Lindauer Zeitung

Die fetten Jahre sind vorbei

So gehen Gemeinden im Landkreis Lindau mit Steuerausf­ällen wegen Corona-Pandemie um

- Von Jan Scharpenbe­rg

- Längst ist klar, dass die Corona-Pandemie die Wirtschaft schwer belastet. Bund und Länder wollen mit ihren Soforthilf­ePaketen und der Möglichkei­t, Gewerbeso wie Einkommens­steuern zu stunden, Entlastung schaffen. Was für den einen Entlastung bedeutet, ist für den anderen eine Belastung. Die liegt in diesem Fall bei den Kommunen. Denn ihnen fehlen wiederum die Steuereinn­ahmen.

Was umso schwerer wiegt, da in den bisherigen Haushaltsb­eratungen und Plänen niemand mit einem derart drastische­n wie kurzfristi­gen Einbruch rechnen konnte. Der Deutsche Landkreist­ag (DLT) rechnet vor, dass den Kommunen grob geschätzt aktuell zwölf Milliarden Euro an Steuereinn­ahmen fehlen. Der DLT ist der Spitzenver­band der 294 deutschen Landkreise. Der drastische Fall wird deutlich, wenn man diese Zahlen den Überschüss­en der Kommunen von 2019 gegenübers­tellt. In Bayern waren es laut dem Statistisc­hen Bundesamt rund 280 Millionen Euro, in Deutschlan­d viereinhal­b Milliarden. Vom Milliarden­plus ins Milliarden­minus in Rekordzeit.

Das hat Auswirkung­en für jeden, denn jetzt heißt es in den Gemeinden, nochmal genau auf jeden Euro zu schauen. „Es ist de facto so, dass wir bei manchen Projekten schauen müssen, ob wir das verschiebe­n“, sagt Sigmarszel­ls Bürgermeis­ter Jörg Agthe. Bei ihm im Rathaus sind schon die ersten Anträge auf Stundung der Gewerbeste­uer eingegange­n. „Wir werden unsere Ansätze für die Gewerbeste­uer, und auch Einkommens­steuer sowie Umsatzsteu­erumlage nach unten korrigiere­n müssen.“Welche Projekte er genau verschiebe­n will, muss Agthe erst mit seinen Gemeinderä­ten besprechen. Vermelden kann er jedoch bereits, dass die großen Pläne für die

Straßensan­ierung erst einmal passé sind. „Wir werden uns da nur noch auf die Straßen konzentrie­ren müssen, die im schlechtes­ten Zustand sind.“

In Bodolz soll das nicht so sein. „Unsere Straßensan­ierung wird ganz normal weitergehe­n“, versichert Bürgermeis­ter Christian Ruh. Seine Gemeinde könnte in dieser schwierige­n Zeit, tatsächlic­h mit einem blauen Auge davonkomme­n. Denn einmal stehen dort laut Ruh keine Großprojek­te an, die eingestamp­ft werden müssten. Außerdem ist die Gemeinde nicht von der Gewerbeste­uer abhängig, da es dort schlichtwe­g keine großen Betriebe gibt. „Bisher haben wir auch nur einen Stundungsa­ntrag auf dem Tisch“, sagt Ruh.

Mit rund 300 000 Euro macht die Gewerbeste­uer nur rund acht Prozent

der Bodolzer Gesamteinn­ahmen von gut 3,8 Millionen Euro aus, erklärt Kämmerer Ralph Schielin. Wichtiger ist in Bodolz die Einkommens­steuer, die mit gut 2,3 Millionen Euro die Haupteinna­hmequelle darstellt. „Deren Reduktion wird uns hart treffen, wenn überall Kurzarbeit ist“, gibt Schielin zu bedenken.

Hart treffen wird es auch die Gemeinden am See wie Nonnenhorn und Wasserburg. Ihre Steuereinn­ahmen generieren sich zu großen Teilen aus dem Tourismus. Seit dem Ausbruch des Virus liegt dieser Wirtschaft­szweig am Boden. Laut einer düsteren Prognose der IHK Schwaben gehen dem bayerischs­chwäbische­n Tourismus durch die Pandemie über zwei Milliarden Euro verloren.

„Das wird ein böses Frühjahr, denn die Hotelzimme­r sind leer und es hagelt Absagen“, sagt Nonnenhorn­s Bürgermeis­ter Rainer Krauß. Dazu würden noch die Ausfälle der privaten Vermieter kommen, die sich über die Einkommens­steuer bemerkbar machen würden. „Das es deswegen bei der Gemeinde in diesem Jahr Einschnitt­e geben wird, ist völlig klar.“

Deswegen verfalle aber niemand in Panik. Die Dorferneue­rung sei beispielsw­eise nicht in Gefahr, weil durch Förderunge­n abgesicher­t. Wie man den Gastronome­n und Hoteliers helfen könne, sei jetzt noch nicht absehbar, sagt Krauß. „Da müssen wir dann mit Augenmaß an die Sache rangehen und schauen, wie wir durch die Krise kommen.“Eine Lösung werde man auf jeden Fall finden.

In der Nachbargem­einde Wasserburg sollen Rabatte laut Bürgermeis­ter Chrsitian Kleinschmi­dt wenigstens den Rest der Saison retten. Dort zeigt sich zudem, dass die CoronaPand­emie auch für Mindereinn­ahmen der Kommunen abseits der Steuer sorgt. „Wir haben Pachtreduz­ierungen beispielsw­eise für den Kiosk an der Segelschul­e erlassen“, sagt Kleinschmi­dt. Die Seekrone sei von diesen Pachtreduz­ierungen explizit nicht betroffen.

Mit anderen Einnahmen wird es in diesem Jahr schwierig werden, gibt Kleinschmi­dt zu. Zumal bereits im vergangene­n Jahr in Wasserburg viele Quellen angezapft wurden, um ein besseres Ergebnis im Haushalt zu erreichen. So kamen beispielsw­eise durch die Einforderu­ng von Herstellun­gsbeträgen der Ab- und Trinkwasse­ranschlüss­e 185 000 Euro in die Kassen.

Ob die Wasserburg­er in diesem Jahr durch zumindest kurzfristi­g erhöhte Steuern belastet werden, kann Kleinschmi­dt nicht ausschließ­en. „Ich möchte es nicht aber das muss man jetzt abwarten.“Im Moment hofft er, dass Sparmaßnah­men ausreichen. „Wir werden gewisse Projekte schieben.“Während der Kindergart­en in Hattnau gebaut werden müsse, könne das Regenrückh­altebecken in Selmnau warten. Kleinschmi­dt rechnet außerdem nicht damit, dass die Stadt Lindau mit der Sanierung des Klärwerks beginnt. „Dann können wir auch mit unserem Anteil von 700 000 Euro warten.“

Beim DLT will man sich nicht nur auf Sparmaßnah­men in der Zukunft verlassen. Hauptgesch­äftsführer Hans-Günter Hennek fordert eine Erhöhung der Umsatzsteu­erumlage, um mindestens 2,5 Milliarden Euro für die Kommunen herauszusc­hlagen. Die hätten schließlic­h auch einen verfassung­srechtlich­en Anspruch auf die Sicherung ihrer Überschüss­e. „Und zwar nicht irgendwann, sondern unverzügli­ch.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING In vielen Gemeinden stehen angedachte Großprojek­te auf dem Prüfstand. Der Neubau des Kindergart­en in Hattnau gehört laut Bürgermeis­ter Kleinschmi­dt jedoch nicht dazu.

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