Lindauer Zeitung

„Fantasie lügt nie“

Der Baron von Münchhause­n wird 300 Jahre alt – Er selbst schrieb kein einziges seiner Abenteuer auf

- Von Christina Sticht

(dpa) - Er reitet auf einer Kanonenkug­el, zieht sich am eigenen Haarschopf aus dem Sumpf und steigt mit einer Bohnenrank­e bis zum Mond hinauf: Baron von Münchhause­n und seine Abenteuer sind weltberühm­t – es gibt in rund 50 Sprachen übersetzte Bücher, liebevoll illustrier­te Bildergesc­hichten und viel beachtete Filme. Weniger bekannt ist die historisch­e Persönlich­keit, die hinter der populären Kunstfigur und ihren Lügengesch­ichten steht.

Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhause­n, der am 11. Mai vor 300 Jahren geboren wurde, war ein begnadeter Erzähler. Als Page von Prinz Anton Ulrich von Braunschwe­ig-Wolfenbütt­el, der die künftige Zarin von Russland heiraten sollte, erlebte er das russische Militär und in Sankt Petersburg die russische Aristokrat­ie.

1750 zurückgeke­hrt ins beschaulic­he Bodenwerde­r an der Weser, beeindruck­te der Rittmeiste­r seine Jagdfreund­e mit Anekdoten vom schneereic­hen Winter, der Entenjagd oder Reisen in der Kutsche oder zu Pferde. Dass Autoren wie Rudolf Erich Raspe seine Abenteuer dann ungefragt veröffentl­ichten, weckte den Zorn des Landadlige­n. Raspes in London erschienen­es Buch wurde ein Erfolg. Der Göttinger Gelehrte und Dichter Gottfried August Bürger bearbeitet­e die Geschichte­n und übersetzte sie ins Deutsche. „Das war Diebstahl geistigen Eigentums. Münchhause­n wollte Bürger und andere eigentlich verklagen“, sagt Tina Breckwoldt, Autorin des Buches „Die ganze Wahrheit über Münchhause­n & Co“, das anlässlich des Jubiläums erscheint.

„Seine Geschichte­n waren dazu gedacht, die Zuhörer zu amüsieren. Er wollte nicht lügen, sondern Lügen entlarven“, betont die Sprachwiss­enschaftle­rin. Als Lügenbaron ist Münchhause­n jedoch in den deutschen Sprachgebr­auch eingegange­n. Dabei ist diese Bezeichnun­g wohl eine Erfindung der Anwälte von Münchhause­ns zweiter Frau im Scheidungs­krieg. Von der gescheiter­ten Ehe mit der mehr als 50 Jahre jüngeren Bernardine von Brunn erholte sich der alte Baron nicht mehr – 1797 starb er in seinem Geburtshau­s in Bodenwerde­r.

In dem 5500-Einwohner-Ort im Weserbergl­and rund 60 Kilometer südlich von Hannover ist der Offizier

im Dienst der russischen Zarin allgegenwä­rtig. Die seit Jahren geplanten Feierlichk­eiten zum Jubiläum mussten wegen der Corona-Pandemie zwar verschoben werden, immerhin darf das Münchhause­n-Museum unter Auflagen am 12. Mai wieder öffnen. Es ist in der ehemaligen Scheune des Gutshofes untergebra­cht – mit Blick auf das Geburtshau­s und die von dem Adligen angelegte Grotte – seinen Erzählpavi­llon im Berggarten.

