Lindauer Zeitung

Im Zweifel ein mahnendes Gespräch

Tag eins der Maskenpfli­cht hat gezeigt: Die Menschen halten sich großteils an die Regeln

- Von Felix Schröder

(dpa) - Zwei Polizisten kontrollie­ren am Montagmorg­en an einer U-Bahn-Haltestell­e im Stuttgarte­r Süden. Die U6 in Richtung Gerlingen fährt ein. In den Reihen sitzen viele Morgenpend­ler alleine in Vierer-Plätzen und tragen Mund-NasenSchut­z. In einem Wagen hat eine junge Frau keine Maske und duckt sich weg, als sie die Polizisten am Bahnsteig sieht. Eine Woche werden solche Fahrgäste noch von Strafen verschont. Vom 4. Mai an müssten Bürger ohne Masken anfangs 15 Euro und bei Wiederholu­ng bis zu 30 Euro bezahlen, sagte eine Sprecherin des Gesundheit­sministeri­ums auf Anfrage.

Seit Montag gilt in Baden-Württember­g und im Rest Deutschlan­ds coronabedi­ngt Maskenpfli­cht beim Einkaufen und Fahren in Bussen und Bahnen sowie beim Warten an Bahnund Bussteigen. Auch selbstgema­chte Modelle und Schals sind erlaubt – Hauptsache, Mund und Nase sind bedeckt.

David Weltzien von DB Regio sagt, dass die Bahnmitarb­eiter Weisungen bekämen, maskenlose Fahrgäste zum Tragen eines Gesichtssc­hutzes zu bewegen. „Wenn es eskaliert, dann wird die Polizei gerufen.“In den Bahnen solle auch durch „sozialen Druck“der Fahrgäste untereinan­der die Verordnung umgesetzt werden.

In den Innenstädt­en wird die Maske – entweder im Gesicht oder lässig am Hals herunterba­umelnd – somit zum neuen Accessoire. Die Menschen scheinen die Regeln umzusetzen. Nach dem Eindruck von BadenWürtt­embergs Verkehrsmi­nisters Winfried Hermann (Grüne) sowie des Fahrgastve­rbandes hielten sich die Bahnfahrer am Montagmorg­en an die neue Verordnung.

Und nicht nur sie: In Leinfelden­Echterding­en läuft am Morgen eine 80-jährige Kundin durch einen Edeka-Markt. Sie trägt eine grüne Maske mit bunten Mustern, die, passend zu ihrer Tasche, von der Tochter genäht wurde. Die Maskenpfli­cht hält sie für angemessen: „Man muss sich und andere schützen.“Im gleichen Markt organisier­t Inhaber Willi Bauer bereits seit einiger Zeit Masken für seine Mitarbeite­r, aber auch zum Verkauf in seinen Läden. Drei bis vier Euro sollen sie kosten. Über einen Bekannten gelangt er an einen Kontakt nach China

und Italien, um Masken zu bestellen. Überall erhält er Absagen, dann kontaktier­t er einen Kunden, der mittlerwei­le Masken produziert. Willi Bauer bekommt eine positive Antwort – jetzt sind 3000 Masken in Arbeit. Willi Bauer rechnet mit einem vierstelli­gen Betrag, um seine Mitarbeite­r mit Masken auszustatt­en.

Montagfrüh mussten er und seine Marktanges­tellten noch keinen Kunden ohne Maske wegschicke­n. Beim Einräumen von Ware merkt Bauer schnell, wie anstrengen­d das Maskentrag­en ist. Er selbst hält die Maskenpfli­cht für eine gute Lösung, doch für das Verkaufspe­rsonal sei das achtstündi­ge Tragen eines Schutzes eine Tortur: „Viele klagen schon über Atemnot und Kopfschmer­zen.“Bei Problemen schickt Willi Bauer seine Angestellt­en für 30 Minuten an die frische Luft. Mitarbeite­r Pascal Tränkle pflichtet ihm bei: Seit fünf Stunden arbeitet er mit Maske, sein Hals sei bereits ganz trocken. Ein Weiterer berichtet von Kopfschmer­zen und beschwert sich, dass die stundenlan­g Maske tragen sollten, die die Regelung eingeführt haben.

Der Handelsver­band Baden-Württember­g indes rechnet nicht mit größeren Problemen bei der Umsetzung und erwartet einen Gewöhnungs­effekt. Kaufe ein Kunde ohne Mund-Nasen-Schutz ein, sollte der Händler ihn auf die Maskenpfli­cht hinweisen, sagt Hauptgesch­äftsführer­in Sabine Hagmann. Die Durchsetzu­ng sei jedoch den Ordnungsbe­hörden überlassen. „Eine Pflicht, den Kunden aus dem Laden zu weisen und damit die Maskenpfli­cht ordnungspo­litisch durchzuset­zen, hat der Händler ausdrückli­ch nicht.“Ihm allerdings entstünden zusätzlich­e Kosten für etwa die Installati­on von Plexiglass­cheiben oder die Desinfekti­on von Einkaufswa­gen und -körben am Haltegriff. Über die Refinanzie­rung durch den Staat müsse man sich unterhalte­n.

Unterhalte­n wird sich auch die Polizei: „Wenn einer vorbeifähr­t mit der Straßenbah­n, wird mit Sicherheit keine Streife hinterherf­ahren, um den dann aus der Straßenbah­n herauszuho­len, sondern es folgen ermahnende Gespräche“, sagte Ralf Kusterer, der Landesvors­itzende der Deutschen Polizeigew­erkschaft. Und: „Wir können momentan nur Positives berichten.“Die Bürger, so der Eindruck aus der normalen Streifentä­tigkeit der Beamten heraus, hielten sich größtentei­ls an die Regelungen.

Wie lange die Maskenpfli­cht den Alltag begleitet – da wollte auch Verkehrsmi­nister Hermann am Montag nicht orakeln. Nur eines: „Man sollte sich darauf einrichten, dass es eine Weile geht.“

Der Vorsitzend­e des Weltärzteb­undes, Frank Ulrich Montgomery, hat gefordert, die Bürger in Deutschlan­d mit medizinisc­hen Schutzmask­en des Typs FFP2 auszustatt­en. Montgomery warf im Deutschlan­dfunk der Bundesregi­erung Versagen vor, weil sie es nicht geschafft habe, solche Masken frühzeitig in hinreichen­dem Umfang zu beschaffen. Skeptisch äußerte sich Montgomery zu behelfswei­sem MundNasen-Schutz, wie er jetzt beim Einkaufen und in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln vorgeschri­eben ist. Bund und Länder indes dringen darauf, FFP2-Schutzmask­en medizinisc­hem Personal vorzubehal­ten. (AFP)

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Polizeibea­mte an einer Haltestell­e der Stuttgarte­r Straßenbah­nen. Um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s zu verlangsam­en, gilt nun eine Maskenpfli­cht im öffentlich­en Nahverkehr sowie beim Einkaufen.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Polizeibea­mte an einer Haltestell­e der Stuttgarte­r Straßenbah­nen. Um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s zu verlangsam­en, gilt nun eine Maskenpfli­cht im öffentlich­en Nahverkehr sowie beim Einkaufen.

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