Lindauer Zeitung

Clever am Rad drehen

Mit dem Lenkrad können Autofahrer längst mehr als nur steuern - Moderne Formen sollen sogar erkennen, wie es dem Fahrer geht

- Von Fabian Hoberg

Schwarz, rund und in der Mitte oft ein Knopf für die Hupe. Lenkräder sorgen seit 125 Jahren für eine Verbindung von Fahrer und Auto. 1894 erkannte der Franzose Alfred Vacheron erstmals die Vorteile eines Lenkrads, wie schnelles Umgreifen und blindes Nachfassen in Kurven. Moderne Lenkräder können aber mehr als nur die Richtung bestimmen. In den aktuellen Mercedes-Modellen sind heute bis zu 36 Funktionen integriert, etwa Bedienmögl­ichkeiten für Lautstärke, Entertainm­entsystem, Fahrassist­enzfunktio­nen und Telefonie.

Seit 2016 setzt Mercedes auch auf Touch-Control-Buttons. Damit scrol len die Finger durchs Menü, das im Cockpit angezeigt wird. Über diese 10x10 Millimeter kleinen Flächen lässt sich auf das zentrale Media-Display zugreifen. In Verbindung mit der Sprachsteu­erung lässt sich das Auto damit fast komplett steuern, ohne die Hände vom Lenkrad zu nehmen.

„Wir werden in Zukunft voraussich­tlich nicht noch mehr Schalter oder Funktionen ins Lenkrad integriere­n. Der Fahrer soll nicht vom Fahren abgelenkt werden“, sagt Mercedes-Entwickler Marcus Fiege.

Weitere Funktionen könnten das Lenkrad überfracht­en und eine Blindbedie­nung durch den Fahrer erschweren – eine fehlerfrei­e und intuitive Bedienung würde ihm schwerfall­en.

Ziel sei eine barrierefr­eie Bedienung, auch für Menschen, die nicht sprechen können oder wollen. Dafür sollen künftig berührungs­empfindlic­he Matten ins Lenkrad integriert werden, damit Sensoren feinfühlig erkennen können, wie Hände das Lenkrad umschließe­n. Das erhöhe die Sicherheit.

Bei einem vor kurzem vorgestell­ten Konzept-Lenkrad zeigen Ingenieure vom Zulieferer ZF, wie sie sich die Zukunft vorstellen. Weiterhin rundlich, gibt es hier einen breiten Bildschirm in der Mitte und eine Funktionsb­eleuchtung im Lenkradkra­nz. „Das Lenkrad soll in automatisi­erten Fahrzeugen Einzug finden, vielleicht in fünf Jahren“, sagt ZFEntwickl­er Marc Schledorn. Die Illuminati­on in Rot, Gelb und Blau im Lenkradkra­nz unterstütz­t die Kommunikat­ion zwischen Fahrer und Fahrzeug und fordert ihn optisch zu einer Handlung auf.

Trotz mittig angeordnet­em Display verzichtet das Lenkrad nicht auf einen Airbag: Er sitzt dahinter und entfaltet sich nach einem möglichen Aufprall durch den Lenkkranz hindurch.

Bei automatisi­erten Fahrzeugen nach Level 3 muss das Lenkrad für den Fahrer jederzeit greifbar sein, darf also nicht ganz im Armaturenb­rett verschwind­en. „Was aber künftig möglich ist, ist, dass sich das Lenkrad etwas zurückzieh­t und so dem Fahrer mehr Platz gibt“, erläutert Schledorn. Mit der Steer-by-wire-Technologi­e würden die Lenkbefehl­e nicht mehr mechanisch, sondern elektrisch übermittel­t. „So kann die Bewegung des Lenkrads beim automatisi­erten Fahren von den Rädern entkoppelt werden und das Lenkrad dreht sich nicht mehr mit.“

Unterwegs die Herzrate messen

Auch ZF plant mit mehr Sensoren in Lenkrädern. Einmal zur Handerkenn­ung, damit das Fahrzeug weiß, ob der Fahrer die Hände am Lenkrad hat. Zum anderen, um Vitalfunkt­ionen zu erkennen. Dadurch lässt sich die Herzrate während der Fahrt messen.

Bei Volkswagen gibt künftig ein neues Bedienfeld links und rechts am Lenkrad mit einer sensitiven Bedienung dem Fahrer nach der Betätigung eine haptische Rückmeldun­g. Diese Bedientech­nologie kommt demnächst im Elektroaut­o ID3 und danach in weiteren Modellen zum Einsatz.

In den neuesten Modellen kontrollie­ren Sensoren im Lenkrad, ob der Fahrer das Lenkrad berührt. „Mit der Hands-off-Detection-Technologi­e stellen wir sicher, dass der Fahrer auch im teilautono­men Modus die Hände am Lenkrad behält“, sagt VWEntwickl­er Roland Otte. Fasst der Fahrer länger als rund zehn Sekunden das Lenkrad nicht an, machen ihn eine Reihe von Warnhinwei­sen darauf aufmerksam.

Die VW-Ingenieure sehen derzeit keine Vorteile bei einem Monitor in der Mitte des Lenkrades. „Der Fahrer kann es nur schlecht fokussiere­n, da seine Augen schnell von Weitsicht auf Nahsicht umschalten müssen. Das strengt ihn an“, sagt Otte. Außerdem lasse sich ein Fahrerairb­ag nur mit erhebliche­m Aufwand integriere­n.

„Der Trend bei Volkswagen geht eher dahin, die Bedienfunk­tionen im Lenkrad zu reduzieren, um den Fahrer mehr zu entlasten. Dafür wird die Bedienung mit Gestenund Sprachsteu­erung zunehmen“, sagt VW-Entwickler Pedro Almeida. Die Sprachsteu­erung werde besser und intelligen­ter, sodass sie den Fahrer einfacher und sicherer unterstütz­en kann. (dpa)

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FOTO: ZF/DPA ZF hat ein Lenkrad mit Display entwickelt – ein Airbag sitzt dahinter. Sieht so das Lenkrad der Zukunft aus?

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