Viel mehr Patienten sollten getestet werden
Zum Bericht „Wie Corona-Infizierte ganz leicht durchs Raster fallen“, Lindauer Zeitung vom Samstag, 11. April:
Der Fall der 31-jährigen Lindauerin ist noch einmal gut gegangen, zeigt aber auch, dass die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) für die Ärzte und die Gesundheitsämter und schließlich für die Patienten keine echte Hilfe sind, weil dessen Raster zu grobmaschig ist.
Die junge Frau kam am 16. März mit dem Flugzeug aus einem Land, das wenig später insgesamt zum Krisengebiet wurde. Die Heimkehrerin entwickelt einschlägige Symptome wie Schlappheit, Fieber und Kratzen im Hals. Deshalb geht sie eine Woche nach Rückkehr zum Hausarzt. Weil sie nicht zur Risikogruppe zählt, wird ihr der Test verweigert.
Bei persistierender Symptomatik kommt sie zufällig am 27. März zu einer Testung (elf Tage nach ihrer Rückkehr). Es wird Immunglobulin M (IGM) im Blut nachgewiesen. IGM-Antikörper treten etwa 10 bis 14 Tage nach einer Infektion auf. Der Covid-Test am 3. April bestätigte, dass die junge Frau erkrankt ist. Diese Testergebnisse indizieren jedoch zugleich, dass die Infektion sehr wahrscheinlich bereits in Spanien erfolgte.
Bei bestehenden milderen Symptomen trotz bekannter Pollenallergie sprechen die Faktoren wie Anreise aus einem Hotspot, ein Antikörpertest mit IGM-Positivität und die Bestätigung durch einen Corona-Test elf Tage später, deutlich für eine subakute Phase dieser Infektion zum Zeitpunkt der Testung. Dem Hausarzt werden durch die RKI-Kriterien keine Hilfe geleistet, sondern Fesseln angelegt: Den Ärzten müssen Freiheiten gegeben werden, die Patienten individuell und nicht nach „Schema RKI“zu betrachten, dann hätte diese Patientin auch früher getestet werden können. Die Dunkelziffer der Covid-Infektionen ist höher als wir denken und als uns lieb sein kann. Es ist zudem sehr wahrscheinlich, dass auch Patienten mit milderen oder gar keinen Symptomen ansteckend sind. Die Hilfestellung für Ärzte und Patienten kann nur sein, die Testungen freizugeben von schematischen Vorgaben des RKI, die einer genauen Prüfung ohnehin kaum standhalten, und alle Patienten zu testen, die nur eines der Symptome aufweisen, um differentialdiagnostisch zu den reellen Corona-Fallzahlen zu gelangen und Menschen und Statistik zu heilen.
Dr. Andreea Barsan, Lindau