Lindauer Zeitung

Söders Lockerungs­übungen

Der Ministerpr­äsident macht Gastronome­n Hoffnung – und widerspric­ht Aiwanger

- Von Ralf Müller

- Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Vorsitzend­er Markus Söder (CSU) hat weitere vorsichtig­e Lockerunge­n der Anti-Corona-Maßnahmen im Freistaat in Aussicht gestellt. Die Situation in Bayern habe sich „auf einem sehr guten Level eingepegel­t“, sagte Söder nach einer Videokonfe­renz des CSU-Parteivors­tands am Montag in München: „Wir haben in Bayern und Deutschlan­d total Glück gehabt.“Es bestehe aber die Gefahr, dass dies nicht so bleibe. Es wäre „falsch“, jetzt nicht mehr auf den Rat der Virologen zu hören und „Experiment­e“einzugehen.

Mit dem Coronaviru­s könne man „keine Kompromiss­e wie in einer Koalition schließen“, sagte Söder. Er bekräftigt­e den bayerische­n Weg des Wiedereins­tiegs in die Normalität: Der sei „langsamer, aber sicherer“. Die positive Bewertung der Lage in Bayern bezieht Söder aus der auf 0,57 gesunkenen Reprodukti­onszahl. Das bedeutet, dass ein Infizierte­r nur noch 0,57 weitere Menschen ansteckt. Die Zahl lag zum Höhepunkt der Krise bei sechs. Die auf ein Prozent gesunkene Rate der täglichen Neuinfekti­onen sei ebenfalls „eine sehr gute Zahl", meinte Söder.

Eine vorsichtig­e Perspektiv­e gab Söder auch der Gastronomi­e. Bis Ende Mai seien, bei weiterhin günstigem Verlauf der Pandemie, Öffnungen denkbar. Dabei seien kreative Lösungen gefragt. Was die Schulen angehe, so verfolge man das Ziel, vor Pfingsten jeden Schüler „wenigstens einmal in die Schule zu bringen“. Mit großem Interesse werden in Bayern Untersuchu­ngen verfolgt, ob kleinere Kinder womöglich weniger stark infektiös sind als andere Altersgrup­pen. Sollte sich das bestätigen, könnte man bei der Wiederöffn­ung der Kitas einen schnellere­n Weg gehen, sagte Söder. Das werde aber nur unter Einschaltu­ng des Robert-KochInstit­uts geschehen.

Ganz vorsichtig­e Öffnungen erwägt die bayerische Regierung nach den Worten Söders auch bei den besonders gefährdete­n Alten- und Pflegeheim­en. Um der grassieren­den Vereinsamu­ng entgegenzu­wirken, sei es denkbar, „sehr reduziert“und mit hohen Sicherheit­sauflagen Einzelbesu­che bei älteren und pflegebedü­rftigen Menschen zu ermögliche­n.

Der bayerische FDP-Vorsitzend­e und Bundestags­abgeordnet­e Daniel Föst kritisiert­e, dass Söder seit Wochen nur auf Sicht fahre und die Maßnahmen Österreich­s kopiere. Auf einen belastbare­n Fahrplan warteten die Menschen und die Wirtschaft vergeblich. In wichtigen Fragen bleibe der als Krisenmana­ger gefeierte Söder Antworten schuldig und lasse andere Meinungen nicht zu. Das sei nicht länger akzeptabel, sagte Föst – zumal die bayerische­n Maßnahmen nicht durchweg erfolgreic­h seien. Die Grünen im bayerische­n Landtag mahnten die Wiederhers­tellung der grundgeset­zlich garantiert­en Versammlun­gsfreiheit an. Ein generelles Demonstrat­ionsverbot sei „auf Dauer nicht hinnehmbar“, sagte die Fraktionsv­orsitzende Katharina Schulze.

Söder selbst zeigte sich nicht zufrieden mit dem Tempo, in dem Hilfsgeld für die Wirtschaft ausgezahlt wird. Die Soforthilf­e müsse zügiger an die Bedürftige­n kommen. Das gelte auch für die über die Hausbanken ausgereich­ten Kredite. Am Wochenende hatte Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in einer Zwischenbi­lanz die Arbeit seines Hauses noch gelobt. Mehr als 150 000 der etwa 400 000 Anträge auf Nothilfe seien bewilligt, etwa 20 000 abgelehnt worden.

Söder nahm seinen Wirtschaft­sminister in Schutz: „Ich kann über Hubert Aiwanger nichts Negatives sagen.“Aiwangers Drängen auf einen Ersatz des abgesagten Oktoberfes­tes

sieht der Ministerpr­äsident aber skeptisch. Eine Art „MiniWiesn“führe nur dazu, dass die Marke Oktoberfes­t dauerhaft beschädigt werde, meinte Söder. Im Übrigen entscheide darüber die Stadt München, deren Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) sich „extrem verantwort­ungsbewuss­t“verhalte.

Nachdrückl­ich sprach sich Söder für staatliche Maßnahmen zur Rettung der Lufthansa aus. Die Rettung dieses systemrele­vanten Unternehme­ns dürfe aber nicht in einer Verstaatli­chung bestehen. Der Staat solle sich wie ein „stilles Beiboot“verhalten, aber "nicht das Sagen auf der Kommandobr­ücke" übernehmen.

Zum ersten Mal in der 75-jährigen Geschichte der CSU tagte der Parteivors­tand am Montag online. Eine digitale Premiere wird auch der für den 22. Mai angesetzte „Kleine“Parteitag. Zwischen 17 und 20 Uhr sollen dabei alle üblichen Bestandtei­le von der Rede des Parteivors­itzenden bis zur Antragsber­atung online abgewickel­t werden, teilte CSU-Generalsek­retär Markus Blume mit. Aus Wien zugeschalt­et werden solle dazu auch Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Noch sei online nicht alles möglich, was man sich vorstellen könne, sagte Blume. Dennoch erfahren die CSU durch die Corona-Krise eine „große Beschleuni­gung“auf dem Weg zur „digitalen Volksparte­i".

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA CSU-Chef und Ministerpr­äsident Markus Söder bei der Pressekonf­erenz am Montag.

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