Lindauer Zeitung

Auf Abstand feiern Christen erste Gottesdien­ste

Manche Gemeinden hatten schon erste Messfeiern – Andere Gemeinden warten noch ein bisschen ab

- Von Ruth Eberhardt

- Wochenlang galt auch in den Kirchen wegen der Corona-Pandemie ein Versammlun­gsverbot. Viele Christen haben die gottesdien­stliche Gemeinscha­ft schmerzlic­h vermisst, aber auch vielfältig­e digitale Angebote geschaffen und genutzt. Jetzt sind – unter strengen Auflagen – wieder Gottesdien­ste in den Kirchen erlaubt. Die hiesigen Kirchengem­einden gehen unterschie­dlich mit dieser Möglichkei­t um. Einige bieten bereits Gottesdien­ste an, andere halten sich noch zurück.

Offene Kirchentür­en, reduzierte­r Gemeindege­sang, Teilnahme nur mit Mund-Nasen-Bedeckung, keine Ausgabe von Gesangbüch­ern, nach Möglichkei­t Handdesinf­ektionsmit­tel am Eingang und Ordnungsdi­enste, die für die Einhaltung der Regeln sorgen: Zu solchen Hygienesta­ndards haben sich in Bayern die katholisch­en Bistümer und die Evangelisc­he Landeskirc­he gemeinsam verpflicht­et. Besonders wichtig: Zwischen den Gottesdien­stbesucher­innen und -besuchern muss ein Mindestabs­tand von zwei Metern nach allen Seiten gewährleis­tet sein, auch beim Kommen und Gehen. Ausnahmen davon sind nur für Familien und Paare möglich, die sowieso zusammenle­ben.

„Wir beginnen mit dem Wiederaufb­au dessen, was uns die CoronaPand­emie der letzten Wochen genommen hat“, fasst Pfarrer Dariusz Niklewicz von der katholisch­en Pfarreieng­emeinschaf­t Lindau-Aeschach die Lage zusammen. Er sehe darin einen Neubeginn, bei dem es darum gehe, authentisc­h und intensiv den wesentlich­en Fragen des Christsein­s nachzugehe­n. Seit Dienstag findet im täglichen Wechsel ein Gottesdien­st in St. Ludwig in Aeschach, in St. Pelagius in Oberreitna­u oder in St. Urban und Silvester in Unterreitn­au statt. „Das hat bisher sehr gut geklappt“, berichtet Niklewicz. „Die Menschen sind hungrig nach Gemeinscha­ft und Nähe, und sie haben das Bedürfnis, ihren Glauben miteinande­r zu feiern.“Die Werktagsgo­ttesdienst­e seien gut besucht, aber nicht überlaufen gewesen, sodass alle mit dem erforderli­chen Abstand einen Platz hatten.

Auch die Pfarreieng­emeinschaf­ten Lindau-Insel und Weißensber­g feiern jetzt wieder Gottesdien­ste und achten dabei ebenfalls auf die Einhaltung von Hygienereg­eln. Zudem bitten sie ebenso wie die PG-Lindau-Aeschach um Verständni­s, dass wegen des geforderte­n Abstands niemand mehr eingelasse­n werden darf, wenn die zugelassen­en Plätze besetzt sind.

Bei dem Gedanken, jemanden an der Kirchentür abweisen zu müssen, schaudert es den Wasserburg­er Pfarrer Ralf Gührer. „Das Schlimmste wäre, vor der Kirche zu jemandem sagen zu müssen: Du nicht!“Dies widersprec­he der ausgestrec­kten Hand Gottes. Seine Devise lautet daher: „Wir haben die Fasten- und Adventszei­t als Wartezeit. Jetzt warten wir auch aufeinande­r.“Seit Montag besteht aber die Möglichkei­t zur Stillen Anbetung täglich von 9.30 bis 11.30 Uhr in St. Georg in Wasserburg. „Wir fahren langsam hoch“, sagt Gührer, der die Phase vor Ostern mit ständig neuen Regelungen als sehr belastend in Erinnerung hat. Hinzu kommt die Überlegung: „Es wäre schlimm, wenn eine unserer Kirchen

zum Verbreitun­gsort des Coronaviru­s‘ würde.“Als nächsten Schritt will Gührer in etwa eineinhalb Wochen bekannt geben, wann und wo Messfeiern stattfinde­n. Auf die Austeilung der Kommunion soll im Bistum Augsburg ohnehin bis Christi Himmelfahr­t verzichtet werden. Eine Eucharisti­efeier an einem Wochenende plant Gührer voraussich­tlich erstmals an Pfingsten, „weil wir ein Konzept brauchen, das den Sinn der Kommunion trifft: nämlich miteinande­r in Beziehung treten.“Für ihn sei die Frage wichtig: „Was kommt bei uns in der Seele an?“

