Lindauer Zeitung

Ein Schlag ins Kontor der Kommunen

Städte und Gemeinden müssen mit Steuerausf­ällen in Millionenh­öhe rechnen – Manches Projekt wird abgespeckt

- Von Stefan Binzer

- Kein Geld mehr in der Ladenkasse, weniger Lohn auf dem Gehaltskon­to: Die Corona-Pandemie trifft viele Unternehme­r, Selbststän­dige, Angestellt­e und Arbeiter finanziell hart. Die Seuche ist aber auch ein Schlag ins Kontor der Städte und Gemeinden. Denn Firmen, die nichts verdienen, bitten um Reduzierun­g oder Stundung der Gewerbeste­uer-Vorauszahl­ung (siehe Infokasten) . Und in den kommenden Jahren dürften die Gewerbeste­uerEinnahm­en nach Schätzunge­n von Volkswirte­n ohnehin wegen der Spätfolgen der Corona-Krise deutlich sinken.

Auch die Lohn- und Einkommens­teuern, die zu 15 Prozent den Städten und Gemeinden zugutekomm­en, werden voraussich­tlich einbrechen. Kommunen müssen heuer und in den folgenden Jahren mit viel weniger Geld auskommen als bislang geplant. Bei Allgäuer Städten könnten zweistelli­ge Millionenb­eträge fehlen.

Weil sich die Lage dramatisch zuspitzt, hat Oberstdorf sogar eine Haushaltss­perre erlassen. Das heißt, die Marktgemei­nde wird bis Ende Mai keine Ausgaben tätigen, die nicht zwingend notwendig oder aufschiebb­ar sind. Wie es danach weitergeht, ist noch offen. Oberstdorf ist besonders von der Pandemie betroffen, weil der Spitzenfer­ienort in der Hauptsache vom Tourismus lebt. Derzeit sind aber alle Hotels, Pensionen, Bergbahnen und Gaststätte­n geschlosse­n.

Ganz so schlimm wie in Oberstdorf ist die Situation in anderen Allgäuer Kommunen noch nicht. Aber auch woanders muss an allen Ecken und Enden gespart werden. Kempten etwa nimmt pro Jahr um die 45 Millionen Euro Gewerbeste­uer ein. Oberbürger­meister Thomas Kiechle rechnet jedoch damit, dass es heuer wegen Corona zehn Millionen Euro weniger sein werden. „Grundsätzl­ich“, sagt Kiechle, „werden wir aber an notwendige­n Investitio­nen festhalten“. Dazu zählten Kindertage­sstätten, ein Schulneuba­u oder eine Dreifachtu­rnhalle: „Lieber nehmen wir Kredite auf, als nicht in wichtige Zukunftsbe­reiche zu investiere­n.“Kempten könne sich das leisten,

Jede Vorauszahl­ung beträgt grundsätzl­ich ein Viertel der Steuer, die sich bei der letzten Veranlagun­g ergeben hat.

Die Gemeinde kann die Vorauszahl­ungen der Steuer anpassen, die sich für den Erhebungsz­eitraum voraussich­tlich ergeben wird. denn die Stadt habe aus den vergangene­n Jahren eine solide finanziell­e Ausgangsla­ge: „Für heuer sind wir safe“, sagt Kiechle.

Aber was kommt in den nächsten Jahren? Diese Frage beschäftig­t auch Memmingens Oberbürger­meister Manfred Schilder. Er will noch keine Schätzung abgeben, wie hart die Steuerausf­älle die Stadt treffen werden. Nur eines scheint relativ sicher zu sein: Memmingen muss große Projekte wie den Bau eines neuen Stadtbades samt Hallenbad neu bewerten. Soll heißen: Kleiner und billiger planen oder sogar verschiebe­n. Das müsse der Stadtrat mit aller Sorgfalt entscheide­n, sagt Schilder. Er versichert: „Wenn uns Unternehme­n in der Corona-Krise um Reduzierun­g oder Stundung der Steuervora­uszahlung bitten, werden wir kulant damit umgehen.“Nach einer Prognose des Deutschen Städtetage­s werden die Kommunen wegen Corona mit Steuereinb­ußen zwischen fünf und 20 Prozent zu rechnen haben. Das beunruhigt aber Stefan Bosse, Oberbürger­meister von Kaufbeuren, gar nicht mal übermäßig: „Wir sind eine relativ gewerbeste­uerschwach­e Kommune. In der Finanzkris­e 2008 und 2009 waren wir deshalb am geringsten betroffen.“

Wo also wenig Geld von Firmen reinkommt, kann auch nicht so viel wegfallen, wenn’s klemmt. Darauf hofft Bosse auch jetzt. Aber auch in Kaufbeuren dürfte bei einem Gewerbeste­uer-Aufkommen von jährlich etwa 19 Millionen Euro die eine oder andere Million nun in den Wind zu schreiben sein. Deshalb sagt auch Bosse: „Pflichtauf­gaben werden wir weiter erfüllen. Aber bei den freiwillig­en Leistungen müssen wir genau schauen, was geht.“

 ?? ARCHIVFOTO: RALF LIENERT ?? Das Memminger Freibad aus der Luft. Großzügige Pläne zur Umgestaltu­ng des Areals mit dem Bau eines neuen Hallenbade­s könnten sich wegen der CoronaKris­e verändern. Auch andere Kommunen im Allgäu müssen sich wegen einbrechen­der Steuereinn­ahmen genau überlegen, welche Projekte verkleiner­t oder gar gestrichen werden.
ARCHIVFOTO: RALF LIENERT Das Memminger Freibad aus der Luft. Großzügige Pläne zur Umgestaltu­ng des Areals mit dem Bau eines neuen Hallenbade­s könnten sich wegen der CoronaKris­e verändern. Auch andere Kommunen im Allgäu müssen sich wegen einbrechen­der Steuereinn­ahmen genau überlegen, welche Projekte verkleiner­t oder gar gestrichen werden.

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