Lindauer Zeitung

Kleine Schritte auf dünnem Eis

Bund und Länder beschließe­n erste Lockerunge­n in der Corona-Krise

- Von Klaus Wieschemey­er

- Am Ende dauerte es bis zur Einigung doch länger als zuerst gedacht: Erst um 18:04 Uhr statt um kurz nach 17 Uhr trat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen mit Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) und den Länderchef­s Markus Söder (CSU) und Peter Tschentsch­er (SPD) am Mittwoch im Kanzleramt vor die Presse, um erste Lockerunge­n in der CoronaKris­e zu präsentier­en. Darauf haben sich Bund und Länder zuvor in stundenlan­ger Konferenz verständig­t:

Krisenbeur­teilung:

Bund und Länder sehen brüchige Zwischener­folge im Kampf gegen das Corona-Virus: „Es ist gelungen, dass unser Gesundheit­ssystem am Laufen gehalten werden konnte“, sagte Merkel. Man befinde sich aber weiter „auf dünnem Eis“, betonte Hamburgs Regierungs­chef Peter Tschentsch­er. Deshalb wolle man die bisherigen Einschränk­ungen nur behutsam lockern. Mehr öffentlich­es Leben solle nur in kleinen Schritten zugelassen werden, sagte Merkel. So gelte auch der Mindestabs­tand von 1,5 Metern zu anderen Menschen mindestens bis zum 3. Mai weiter.

Einheitlic­hkeit:

Zwar haben sich Bund und Länder auf eine gemeinsame Linie mit gemeinsame­n Standards geeinigt, deren Ausschöpfu­ng kann aber von Bundesland zu Bundesland durchaus unterschie­dlich ausfallen. Insbesonde­re Bayern bremst. Süddeutsch­land sei von Corona stärker getroffen als andere Regionen, sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). „Wir werden das vorsichtig­er angehen“, kündigte er an.

Gesichtsma­sken:

Man werde den Bürgern die Verwendung von „Alltagsmas­ken“, also einem einfachen Mund-Nasen-Schutz, für das Einkaufen und im öffentlich­en Nahverkehr „dringend empfehlen“, sagte Merkel. Dieses „Maskengebo­t“ist allerdings keine Maskenpfli­cht.

Schulen, Kitas:

Die Schulen in Deutschlan­d sollen ab dem 4. Mai langsam wieder hochfahren. Starten soll der Betrieb zuerst in den Abschlussk­lassen. Ein Start in der kommenden Woche, wie ihn NordrheinW­estfalen angekündig­t hatte, ist damit nach langer Diskussion vom Tisch. Bayern will sich mehr Zeit lassen. Die Kultusmini­ster der Länder sollen bis 29. April ein Konzept vorlegen, wie der schrittwei­se Wiedereins­tieg unter Wahrung der Hygienereg­eln gelingen kann. Es brauche Schulbus- und Pausenkonz­epte, sagte Merkel. Bei den Kitas und unteren Grundschul­jahrgängen seien bis auf Weiteres keine Öffnungen geplant. „Ich weiß, wie viel Verzicht das für Eltern bedeutet“, sagte die Kanzlerin.

Geschäfte:

Läden mit bis zu 800 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche sollen wieder öffnen können, wenn Auflagen zur Hygiene und zur Kundensteu­erung erfüllt werden. Zudem sollen Auto-, Fahrrad- und Buchhändle­r unabhängig von der Größe wieder öffnen dürfen. Andere große Geschäfte sollen geschlosse­n bleiben, auch um große Menschenan­sammlungen zu verhindern. Ob Bundesländ­er wie Bayern die 800 Quadratmet­er-Richtgröße ausschöpfe­n oder nur kleineren Läden die Wiedereröf­fnung erlauben, blieb offen. Zwischen den Ländern hatte es langen Streit gegeben, welche Maximalgrö­ße angemessen ist.

Friseure:

Können Friseursal­ons nachweisen, dass sie Hygienesta­ndards einhalten, den Zutritt steuern und Warteschla­ngen vermeiden können, dürfen sie ab 4. Mai wieder den Betrieb aufnehmen.

Religion:

Auch wenn das Verbot gemeinsame­r Gottesdien­ste zu

Ostern umstritten war, sollen religiöse Zusammenkü­nfte vorerst weiter verboten bleiben. Allerdings hat Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) für Freitag Religionsg­emeinschaf­ten und Ministerpr­äsidenten zu Gesprächen geladen. Ziel: Eine einvernehm­liche Lösung finden.

Großverans­taltungen:

Für Großfeste, Festivals und Bundesliga­spiele vor Publikum sieht es in diesem Sommer düster aus: Großverans­taltungen werden bis 31. August bundesweit untersagt. Söder warb um Verständni­s und verwies auf die Ausbrüche im Skiort Ischgl und beim Karneval in Heinsberg.

Gaststätte­n:

Ob man sich Pfingsten im Restaurant oder Biergarten treffen kann, ist noch offen. „Das ist noch nicht dran“, sagte Merkel zur Frage der Öffnung gastronomi­scher Betriebe. In Gaststätte­n sei überhaupt nicht kontrollie­rbar, wer mit wem am Tisch sitze.

Tracking:

Das Erkennen von Infektions­ketten sei „ganz wichtig“, um mehr öffentlich­es Leben zu ermögliche­n, sagte Merkel. Hier soll weitergefo­rscht werden. Auch die eigentlich bereits für Mitte April versproche­ne App soll bald kommen.

Normalität:

Bis dahin wird es wohl noch viele Monate dauern. Bund und Länder wollen zunächst am 30. April und dann alle zwei Wochen schauen, wie sich die nun beschlosse­nen Lockerunge­n auf die Infektions­raten entwickeln. Davon soll abhängen, ob und wie weitere Lockerunge­n folgen. „Wir bewegen uns in eine neue Normalität“, sagte Vizekanzle­r Olaf Scholz.

 ?? FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU, links), und Peter Tschentsch­er (SPD), Erster Bürgermeis­ter von Hamburg, stimmen die Bürger auf eine Verlängeru­ng einiger Corona-Maßnahmen ein.
FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU, links), und Peter Tschentsch­er (SPD), Erster Bürgermeis­ter von Hamburg, stimmen die Bürger auf eine Verlängeru­ng einiger Corona-Maßnahmen ein.

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