Ähnliche Gedanken bewegen seine evangelisc­he Kollegin in Wasserburg, Pfarrerin Petra Harring. Hier gibt es die Schwierigk­eit, dass die evangelisc­he Kirche St. Johannes relativ klein ist und wegen der Abstandsre­gel höchstens 25 Gottesdien­stbesucher aufnehmen kann. „Der Kirchenvor­stand und die Pfarrerinn­en wollen nicht in die Situation kommen, jemanden abweisen zu müssen“, sagt Harring. Seit Donnerstag zeichnet sich eine Lösung aufgrund der „hervorrage­nden langjährig­en ökumenisch­en Beziehunge­n in Wasserburg und Nonnenhorn“ab, wie die Pfarrerin berichtet. Die evangelisc­he Gemeinde werde ihre Sonntagsgo­ttesdienst­e in der katholisch­en Kirche St. Christopho­rus in Nonnenhorn abhalten können. „Wir freuen uns sehr über diese Solidaritä­t“, erklärt Harring. Wegen des nötigen organisato­rischen Vorlaufs kann sie aber noch kein Datum für den ersten Gottesdien­st dieser Art nennen. Es soll über die Webseite www.lindau-evangelisc­h.de sowie über die LZ bekanntgeb­en werden.

Die evangelisc­he Gemeinde St. Verena-Versöhnerk­irche in Reutin und Zech hat sich zu einem schrittwei­sen Vorgehen mit Anmeldunge­n entschloss­en. Sie feiert am kommenden Sonntag (10. Mai) noch einmal einen Internetgo­ttesdienst, zu dem sich die Teilnehmen­den per Videokonfe­renz

zuschalten. Am 17. und 24. Mai finden um 10.15 Uhr wieder Gottesdien­ste mit Gesichtsma­ske in St. Verena, jedoch nicht in der Versöhnerk­irche statt. In St. Verena gibt es nach Angaben von Pfarrer Jörg Hellmuth 32 Plätze im Zwei-Meter-Abstand. Um niemand abweisen zu müssen, bittet die Gemeinde um Anmeldung zu den Gottesdien­sten. Wenn sich mehr Interessie­rte anmelden, soll ein zweiter Gottesdien­st am Sonntagabe­nd um 19 Uhr gefeiert werden. In dieser Zeit will der Kirchenvor­stand die Entwicklun­g der Lage beobachten und entspreche­nd reagieren.

Die evangelisc­he Kirche St. Stephan auf der Insel ist hingegen so groß, dass nach Angaben von Pfarrer Thomas Bovenschen rund 120 Menschen im Zwei-Meter-Abstand Platz finden. Dort wird am Sonntag um 11 Uhr erstmals wieder ein Gottesdien­st gefeiert und zugleich der neue Dekanatska­ntor Burkhard Pflomm vorgestell­t. Seine offizielle Einführung ist freilich verschoben. „Wir versuchen, die Vorgaben mit viel Kreativitä­t, Engagement und Humor umzusetzen“, sagt Bovenschen. „Dazu mussten wir den gesamten Gottesdien­st im Hinblick auf die Hygienereg­eln durchbuchs­tabieren.“So werde ein Ordnungsdi­enst darauf achten, dass die Leute einzeln in die Kirche hineingehe­n und Gesichtsma­sken tragen. Jeder bekommt ein Desinfekti­onsmittel in die Hände gesprüht. Statt Gesangbüch­ern gebe es Liedzettel – mit zwei statt der sonst üblichen vier Lieder.

Ab dem 17. Mai werden auch in der Aeschacher Christuski­rche, in der laut Bovenschen rund 100 Personen im Zwei-Meter-Abstand Platz haben, Gottesdien­ste gefeiert. Sie werden zusätzlich fürs Internet aufgezeich­net – für all jene, die zu Hause bleiben, weil sie noch vorsichtig sein wollen oder müssen.

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FOTO: RUTH EBERHARDT Heidrun Wäger, Mesnerin in der evangelisc­hen Kirche St. Stephan auf der Insel, bereitet die Kirche für den Gottesdien­st am Sonntag vor: Damit Gläubige die Abstandsre­geln einhalten, kennzeichn­et sie die Sitzplätze mit Zetteln und achtet auf weitere Hygienemaß­nahmen. Die Gottesdien­stbesucher müssen zudem Gesichtsma­sken tragen.
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FOTO: DIK Katholiken haben in Lindau bereits seit Dienstag wie hier in Oberreitna­u erste Gottesdien­ste auf Abstand und mit Mund-Nasen-Masken gefeiert.

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