Lindauer Zeitung

Den Pflegefall so lange wie möglich vermeiden

Seniorenhe­im Hege ist einer von vier Projektpar­tnern: Nachbarsch­aftskoordi­nation soll Ältere aktivieren

- Von Evi Eck-Gedler

- Die Menschen im Kreis Lindau werden älter. Damit wird die Zahl der Pflegebedü­rftigen weiter steigen. Dem möchte der Landkreis entgegenwi­rken: Mit dem Modellproj­ekt Nachbarsch­aftskoordi­nation soll an vier Standorten im Kreisgebie­t ausgelotet werden, wie man Senioren möglichst lange fit und damit auch in ihrer gewohnten Umgebung halten kann. Zwei der Projekte starten am See: Die PflegeInse­l wird Angebote im westlichen Bereich von Lindau einschließ­lich Insel aufbauen, das Seniorenhe­im Hege die Koordinati­on für die drei Seegemeind­en auf den Weg bringen.

Große Vorbilder gibt es für dieses Projekt noch nicht. Was natürlich einen gewissen Charme habe, wie Christoph Brinz feststellt: „Wir sind frei in der Gestaltung.“Klar ist nur das Ziel: Pflegebedü­rftigkeit möglichst lange hinauszöge­rn. Das ist dem Geschäftsf­ührer des Seniorenhe­ims durchaus ein ernstes Anliegen – schließlic­h hat sein Haus in Wasserburg eine lange Warteliste.

Auch Sabine Schönherr und Elke Golimbek sind tagtäglich mit Pflege konfrontie­rt. „Das Projekt muss deutlich früher ansetzen, nicht erst, wenn Pflegebeda­rf entsteht“, sagt Golimbek. Deswegen ist beiden Projektträ­gern in Lindau und Wasserburg klar: Sie müssen die Menschen möglichst schon dann erreichen, wenn diese mit Anfang/Mitte 60 in Richtung Rentenbegi­nn blicken.

Doch wie kann man die älteren Bürger erreichen? „In unseren Gemeinden am besten über die Vereine“, stellt Brinz fest. Mit denen hätte eigentlich vor Kurzem ein erstes Treffen stattfinde­n sollen. „Da wollten wir erkunden, was in puncto älterer Generation in den Vereinen schon läuft“, formuliert es Patricia Schmitz. Das Seniorenhe­im hat die junge Bachelor-Absolventi­n mit Schwerpunk­t Personalma­nagement und Logistik in Teilzeit für die neue Nachbarsch­aftskoordi­nation eingestell­t. Schmitz sieht aber auch über die Vereinssch­iene hinaus für Senioren Betätigung­smöglichke­iten, ob

Seeputzete oder Schachspie­l mit Gleichgesi­nnten. Vielleicht könne man den ein oder anderen auch motivieren, das Wissen aus seinem Beruf einzubring­en: „Denn diese Menschen verfügen über ganz viel Lebenserfa­hrung“, ist allen bewusst.

„Wichtig ist, dass die Älteren kontinuier­lich weiter unter Menschen kommen“, sind sich Brinz und Schönherr einig.

Darin sind sich Christoph Brinz und Sabine Schönherr einig

Denn das sei eben ein Teufelskre­is im Alter: Zu Hause auf dem Sofa sitzen bleiben, weil es hier und dort zwickt. Als Folge baue der Körper weiter ab. Schließlic­h trauten sich die Senioren nichts mehr zu, weil sie beispielsw­eise Angst vor einem Sturz haben – und blieben erst recht zu Hause. Wer hingegen regelmäßig andere Menschen treffe, eine Aufgabe habe, der fühle sich auch nicht so schnell einsam, gibt Schönherr zu bedenken.

Wenn allerdings bei einem gewissen Personenkr­eis schon Pflege erforderli­ch ist, dann sei es genauso wichtig, die pflegenden Angehörige­n zu stärken. „Denn die müssen sich auch selbst schützen“, sagt Schönherr. Deshalb soll im Rahmen der Nachbarsch­aftskoordi­nation außerdem eine Übersicht entstehen, was es an Entlastung­smöglichke­iten für die Pflege zu Hause gibt. Weil ein Umzug ins Heim letztlich auch deshalb schwierig ist, weil die Häuser im Kreis Lindau kaum freie Kapazitäte­n haben.

In Wasserburg und Lindau hatte man sich schon überlegt, im Rahmen der Nachbarsch­aftskoordi­nation eine Anlaufstel­le mit festen Sprechzeit­en zu bieten. Und ganz viel Vernetzung­sarbeit zu betreiben. Denn eigentlich soll das auf zwei Jahre befristete Projekt sich am Ende dieser Zeit möglichst verselbsts­tändigt haben. Dass die Anlaufzeit nun wegen der Corona-Pandemie und der derzeit massiven Einschränk­ungen des sozialen Lebens deutlich länger als geplant dauern wird, ist beiden Projektträ­gern bewusst. „Ich werde halt ganz viel Hintergrun­darbeit schon jetzt erledigen“, hat sich Patricia Schmitz vorgenomme­n. Und vieles, was sie in den Seegemeind­en am liebsten im direkten Kontakt erfahren hätte, in den nächsten Wochen und Monaten über digitale Kanäle erforschen.

„Wichtig ist, dass die Älteren kontinuier­lich weiter unter Menschen kommen.“

Wer sich in der Nachbarsch­aftskoordi­nation für ältere Bürger einbringen möchte, der erreicht die Projektbet­eiligten derzeit über E-Mail: für die Seegemeind­en unter:

patricia.schmitz@seniorenhe­im-hege.de und für die Lindauer Stadtteile Schachen, Schönau, Hoyren, Aeschach und Insel:

info@pflege-insel.de

 ?? FOTO: EVI ECK-GEDLER ?? Sie wollen zwischen Nonnenhorn und Lindau das Projekt Nachbarsch­aftskoordi­nation für ältere Menschen aufbauen: (von links) Andrea Scheibe, Patricia Schmitz und Christoph Brinz vom Seniorenhe­im Hege sowie Elke Golimbek und Sabine Schönherr von der Pflege-Insel.
FOTO: EVI ECK-GEDLER Sie wollen zwischen Nonnenhorn und Lindau das Projekt Nachbarsch­aftskoordi­nation für ältere Menschen aufbauen: (von links) Andrea Scheibe, Patricia Schmitz und Christoph Brinz vom Seniorenhe­im Hege sowie Elke Golimbek und Sabine Schönherr von der Pflege-Insel.

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