Die Insel erwacht aus ihrem Dornröschenschlaf
Dank der Lockerungen ist in der Fußgängerzone einiges los – Geschäft der Händler läuft unterschiedlich gut an
- Ein neues Kleid, kurze Hosen und T-Shirts: Angelina ist im Shopping-Rausch. „Mein Schrank ist leer“, sagt die Neunjährige, die sich mit Mama Bianca Polzer systematisch durch die Kinderabteilung im Benetton auf der Insel arbeitet. Die beiden gehören zu den vielen Menschen, die am Montag auf der Lindauer Insel unterwegs sind – und ein Stück Normalität zurückbringen.
Die Veränderung ist bereits am frühen Montagmorgen zu spüren. Wo in den vergangenen Wochen gähnende Leere war, ist jetzt wieder reger Betrieb: In den Geschäften brennt Licht, Verkäuferinnen und Verkäufer drapieren Waren, putzen Fenster und kehren den Eingangsbereich.
Einige Stunden später ist Daniela Heyne vom Bekleidungsgeschäft Esprit mit dem Vormittag zufrieden. „Es waren schon ein paar Kunden da“, erzählt sie. Glücklicherweise hätten sie und ihre Kolleginnen bereits vor dem Lockdown die Wintergegen die Frühjahrskollektion getauscht. „So müssen wir jetzt nichts wegräumen“, erklärt sie. Denn die Kunden interessierten sich auch Ende April noch für die Frühjahrsmode.
Ein paar Meter weiter testet Erio Becker aus Bodolz gerade sein neues E-Bike. „Meine Frau hat auch eins und fährt mir immer davon“, sagt er und lacht. Für Melanie Unger, Inhaberin von Fahrrad Unger, ist das nicht das erste Geschäft an diesem Morgen. „Es war schon viel los“, sagt sie. „Jede Menge Reparaturen, viel Ersatzteile und Zubehör.“Zwar sei die Fahrradwerkstatt die ganze Zeit über geöffnet gewesen. Verkaufen darf aber auch Melanie Unger, wie alle Händler auf der Insel, erst jetzt. Wie Erio Becker erscheinen die meisten Kunden am Montag mit Maske im Laden. „Und wer keine Maske hatte, der musste eben draußen bleiben“, berichtet Melanie Unger. Tatsächlich sei ein junges Paar ans Geschäft gekommen, das sich zwar über die vielen maskierten Menschen gewundert, von der Maskenpflicht aber offenbar noch nichts mitbekommen hatte. „Ich habe ihnen dann das, was sie wollten, einfach nach draußen gebracht.“
Cathrin Dreher nutzt den Vormittag, um Waren auszupacken. Den Weg in die Spielecke haben noch nicht viele Kunden gefunden. „Bisher war nur ein Vater mit seinen zwei Kindern da. Die haben sich ein bisschen umgesehen und sind dann wieder gegangen“, erzählt sie. Ein Grund dafür könnte die Baustelle sein, die Cathrin Drehers Geschäft vom Rest der Maximilianstraße abschneidet. Doch die Einzelhändlerin ist zuversichtlich, dass auch bei ihr in den kommenden Tagen mehr los sein wird. „Einige Kinder haben Gutscheine oder Geld zu Ostern bekommen“, sagt sie. Und sie ist froh, dass sie keine speziellen Ostersachen verkauft, die sie jetzt wieder wegpacken müsste. Und auch in Sachen Kindermode ist Cathrin Dreher schon auf Frühjahr und Sommer eingestellt. Noch nicht wirklich gewöhnt hat sie sich allerdings an die Maske, die sie immer aufzieht, sobald jemand ihren
Laden betritt. Ihr fällt das Atmen darin schwer.
Bernhard Thyson und Peter Göser hatten mit ihrem neuen Shop-inShop-Konzept gerade Eröffnung gefeiert, ein paar Tage später mussten sie schon wieder zumachen. Während Peter Göser als systemrelevanter Optiker trotzdem drei Stunden pro Tag für seine Kunden da sein konnte, darf Bernhard Thyson seine Mützen und Hüte erst wieder seit Montag verkaufen. „Wir haben am 14. März unseren Laden zusammen eröffnet. Das war ein Samstag. Am Mittwoch drauf mussten wir wieder schließen“, erzählt Thyson. Doch trotz der langen Pause kommen am Montag ein paar Kunden in den Laden. Thomas Sommer zum Beispiel, der sich schon vergangene Woche in eine Kopfbedeckung verliebt hatte. Er hatte sie reserviert und holt sie nun ab.
Glücklicherweise findet Bernhard
Thyson sofort die passende Größe für Thomas Sommer. „Mit Erfahrung sieht man, wer ungefähr welche Kopfgröße hat“, sagt er. Wenn ein Kunde einen Hut oder eine Mütze probiert und dann doch nicht kauft, dann bearbeitet Thyson die Stücke mit seiner Dampfmaschine, die er sonst zum Formen von Hüten nutzt. Den heißen Dampf überlebt das Coronavirus nicht. Peter Göser desinfiziert benutzte Brillen und legt sie dann noch für einen Tag in einen Nebenraum zur Quarantäne. Um sich selbst und ihre Kunden zu schützen, gibt es an der Kasse außerdem einen Spuckschutz und Markierungen für den richtigen Abstand. Die Verkäufer tragen selbstverständlich Maske – und Bernhard Thyson noch seinen eigenen Plastik-Spuckschutz oben drüber.
An der Kasse im Benetton steht eine Flasche Desinfektionsmittel für die Kunden. Doch so weit sind Angelina
und ihre Mama noch lange nicht. Das Mädchen liebäugelt gerade mit pinkfarbenen Shorts, die Verkäuferin Janette Ruzbacka ihr präsentiert. „Wir haben versucht, online etwas zu finden, aber das war ein Desaster“, sagt Bianca Polzer. Zum einen habe die Lieferung extrem lange gedauert. Und zum anderen, da sind sich Mutter und Verkäuferin einig: Klamotten muss man einfach sehen und probieren können.
Bereits am Montagmorgen seien viele Stammkundinnen in den Laden gekommen, erzählt Janette Ruzbacka. „Die haben sich richtig gefreut.“Im Benetton gibt es ebenfalls schon Frühjahrs- und Sommermode zu kaufen, an einer Seite gibt es noch Wintermode – für Schnäppchenjäger, denn die Sachen sind alle reduziert. Janette Ruzbacka ist sicher, dass sie auch diese Kleidung noch losbekommt. „Das Wetter soll ja wieder schlechter werden.“