Warten auf ein klares Signal
Wie die Lindauer Marionettenoper und das Zeughaus auf die Krise reagieren
- Die Lindauer Marionettenoper im Stadttheater gehört zu den kulturellen Juwelen, die die Insel ihren Bewohnern und den vielen Gästen zu bieten hat. Das Zeughaus mit seinen Live-Konzerten und Kabarettauftritten ist Saison für Saison ein ebenso großer Besuchermagnet. Beide Spielstätten wären jetzt mit ihren längst geplanten Programmen gestartet, nur hat die Corona-Pandemie bis auf Weiteres alle Ambitionen vereitelt. Doch wie gehen Bernhard Leismüller, Stefan Fürhaupter und Martin Keller mit der Situation um?
Es sind in den letzten Wochen mehr oder weniger die immer gleichen Fragen, was das weitere Vorgehen angesichts der Krisenlage betrifft. Die Frage nach den noch verbleibenden Möglichkeiten, nicht ganz von der Bildfläche zu verschwinden. Antworten darauf gibt es einige. So auch von Bernhard Leismüller, dem Gründer und künstlerischen Leiter der Lindauer Marionettenoper, die ausgerechnet in dieser Saison ihr 20-jähriges Jubiläum feiert. Am 2. Juli 2000 ging der Vorhang zum ersten Mal für „Die Entführung aus dem Serail“auf, und die Erfolgsgeschichte nahm ihren Anfang. Bis heute sind es rund 2500 Vorstellungen, die im Durchschnitt zu 96 Prozent ausgelastet sind. An die 500 selbst gebaute Marionetten unterhält der Fundus, an die 120 Aufführungen gibt es pro Jahr mit derzeit 14 Puppenspielern. Die Holzpuppe wird durch den Menschen, der die Fäden in der Hand hält, erst lebendig. Leidenschaft ist die Antriebskraft, gepaart mit schauspielerischem Talent. Was die Einmaligkeit des Lindauer Puppenspiels ausmacht, ist sein auf Oper und Operette ausgerichteter Fokus. Sollte es nun damit zumindest für diese Saison vorbei sein? Diese Frage auch nur ansatzweise zu beantworten, damit ist Leismüller wie so viele andere Kulturschaffende überfordert.
Jetzt ist alles anders, die Gäste kommen nicht mehr, der Vorhang bleibt zu. Bislang hätten sie von den geplanten Stücken nur einzelne Clips ins Internet gestellt. Quasi als Appetizer. Der magische Moment stellt sich allein bei einer Inszenierung auf der Hinterbühne mit ihren knapp 100 Plätzen ein. Dennoch, um sichtbar zu bleiben und um nicht ganz ohne Einnahmen dazustehen, ist Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“als Live-Video entstanden. In voller Länge professionell gefilmt und mit einer Premiere auf Youtube am 15. April. „Wir sind sehr zufrieden und gerührt über die Hilfsbereitschaft“, zeigt sich Leismüller begeistert über die Resonanz von rund 10 000 Aufrufen bislang. Die Leute würden spenden, was aber nicht ausreiche, um den Betrieb monatelang über Wasser zu halten. Schwarzmalen wolle er trotz allem nicht. Was ihm aufstoße, ist, dass zum Thema Kultur von offizieller Seite aus kaum etwas zu vernehmen ist.
Wie könnte eine Öffnung der Marionettenoper aussehen? 40 Zuschauer mit genügend Abstand, das würde gehen. Um die finanziellen
Einbußen etwas auszugleichen, könnten pro Tag zwei Vorstellungen mit zusammen 80 Personen gespielt werden. Das hätte eine Umstrukturierung des aktuellen Spielplans zur Folge. Und die Sonderaufführung zum Jubiläum mit Mozarts Singspiel zusammen mit dem Vorarlberger Barockorchester „Concerto Stella Matutina“am 28. Oktober? Die sei weiterhin in Planung, gibt sich Leismüller zuversichtlich.
Die Frage nach einem Wann und Wie, um die Hygienevorschriften einhalten zu können, stellen sich auch Stefan Fürhaupter und Martin Keller als Vorstände vom Förderkreis Zeughaus. Tolle Highlights hätten sie ihren Besuchern bis Ende Oktober bieten können. Ein Blick auf die Homepage vertröstet aber alle Kulturenthusiasten auf unbestimmte Zeit. Man hänge in der Warteschleife und hoffe auf baldige Klärung durch die Verantwortlichen. Diese Ungewissheit, gemeint ist das Fehlen eines eindeutigen Signals, ob dieses Jahr noch etwas geht in Sachen Veranstaltungen oder eben nicht, stößt Fürhaupter am
Stefan Fürhaupter meisten auf. Von Ministerpräsident Markus Söder habe er bislang nichts vernommen, was die Definition für Großveranstaltungen angehe. Für das Zeughaus als ehrenamtlich tätiger Verein, der ohne Subventionen auskomme, sei die Situation nicht so dramatisch. „Uns wird es definitiv wieder geben. Bitter ist, dass keine Ausfallhonorare gezahlt werden können“, fügt er mit Hinweis auf die Booking-Agenturen an. Das komplette Jahresprogramm hätten sie vorerst auf den Herbst verschoben, wobei auch nicht alle für Monate gebuchten Auftritte derart komprimiert werden können.
Vielleicht gehe auch gar nichts mehr in 2020. Denn, und darüber haben sich die Vorsitzenden nicht minder Gedanken gemacht, wenn doch noch ein Wunder geschieht, wie sollten die Abstandsregeln im Zeughaus oder im Falle von Open Airs im Innenhof gewährleistet werden? Für 40 Leute maximal ließe sich das drinnen eventuell realisieren. Nur: ob das Sinn macht? Dabei entlockt einem die fixe Idee, ausrangierte Telefonzellen in einer großen Halle aufzustellen, auf die diverse Clubbetreiber gekommen sind, immerhin ein befreiendes Lachen.
Doch selbst wenn sie öffnen dürften, ist mit Skepsis der Besucher zu rechnen. „Wie soll der Einlass funktionieren, mit Streifen, Abstand und Warteschlangen?“, fragt sich Fürhaupter. „Traut Euch und sagt, es kann gar nichts stattfinden!“, erwartet er klare Verlautbarungen und im Gegenzug entsprechende Entschädigungen, wie beispielsweise ein Grundeinkommen für Solo-Selbstständige. Denn kulturell verloren Gegangenes wieder aufzubauen, würde in jedem Fall teurer.
„Traut Euch und sagt, es kann gar nichts stattfinden!“
Mehr zum Live-Video „Hänsel und Gretel“und zum Spendenaufruf der Marionettenoper Lindau gibt es im Internet unter
www.marionettenoper.de Aktuelles zum Zeughaus unter
www.zeughaus-lindau.de