Mit einer Dreizimmerwohnung zum Eisschnelllauf
Wie der erfolgreiche Trainer Joachim Franke seinen 80. Geburtstag feiert – Erinnerungen an den Coup von 2002
(dpa) - Die Amerikaner wollten ihn gern haben, die Russen ehrten ihn als „verdienten Trainer der UdSSR“– doch Joachim Franke krönte seine erfolgreiche Trainerkarriere mit neun Olympiasiegen durch deutsche Eisschnellläufer. Am Montag feiert der Berliner seinen 80. Geburtstag.
Alles hatte sich Joachim Franke so schön ausgemalt: Erst ein DresdenTrip mit seiner Frau Ingrid samt eines Besuchs des Balletts Carmen in der Semperoper. Später eine Party mit Familie, Freunden und einigen Olympiasiegern, bei der mit einem gepflegten Gläschen auf den 80. Geburtstag angestoßen werden sollte. Doch die Corona-Krise machte alle Planungen zunichte. „Jetzt werde ich wohl am Montag auf dem Ergometer sitzen und mich fithalten. Wenn das Wetter mitspielt, auf dem Balkon“, sagte der Jubilar. Ergometer statt Carmen – die bittere Realität zum Geburtstag in Zeiten der weltweiten Corona-Pandemie.
Zu seiner „zweiten Sportart“war der passionierte Eishockeyspieler und bis heute erfolgreichste deutsche Eisschnelllauf-Trainer durch ein Geheiß von ganz oben gekommen. „DDR-Sportchef Manfred Ewald hatte nach der WM 1970 in Stockholm und vor der Berufung der DDR-Olympia-Mannschaft erklärt, dass sich die Eishockeyspieler den Traum von Olympia 1972 abschminken können“, erinnert sich Franke. Er hatte seine Karriere nach 127 Länderspielen zwar 1968 beendet. Doch mit 28 Jahren arbeitete er als jüngster Eishockey-Coach der DDR-Oberliga in seiner Heimat Weißwasser und holte mit Dynamo dann vier Titel in Serie.
Das Ende der Förderung der nicht „medaillenintensiven Sportart“ durch die DDR-Führung bedeutete auch für ihn die erzwungene Veränderung. „Viele Trainer mussten in andere Sportarten wechseln. Mich überredete man mit einer Dreizimmerwohnung in Berlin, zum Eisschnelllauf zu gehen“, sagte der Jubilar.
Was dann begann, war eine unvergleichliche Trainerkarriere. Dank methodischen Geschicks, dem Lernen von starken sowjetischen Konkurrenten und neuen Denkansätzen brachten es Frankes Schützlinge auf neun Olympiasiege, 66 WM-Medaillen (darunter
Joachim Franke 23 Titel) und 21 Gesamt-Weltcups. Besonders gern erinnert er sich an den Coup von Claudia Pechstein bei den Olympischen Winterspielen 2002. „Nach den glänzenden Trainingsleistungen von Claudia auf dem schnellen Eis in Utah habe ich gewusst: Hier können wir etwas Großes schaffen“, sind dem Goldschmied die Triumphe von Salt Lake City in bester Erinnerung. Pechstein holte dort zwei Olympiasiege mit Weltrekorden.
Besonders freute er sich über seine Spürnase: „Von Anfang an wollte ich, dass wir drei Wochen vorher die Anpassung in Utah machen, der Verband war dagegen. Aber der damalige NOK-Chef Walther Tröger hat uns den Weg geebnet“, berichtete er und war verwundert, „dass wir fast allein im Utah Olympic Oval waren. Alle anderen Topathleten hatten sich in Calgary auf Olympia vorbereitet.“
Nicht vergessen hat Franke auch die Episode, als seine spätere Vorzeigeathletin Pechstein 1991 um Aufnahme in seine Trainingsgruppe bat. „Beim ersten Lauftraining spürte ich sie sehr schnell nicht mehr hinter mir und dachte: ,Was ist denn nun los?’ Sie war konditionell schwach, eine ganz schlechte Läuferin“, sagte er. „Da werden wir nicht weit kommen“, schoss es ihm durch den Kopf.
Aber schon im ersten Höhentrainingslager in Bulgarien hatte sie ihn überzeugt und gewann 1992 mit Bronze ihre erste von neun Olympiamedaillen. „Er hatte die einmalige Gabe, den Trainingsaufbau einer Saison so zu gestalten, dass man zum Saisonhöhepunkt seine absolute Topleistung abrufen konnte“, lobte ihn Pechstein. „Man konnte sich auf seine Vorgaben zu 100 Prozent verlassen“, sagte die Berlinerin. In Turin krönte sie sich 2006 mit dem fünften Gold zur bis heute erfolgreichsten deutschen Winterolympionikin. Auch Uwe-Jens Mey (1988, 1992/jeweils 500 Meter), André Hoffmann (1988/1500 Meter) und Olaf Zinke (1992/1000 Meter) führte Franke auf den Olymp.
Traurig, ja auch wütend wird Franke, wenn er die heutige Situation im deutschen Eisschnelllauf beurteilt. „Es ist ein Skandal, wie diese Sportart in Deutschland heruntergewirtschaftet wurde“, sagte er. „Im internationalen Sport sind wir nur noch ein Lacher“, empört er sich. Zum Niederländer Erik Bouwman, der die Mehrkämpfer betreut, es aber ablehnte, Pechstein zu trainieren, hat Franke eine klare Meinung: „Wenn er, wie er sagt, ,null Bock’ auf Claudia hat, dann sollte er die Konsequenzen ziehen und sich aus Deutschland zurückziehen“, forderte Franke.
„Im internationalen Sport sind wir nur noch ein Lacher.“