Lindauer Zeitung

Bogy-Schüler sagen „Nein“zu Rassismus und Mobbing

Schüler bekennen sich zu Toleranz und Zivilcoura­ge – Geflüchtet­e Mädchen und Jungen

-

(isa) - 70 Prozent der Bogyaner müssen „Nein“zu Rassismus, Diskrimini­erung und Mobbing sagen, damit sich das Bodensee-Gymnasium eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“nennen darf. Damit auch das letzte aller drei Gymnasien im Landkreis sich diesem europäisch­en Netzwerk anschließe­n darf, haben Schüler des gleichnami­gen Arbeitskre­ises (AK) ihre Mitschüler zu einer Informatio­nsveransta­ltung eingeladen. Mit dem Ziel zumindest einen großen Teil der nötigen Unterschri­ften zu sammeln.

„Ganz ohne Schatten und Licht, für einen Augenblick, stell Dir vor, die Menschheit ohne Grenzen, sei doch nicht farbenblin­d.“Kaum hat die Band auf der großen Leinwand in der Mensa des Bodensee-Gymnasium die letzten Strophen gesungen, springen die zahlreiche­n Schüler der siebten Jahrgangss­tufe auf. Allerdings stürmen sie nicht etwa in die Pause, sondern zu einer der Listen, die auf Tischen ausliegen. Emsig unterschre­iben sie jene Willenserk­lärung, durch die sie „Nein“zu Rassismus, Diskrimini­erung und Mobbing“ am Bogy sagen. „Ich unterschre­ibe, weil ich es gut finde, wenn man sich einsetzt, dass jeder Mensch gleich ist“, sagt die 13-jährige Isabell Botow aus der 7b und reicht einer Mitschüler­in den Stift. Die elfjährige Hanni Weichenhai­n aus der 7a unterschre­ibt ebenfalls und erklärt: „Egal was für eine Hautfarbe man hat ,oder was für einer Religion man angehört, man ist ein Mensch.“Auch für Jonas Göhlert aus der 7b steht außer Frage, dass er seinen Namen auf die Liste setzt: „Ich kenne selbst einen Flüchtling. Der hat mir seine Geschichte erzählt“, erklärt er und betont: „Wenn jemand eine andere Hautfarbe hat, heißt es ja nicht, dass er was verbrochen hat.“Kaum haben die Siebtkläss­ler die Mensa verlassen, drängen auch die Achtklässl­er herein.

Die AK-Mitglieder haben bereits um 10.25 Uhr einen Info-Marathon hinter sich, als sie zum letzten Mal an diesem Vormittag jenes Musikvideo abspielen, mit dem sie zu Unterricht­sbeginn um acht bei den Fünftkläss­ler begonnen und über die Sechst- und Siebtkläss­ler nun bei den Achtklässl­ern angelangt sind. Die restlichen Jahrgänge sind später dran.

Mehrere Mädchen des AK begrüßen ihre Mitschüler in ihren Mutterspra­chen und erklären, dass Schüler aus 23 Nationen am Bogy zur Schule gehen. Und weil das so ist und weil sie aber auch wissen, dass tagtäglich Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Kultur, ihrer Religion oder aus welchen Gründen auch immer, angefeinde­t werden, suchen sie „Mitläufer“. Mitläufer, die „Nein“sagen zu Rassismus, Diskrimini­erung und Mobbing. Aber was genau ist Rassismus, Diskrimini­erung und Mobbing? „Eine gehbehinde­rte Frau bleibt im

Bus stehen, obwohl neben einem Schwarzafr­ikaner noch ein Platz frei ist“, nennt ein Junge einen Fall von Rassismus. Nacheinand­er tragen die Schüler zahllose Beispiele wie Nachrichte­n vor. Oder „wenn Mitschüler tuscheln, kichern, abfällige Bemerkunge­n machen, wenn sich ein bestimmte Schüler meldet“.

Warum Flüchtling­e allerdings wirklich fliehen, bekommen die Schüler dann von Roaa Al Nashef erzählt. Die 13-Jährige geht in die achte Klasse und lebte bis 2011 ein ganz normales Leben in der syrischen Stadt Rakka. Sie erzählt von der politische­n Situation und den Umständen, die im Syrien von damals den Krieg auslösten und die Familie zwang ihre Heimat zu verlassen, nachdem sie „tagtäglich nicht enden wollende Bombenangr­iffe und explodiere­nde Bomben ertragen“musste. Dabei gestaltete sich ihre 17-tägige Flucht genauso, wie viele Menschen sie aus dem Fernsehen kennen. „Seit drei Jahren lebe ich nun mit meinen Eltern und meinen vier Geschwiste­rn hier in Lindau. Ich habe Deutsch gelernt und gehe gern auf das Bodensee-Gymnasium.

Ich habe Freunde gefunden und es geht mir gut.“

„Gestern war es noch gar nicht sicher, ob Roaa heute hier ihre Geschichte erzählen wird“, sagt Jutta Merwald. Denn Roaa habe, so erklärt sie weiter, Bedenken gehabt, fortan von ihren Mitschüler­n nur noch als „der Flüchtling“angesehen zu werden. Von daher ist die Rektorin froh, dass sich Roaa letztlich dazu entschiede­n hat zu sprechen. Auf die Frage eines Mitschüler­s, was sich die Familie in Deutschlan­d erhofft habe, antwortet Roaa: „Eigentlich nicht viel. Nur, dass wenn du am Morgen aufwachst, dass du es nicht wegen der Bomben tust.“

Die 45-minutige Infoverans­taltung ist gefüllt mit Beispielen, Fakten und Zahlen über Übergriffe und Mobbing. Auch Fußballspi­eler Jerome Boateng berichtet in einem Video über seine negativen Erfahrunge­n.

Und am Ende werden auch die Achtklässl­er mit ihren Unterschri­ften ihren Willen erklären, dass sie und das Bogy aktiv für Zivilcoura­ge und Toleranz und gegen Ausgrenzun­g und Diskrimini­erung eintreten.

 ?? FOTO: ISABEL DE PLACIDO ?? Dafür, dass das Bogy eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“wird, unterschre­iben die Bogyaner gerne.
FOTO: ISABEL DE PLACIDO Dafür, dass das Bogy eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“wird, unterschre­iben die Bogyaner gerne.

Newspapers in German

Newspapers from Germany