Corona hat einen zweiten Lindauer getötet
Im Kreis Lindau gibt es viel mehr Corona-Fälle als in allen Nachbarlandkreisen
- In der Corona-Pandemie stellen sich ständig neue Fragen. Die LZ gibt einen Überblick über das, was Behörden wissen und was sie nicht beantworten können.
Wie viele Menschen im Landkreis Lindau sind bisher an Corona erkrankt?
Die Zahl der Infizierten im Kreis Lindau ist am Donnerstag nach offiziellen Angaben auf 142 gestiegen. Zudem gibt es einen zweiten Toten. Ein 85jähriger Lindauer ist bereits am Montag infolge einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Wegen des Arbeitsaufwands hat das Landratsamt den Verstorbenen erst am Donnerstag erfasst, sodass er erst Freitag in der Statistik des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit erscheint.
Warum gibt es im Landkreis Lindau mehr Corona-Fälle als in den Nachbarkreisen?
Im Landkreis Lindau gab es am Mittwoch rechnerisch 160 Corona-Fälle auf 100 000 Bewohner. Diese Zahl ist deutlich höher als in allen benachbarten Landkreisen. Zum Vergleich: In Kempten waren 64 gemeldet, im Oberallgäu 68, Memmingen 71, Bodenseekreis 89, Ostallgäu 119 und im Landkreis Ravensburg 127.
Warum das in Lindau so viel mehr sind, kann Sibylle Ehreiser, Pressesprecherin des Landratsamts, nicht eindeutig beantworten.
„Nach unserer Einschätzung werden im Landkreis Lindau verhältnismäßig viele Abstriche vorgenommen“, sagt sie und verweist auf die Abstriche über die 116 117 und im Coronazelt beim Klinikum Lindenberg. Ehreiser: „Hier könnte das Prinzip greifen: Wo viel getestet wird, wird auch viel gefunden.“
Zahlen kann Ehreiser aber nicht nennen. Sie weiß nicht, wie viele Menschen im Landkreis Anfang März auf Corona getestet wurden. Denn das Landratsamt sei über negative Testergebnisse nur unzureichend informiert. Ein tatsächlicher Vergleich mit der Zahl der Tests in Nachbarlandkreisen ist deshalb nicht möglich.
Ehreiser verweist zusätzlich auf die direkte Grenznähe: Es gebe viele
Lindauer, die in Vorarlberg arbeiten. „Hier können wir nicht ausschließen, dass es aufgrund der hohen Fallzahlen in Vorarlberg auch zu höheren Infektionsraten bei uns kommt.“Wer sich dort ansteckt, aber in Lindau wohnt, fällt hier in die Statistik.
Mit Blick auf die Nachbarlandkreise in Baden-Württemberg verweist Ehreiser zudem auf einen Unterschied: In Bayern sei es Aufgabe der Landratsämter, nach Kontaktpersonen der Infizierten zu recherchieren, während das jenseits der Landesgrenze Aufgabe der Städte und Gemeinden ist. „Möglicherweise haben wir einen Vorteil durch die zentrale Organisation und die einheitlichen Standards und können so mehr Betroffene ermitteln“, vermutet Ehreiser. In der Folge käme es im Kreis Lindau zu höheren Fallzahlen, während es in Nachbarlandkreisen mehr unentdeckte Infizierte gäbe.
Sibylle Ehreiser, Pressesprecherin im Landratsamt
Wie schätzen die Behörden das Verhalten der Bürger im Kreis Lindau ein?
„Diese verhalten sich vorbildlich. Die Regelungen der Ausgangsbeschränkungen werden ganz überwiegend eingehalten“, antwortet Ehreiser auf Nachfrage der LZ. Bisher bearbeitet das Landratsamt fünf Bußgeldverfahren. Allerdings gab es seit dem Wochenende bei schönem Wetter einige
Verstöße, weil sich vor allem junge Menschen trotz Verbots in der Öffentlichkeit getroffen haben. Angesichts der Wettervorhersagen für das Wochenende kündigt die Polizei für die ganze Region viele Kontrollen an.
Nach wie vor gilt die Regel: Zu Hause bleiben! Viele Wanderparkplätze sind gesperrt. Sport und Bewegung ist erlaubt, soll aber in unmittelbarer Umgebung der eigenen Wohnung stattfinden. Die Polizei appelliert zudem, dass nicht alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, auch sinnvoll sei. „Es geht nicht darum, die Rechtsverordnung zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen, sondern Solidarität im Kampf gegen das Virus zu zeigen“, sagt Polizeisprecher Holger Stabik.
Was kosten Verstöße gegen die Regeln?
Auszüge aus dem Bußgeldkatalog.
- Verlassen der eigenen Wohnung ohne triftigen Grund: 150 Euro
- Nichteinhalten des vorgeschriebenen Mindestabstands: 150 Euro
- Nichteinhalten des Mindestabstands zwischen Gästen und Gastronomiebetrieb beim Abholen der Speisen: 500 Euro für den Betreiber
- Unerlaubter Besuch von Seniorenheimen oder Krankenhäusern: 500 Euro
Wer ist im Landkreis Lindau für die Bewältigung der Corona-Krise verantwortlich?
Unter Leitung von Landrat Elmar Stegmann gibt es eine sogenannte Führungsgruppe Katastrophenschutz. 54 Frauen und Männer gehören zu dem Team, das im Landratsamt zur Bewältigung der Corona-Pandemie eingesetzt ist. In erster Linie handelt es sich um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamtes, hinzu kommen externe Mitarbeiter, die auf Zeit eingestellt wurden. Neu ist Dr. Krischan Rauschenbach, den der Landrat zum Versorgungsarzt bestellt hat. Er soll eine ausreichende Versorgung mit ärztlichen Leistungen und entsprechender Schutzausrüstung im Landkreis planen und koordinieren. Ebenfalls zum Team gehört als externer Mitarbeiter der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Dr. Klaus Adams.
Warum sieht man noch so viele Autos mit auswärtigen Kennzeichen auf den Straßen im Landkreis Lindau?
Die Grenzen zu Österreich sind geschlossen, nur in Ziegelhaus und auf der Autobahn ist ein Grenzübertritt derzeit nach Kontrolle überhaupt noch möglich. Bundespolizei und Grenzpolizei berichten auf Anfrage der LZ, dass es immer noch Vorarlberger gebe, die zum Einkaufen nach Lindau wollen. „Die von uns kontrollierten Personen werden jedoch ausnahmslos an der Grenze zurückgewiesen, da kein triftiger Grund für die Einreise besteht“, erklärt Alexander Pfaff, Chef der Lindauer Grenzpolizei. Auch Sabine Dittmann von der für Lindau zuständigen Bundespolizeiinspektion Kempten schließt aus, dass Schweizer oder Österreicher noch ohne triftigen Grund über die Grenze kommen.
Die Polizisten weisen aber darauf hin, dass es eine erhebliche Zahl an Berufspendlern gibt. Zudem gibt es eine nicht bekannte Zahl an Lindauern, die in der Schweiz arbeiten und über einen Dienstwagen mit Schweizer Kennzeichen verfügen. Auch die dürfen natürlich damit in Deutschland zum Beispiel zum Einkaufen fahren.
„Hier könnte das Prinzip greifen: Wo viel getestet wird, wird auch viel gefunden.“
„Es geht nicht darum, die Rechtsverordnung zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen, sondern Solidarität im Kampf gegen das Virus zu zeigen.“
Polizeisprecher Holger Stabik