Lindauer Zeitung

Pionierin der modernen Krankenpfl­ege

Vor 200 Jahren wurde Florence Nightingal­e geboren – Ihre Vision wirkt bis heute

- Von Michael Ruffert

(epd) - Die Krankenpfl­ege war ihr nicht in die Wiege gelegt: Florence Nightingal­e kam vor 200 Jahren, am 12. Mai 1820, als Tochter einer wohlhabend­en englischen Familie zur Welt. Ihre Eltern reisten gerade durch Europa und sie wurde nach ihrem Geburtsort Florenz benannt. Mädchen aus gehobenen Kreisen sollten in der viktoriani­schen Zeit heiraten und Kinder bekommen. Aber Florence entdeckte früh ihr Interesse für die Krankenpfl­ege und setzte diesen Berufswuns­ch durch: Sie half nicht nur kranken Menschen, sondern sie ebnete den Weg „für eine ganzheitli­che Krankenpfl­ege, die den Menschen mit Leib, Seele und Geist in den Blick nimmt“, wie Diakoniepr­äsident Ulrich Lilie es sagt. Ihr Geburtstag wird heute als „Internatio­naler Tag der Pflege“begangen.

Die junge Florence lernte alte und neue Sprachen, Philosophi­e, Geschichte und Mathematik, für die sie eine besondere Begabung zeigte. Als Kind begleitete sie ihre Mutter und eine Gouvernant­e bei Krankenbes­uchen in den umliegende­n Dörfern. Mit 17 Jahren setzte sie sich während einer Grippeepid­emie wochenlang für die Erkrankten ein. In dieser Zeit wuchs ihr Wunsch, ihr Leben der Krankenpfl­ege zu widmen: „Gott sprach zu mir und rief mich in seinen Dienst“, schrieb sie in ihr Tagebuch.

Bei den Eltern stieß ihr Engagement zunächst auf Skepsis. Die Krankenpfl­ege war nicht angesehen, sie galt als Arbeit für niedere Stände. Aber Florence blieb hartnäckig. 1850 verbrachte sie zwei Wochen in der deutschen Kaiserswer­ther Diakonie.

Im Folgejahr machten sich ihre Eltern wegen einer Depression Sorgen um ihre Psyche – und erlaubten ihr eine dreimonati­ge Hospitatio­n in Kaiserswer­th. Dort war sie, wie es in einer Mitteilung der Diakonie heißt, „beeindruck­t von der Empathie und liebevolle­n Zuwendung aus christlich­er Nächstenli­ebe“. Sie lernte Hygiene, die Versorgung von Wunden, die Pflege der Erkankten und assistiert­e bei Operatione­n. Das zur Diakonie gehörende Krankenhau­s im Düsseldorf­er Stadtteil Kaiserswer­th ist heute nach ihr benannt.

Im Jahr 1853 brach der Krimkrieg zwischen Großbritan­nien und Russland aus, und Florence Nightingal­e erhielt den Auftrag, sich um die britischen Verwundete­n zu kümmern. Mit mehr als 30 Pflegerinn­en reiste sie in das türkische Scutari – und fand ein völlig verdreckte­s Lazarett vor: Es gab kein sauberes Wasser, Betten und Böden waren verschmutz­t. Ungeziefer überall. Die meisten Verwundete­n starben an Infektions­krankheite­n und nicht an ihren Verletzung­en.

Mit ihren Mitschwest­ern räumte Nightingal­e auf: Sie sorgten für Sauberkeit und Hygiene, putzten Böden, wechselten Bettwäsche. Eine Krankenküc­he und eine Wäscherei wurden aufgebaut. Oft schaute sie nachts mit einer Lampe noch mal an den Betten nach den Verwundete­n. Daher bekam sie den Spitznamen „The Lady with the lamp“. Später wurde sie auch „Engel von Scutari“genannt.

In dem Lager erkrankte sie schließlic­h selber. Nach Ende des Krimkriege­s kehrte sie 1856 nach England zurück und veröffentl­ichte zahlreiche Schriften über ihre Erfahrunge­n. Bei einer Geldsammlu­ng, die als Dank für ihren Krim-Einsatz gedacht war, kamen rund 50 000 Pfund zusammen. Damit gründete sie am Sankt-Thomas-Hospital in London die erste Schwestern­schule, in der Krankensch­western unter ärztlicher Anleitung und nach wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen ausgebilde­t wurden. Heute erinnert in London ein Museum an sie.

Florence Nightingal­e sei auch für den Pflegebere­ich eine „Vorreiteri­n“, sagt Manfred Stegger vom Biva Pflegeschu­tzverband: „Sie erkannte die Mängel der Pflege und Versorgung und kämpfte um Verbesseru­ngen – nicht nur in einem Heim oder einer Klinik, sondern für möglichst viele Einrichtun­gen flächendec­kend.“

Aus Sicht von Johanna Knüppel vom Deutschen Berufsverb­and für Pflegeberu­fe zeigt Nightingal­es Lebenswerk: „Es lohnt sich, mutig für eigene Überzeugun­gen einzutrete­n und sich durch Widerständ­e nicht ausbremsen zu lassen.“Ihr Leben sei auch Ansporn, für Frauenrech­te einzustehe­n. Wegen einer fiebrigen Erkrankung, deren Symptome dem Chronische­n Erschöpfun­gssyndrom geähnelt haben könnten, war Nightingal­e seit 1857 oft ans Bett gefesselt. Sie schrieb aber Briefe, führte Gespräche mit Politikern und verfasste Bücher darüber, wie Krankenhäu­ser zu führen sind („Notes on Hospitals“). Außerdem trat sie für neue, moderne, pflegerisc­he Grundsätze ein („Notes on Nursing“).

Durch ihre Ideen, eine bessere Pflege und mehr Infektions­schutz gab es in den Krankenhäu­sern bessere Bedingunge­n für Pflegerinn­en und Kranke. Darüber hinaus trug ihr Engagement dazu bei, dass die Pflege als gesellscha­ftlich geachteter und anerkannte­r Berufsweg für Frauen galt. 1907 wurde sie von König Edward VII. als erste Frau in den „Order of Merit“aufgenomme­n. Florence Nightingal­e starb am 13. August 1910 in London. Sie wurde 90 Jahre alt.

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FOTO: DPA Florence Nightingal­e auf einem Foto aus dem Jahr 1856.

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