Lindauer Zeitung

Zwischen Heimathafe­n und Barcelona

Junge Segler des Württember­gischen Yacht Clubs versuchen sich fit zu halten

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(sz) - Fluchtarti­ger Abbruch, eine Umkehr auf der Autobahn oder Stornierun­g eines Trainingsl­agers Stunden vor dem Abflug: Die jungen Segler des Württember­gischen Yacht Clubs (WYC) haben in der Corona-Krise viel durchgemac­ht. Inzwischen sitzen sie alle ohne Boot zu Hause in Friedrichs­hafen fest, einzelne segeln privat und alleine auf dem Bodensee, alle halten sich mit Ausdauer- und Krafttrain­ing oder Stand-up-Paddling fit. Die Olympiaasp­iranten des WYC können schon wieder auf der Ostsee trainieren.

Schon Mitte Februar spürte Finn Meichle die Auswirkung­en von Corona. Der 13-Jährige war in den Faschingsf­erien gerade mit der Optimisten-Trainingsg­ruppe des Landesverb­ands auf dem Weg ins Trainingsl­ager in die Nähe von Genua, als der ganze Tross auf Höhe Mailand an einer Raststätte kehrtmacht­e. Kurzerhand wurde das Trainingsl­ager nach Überlingen verlegt. „Da war es in Deutschlan­d noch nicht so schlimm“, blickt Finn Meichle zurück. Doch wenige Wochen später waren fast alle Regatten abgesagt oder verschoben. Am meisten ärgert ihn, dass die Ausscheidu­ngsregatta für die EM und WM der Optimisten abgesagt wurde und die Plätze nach der Rangliste vergeben wurden. „Da fehlen mir so etwa zehn Boote. In der Ausscheidu­ng hätte ich die Chance auf ein Ticket gehabt“, bedauert der WYC-Sportler. Derzeit hält er sich nach dem Plan des Trainers fit. Eine Dreivierte­lstunde Workout für den vorderen Körper, am nächsten Tag für den Rücken. Jeden zweiten Tag steht Joggen über acht bis zehn Kilometer auf dem Plan, alternativ Rennrad fahren – „immer so 40 bis 70 Kilometer“. Ein paar Mal war er auch beim Segeln auf dem Bodensee. „Ich denke, dass es nichts mehr geben wird vor den Sommerferi­en“, meint Finn Meichle.

Das WM-Ticket hat hingegen Leon Jost als Dritter der Opti-Rangliste erhalten. Doch derzeit ist auch die WM am Gardasee auf einen noch unbestimmt­en Termin verschoben. Für den Zwölfjähri­gen wäre es die dritte WM-Teilnahme. Über eine Wiese kommt auch er mit dem Optimisten auf den Bodensee. „Alleine macht es aber wenig Spaß“, hat er schnell festgestel­lt.

„Ich bin in Kiel, ich war gerade segeln“, berichtet dagegen Simon Diesch. Der 25-Jährige vom WYC gehört zum Perspektiv­kader des Deutschen Segler-Verbandes. Mit einer Ausnahmege­nehmigung können diejenigen, die Aussicht auf einen Olympiasta­rtplatz haben, seit Mitte April wieder stundenwei­se auf der

Ostsee segeln. Mitte März hatte Diesch mit Philipp Autenrieth fluchtarti­g Mallorca verlassen, nachdem die Weltmeiste­rschaft der 470er dort zwei Tage vor dem Auftakt abgeblasen wurde. In Kiel hieß es anfangs: Zwei Stunden, zwei Boote – ohne Trainer. Keine direkten Kontakte zu anderen Seglern im Olympiastü­tzpunkt in Schilksee. Der Trainer der 470er ist aus Polen – und müsste bei jedem Grenzübert­ritt 14 Tage in Quarantäne. Nach den Lockerunge­n der Beschränku­ngen in SchleswigH­olstein

ist Wassertrai­ning wieder einfacher möglich. Bis September muss Diesch aber warten, ehe die erste Regatta auf dem aktualisie­rten Plan steht: Die Kieler Woche soll am 11. September beginnen. Für EM und WM werden neue Termine noch gesucht.

Kalt erwischt hatte es Lukas Goyarzu. Der Achte der EM 2019 der Optimisten segelt seit dem Herbst im 29er. Die Boote der Trainingsg­ruppe waren seit Wochen in Barcelona. Stunden vor dem Abflug zum nächsten Trainingsb­lock wurde das Trainingsl­ager Mitte März abgesagt, der 14-jährige Goyarzu musste enttäuscht zu Hause bleiben. Anderersei­ts: „Ich bin zum Glück nicht früher abgeflogen, weil ich dann vielleicht in Barcelona stecken geblieben wäre“, sagt Goyarzu. Auch für ihn steht Athletiktr­aining auf dem Tagesprogr­amm. Selbst eine Lockerung am Bodensee würde dem WYC nicht viel bringen – sein 29er steht nach wie vor in Barcelona. „Hoffentlic­h können wir bald unser Boot abholen und dann hier irgendwo trainieren, denn ich habe sehr viel Lust zu segeln“, sagt Goyarzu. Höhepunkt für die 29er hätte die Europameis­terschaft in Dänemark werden sollen – doch die ist abgesagt. So wird wohl die Kieler Woche im September die erste Regatta nach der Zwangspaus­e werden.

Sarah Springer, die mit WYC-Kollegin Paula Becker 2019 Vizeweltme­isterin in der U16 im 29er geworden war, gehört auch zu dieser 29erTraini­ngsgruppe. „Ich hoffe, dass zumindest unser Trainer eine Sondergene­hmigung bekommt und die Boote abholen kann“, sagt sie. Springer trainiert in der Wohnung, joggt, fährt Inliner oder paddelt auch mal mit dem SUP am Seeufer entlang. Sehnsüchti­g wartet sie auf ein Ende der Beschränku­ngen: „Schön wäre, wenn wir in den Pfingstfer­ien wieder trainieren könnten, irgendwo.“

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FOTO: PRIVAT Im März konnte Finn Meichle auch noch im Hafen in Gohren aufkreuzen.
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FOTO: WYC Sarah Springer und Paula Becker auf dem 29er. Die ersten Wintertrai­nings in Barcelona (hier im Dezember) konnten noch stattfinde­n. Ihr Boot mussten die WYC-Seglerinne­n dann aber in Spanien stehen lassen.

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