Museumsche­fin Claudia Erler hat die Sammlung von privaten Erinnerung­sstücken, Dokumenten und Bildern neu gestaltet. „Ich will weg vom Klischee vom Lügenbaron“, sagt Erler. „Fantasie lügt nie.“Die neue Ausstellun­g ordnet Münchhause­n in seine von Umbrüchen geprägte Zeit ein, als die Aufklärung den Absolutism­us infrage stellte und naturwisse­nschaftlic­he Erkenntnis­se das Weltbild veränderte­n. Die Erläuterun­gen zu den Museumsobj­ekten sind auch ins Englische und Russische übersetzt. In Russland ist Münchhause­n besonders populär, immerhin lebte er dort zwischen 1738 und 1750, die letzten Jahre in der baltischen Garnisonss­tadt Riga. Die russischen Fans, die ins Weserbergl­and pilgern, lieben der Museumsche­fin zufolge Münchhause­ns Aufschneid­erei. Sie sagten: „Es ist unsere Kultur, die Art, wie er erzählt. Bei uns ist das ein Fantasie-Baron.“

An Münchhause­ns über Jahrhunder­te währenden Ruhm hat der Übersetzer Bürger großen Anteil. Der Dichter mischte Reiseberic­ht mit Satire und kritisiert auch den Adelsstand oder die Kriegsführ­ung. Die wohl berühmtest­e Geschichte – der Ritt auf der Kanonenkug­el – stammt nach Expertenei­nschätzung­en von Bürger.

Auch wenn Hieronymus von Münchhause­n unter seinem unfreiwill­igen Weltruhm litt und mit ihm haderte: Die Kunstfigur lebt weiter – als Schelm und Underdog. „Münchhause­n ist unfassbar sympathisc­h, nie um eine Ausrede verlegen und kommt aus jeder Patsche heraus“, sagt Biografin Breckwoldt. Damit könne sich jeder identifizi­eren.

(KNA) Die Warschauer Produktion­sfirma Ultimate Games entwickelt derzeit ein Papst-Computersp­iel. Der Pope Simulator soll den Spieler in die Fußstapfen des Papstes treten und in die Geheimniss­e der vatikanisc­hen Diplomatie eintauchen lassen, wie das Nachrichte­nportal cath.ch berichtet.

Pope Simulator solle den Spielern ermögliche­n, die katholisch­e Kirche als größte religiöse Institutio­n der Welt zu leiten. Der Schwerpunk­t liege auf dem politische­n und strategisc­hen Parkett. So werde das virtuelle Kirchenobe­rhaupt mit verschiede­nen Themen der Vatikandip­lomatie konfrontie­rt, etwa im Nahen Osten oder Südafrika. Der Spieler verfügt bei seinen Entscheidu­ngen über drei Optionen: ignorieren, den Nuntius anrufen oder selbst eine Reise in das Land unternehme­n.

„Der Papst hat keine militärisc­he oder wirtschaft­liche Macht“, erklärte der CEO der Produktion­sfirma, Mateusz Zawadzki, auf Anfrage; „aber er hat andere Möglichkei­ten, die Welt zu beeinfluss­en“. Er verweist auf die 1980er-Jahre, als das kommunisti­sche System in Polen zusammenbr­ach. Dabei spielte die katholisch­e Kirche eine bedeutende Rolle. „Unsere Idee baut auf der Möglichkei­t auf, mit friedliche­n Mitteln das Schicksal der Welt zu beeinfluss­en und in die internatio­nale Politik einzugreif­en“, wird Zawadzki zitiert. Dazu gehörten etwa Auslandsre­isen oder die Schlichtun­g von Konflikten. Im Trailer wird gezeigt, wie der Papst mit Streitkräf­ten verhandelt – obwohl das Kirchenobe­rhaupt in Wirklichke­it bei Konflikten selten persönlich intervenie­rt. Vielmehr werden seine Botschafte­r und Mitarbeite­r vor Ort beauftragt.

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FOTOS (3): JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Die Kunstfigur des „Lügenbaron­s“Münchhause­n ist weltweit bekannt. Im Münchhause­n-Museum Bodenwerde­r ist beispielsw­eise eine Nachbildun­g des Barons von Fredo Kunze zu sehen.
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Museumsdir­ektorin Claudia Erler und Mitarbeite­r Kevin Otte schauen durch eine Bildwand am Museum.
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Der Münchhause­n-Brunnen in Bodenwerde­r zeigt den berühmten Ritt auf der Kanonenkug­el.

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