jahr den Beschäftigten Einmalzahlungen zu gewähren, die nicht dauerhaft die Arbeitskosten erhöhen.
Die baden-württembergischen Metallarbeitgeber stellten in einer ersten Reaktion fest, man begrüße es, „dass die IG Metall die großen Herausforderungen der Metall- und Elektroindustrie im Zuge von Digitalisierung und Dekarbonisierung in den Mittelpunkt der diesjährigen Tarifrunde rücken will“. Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer PeerMichael Dieck erklärte: „Die Gewerkschaft scheint nun endlich erkannt zu haben, dass es der Ernst der Lage gebietet, in der Tarifrunde eine andere Gangart an den Tag zu legen als üblich.“Die Branche befinde sich seit Anfang 2019 in der Rezession. Die Gewerkschaft müsse nun ihre Vorstellungen im Detail erläutern. Niemand könne erwarten, dass man den Vorstoß allein auf der Basis einer Pressekonferenz bewerte. Ähnlich verhalten positiv reagierten auch die anderen regionalen Metallarbeitgeberverbände und die Dachorganisation Gesamtmetall. Damit bestehen Chancen, dass die MetallTarifrunde in diesem Frühjahr ganz anders ablaufen wird als sonst üblich.