Mit dem Jagdmesser auf Polizisten eingestochen
Am Landgericht Ravensburg beginnt der Prozess wegen versuchten Totschlags gegen einen Weingartener
- Das Ravensburger Landgericht hat am Dienstagmorgen den Prozess gegen einen 42-jährigen Weingartener eröffnet. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, am 6. November vergangenen Jahres einen Polizisten mit einem Jagdmesser angegriffen zu haben. Die Anklage lautet auf versuchten Totschlag, da er, so die Begründung der Staatsanwaltschaft, den Tod des Beamten „billigend in Kauf nahm“, wie es Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl am Montag zum Auftakt des Prozesses formulierte. Der 42-Jährige leidet seit einigen Jahren unter einer schizophrenen Psychose. Er war in der Vergangenheit deshalb in ärztlicher Behandlung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg (ZfP) in Weißenau. Allerdings hatte sich die Krankheit in der vergangenen Zeit verschlimmert, weil der Weingartener seine Medikamente unregelmäßig eingenommen habe, erläuterte Diehl im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Sein behandelnder Hausarzt habe ihn darauf hingewiesen, wenn er seine Medikamente weiterhin nur unregelmäßig einnehme und seine Symptomatik sich dadurch verstärke, müsse er wieder in die Psychiatrie.
Das habe er nicht gewollt und sei kurzfristig untergetaucht, führte Diehl aus. Der Vater des Beschuldigten habe ihn am Abend des 6. November 2019 als vermisst gemeldet. Am Tag zuvor sollte der 42-Jährige wieder ins ZfP. Daraufhin seien zwei Polizeibeamte mit dem Vater zur Wohnung des Beschuldigten gefahren, um herauszufinden, ob er dort aufzufinden sei. Gegen 22.45 Uhr hätten die Beamten dann an der Wohnungstür in der Keppeler-Straße geklingelt. Nachdem der Beschuldigte die Tür geöffnet habe, so Diehl, habe dieser unvermittelt mit einem Jagdmesser - Klingenlänge 10,5 Zentimeter - auf einen der Polizisten von oben nach unten eingestochen. Er habe dabei auf den Hals und den Oberkörper gezielt, den Beamten jedoch zum Glück nicht getroffen.
Daraufhin habe der zweite Polizist eingegriffen. Es kam zu einer Rangelei, beide stürzten den Treppenabsatz hinunter, wobei sich der Polizist die Schulter ausrenkte. Danach konnten die Beamten den 42Jährigen überwältigen, ihn festnehmen und in das ZfP bringen.
Terminologisch gilt der 42-Jährige als „Beschuldigter“und nicht als „Angeklagter“, weil dieser als vermeintlich Schuldunfähiger aufgrund seiner Erkrankung anzusehen sei und die Verhandlung deshalb ein Sicherungsverfahren sei, sagt Diehl. Es drohe ihm also keine Freiheitsstrafe, sondern eine Unterbringung in einer Psychiatrischen Anstalt auf unbestimmte Zeit, je nachdem wie das psychologische Gutachten ausfalle, das noch aussteht. In diesem Sinne habe die Staatsanwaltschaft auch keine Anklage erhoben, sondern eine Antragsschrift im Sicherungsverfahren verfasst, weil der 42-Jährige eine Gefahr für die Öffentlichkeit sei.
Der erste Verhandlungstag war bereits nach Verlesung der Anklage beendet. Die Beweisaufnahme, mit Zeugenaussagen und einem psychiatrischen Sachverständigen, beginnt am kommenden Montag. Der
Grund: Der Beschuldigte befindet sich seit dem 7. November 2019 im ZfP in Weißenau.
Gemäß Gesetz muss ein Prozess spätestens nach sechs Monaten Untersuchungshaft oder wie in vorliegendem Fall Sicherheitsverwahrung von einem Gericht eröffnet werden. Diese Frist wäre am 7. Mai abgelaufen. Hätte das Landgericht diesen Termin nicht eingehalten, wäre der Fall zur Prüfung an das Oberlandesgericht gegangen. Dort hätte man dann entschieden, ob die Unterbringung oder Verhaftung noch aufrechterhalten bleibe und ob das Beschleunigungsgebot noch bestehe.
Im Gerichtssaal wurden die Corona-Verordnungen des Präsidenten des Landgerichts umgesetzt. Der Richter, die Beisitzer und die Schöffen saßen hinter Plexiglasscheiben. Eine Maskenpflicht für alle Beteiligten bestand jedoch nicht. Der Vorsitzende Richter Veiko Böhm ließ es dem Beschuldigten offen, eine Maske zu tragen. Für sich selbst lehnte
Böhm eine Maske ab. „Ein Beschuldigter oder Angeklagter soll seinem
Richter ins Gesicht sehen können“, sagte Böhm.