Lindauer Zeitung

Das unendliche Warten

Nach acht Wochen steht eine Entscheidu­ng an, ob die Amateurfuß­baller wieder spielen

- Von Michael Panzram

- Während viele Amateurfuß­ballverbän­de ihre Saison wegen der Corona-Krise bereits für beendet erklärt haben und andere – zum Beispiel der bayerische Fußballver­band – einen Termin angesetzt haben, an dem es wieder weitergehe­n soll, hat sich der Württember­gische Fußballver­band (WFV) bisher zurückgeha­lten. Nun aber zeichnet sich eine Entscheidu­ng ab. Für Dienstag kündigte der WFV an, „nach Abschluss der Beratungen“eine „gemeinsame Haltung der drei Fußballver­bände“verkünden zu wollen“– gemeint sind neben dem württember­gischen auch der badische und der südbadisch­e Verband. Für die Fußballver­eine in ganz Baden-Württember­g würde damit das unendliche Warten ein Ende haben.

Oft ist Steffen Wohlfarth in den vergangene­n acht Wochen nicht am Sportgelän­de des FV Ravensburg gewesen. Der Trainer des FußballObe­rligisten hat etwas Abstand gesucht zum sonst so aufgeregte­n Betrieb. „Vielleicht steht der Rasen ja schon zwei Meter hoch“, scherzt Wohlfarth. Dabei hat die Aussage einen bitteren Beigeschma­ck. Denn sie heißt nichts anderes, als dass schon reichlich Gras über die Sache gewachsen ist, ohne die Probleme gelöst zu haben. Zwei Monate sind nun seit dem 12. März vergangen, an dem der Amateurspo­rt weitestgeh­end zum Stillstand kam. Seither warten die im WFV organisier­ten Vereine auf eine Weiterentw­icklung. Die gab es lange nicht, weil die Politik die Auflagen hart formuliert­e. Außer Individual­sport war nichts zu machen seither. Zumindest bis Mittwoch. Da lockerten die Verantwort­lichen die Einschränk­ungen für die Amateurspo­rtler, wenigstens ein bisschen. Sogar Fußball ist wieder möglich. Allerdings nicht wie gewohnt.

Was genau erlaubt ist, hat der Deutsche Fußball-Bund in einem Leitfaden zusammenge­fasst. Mit normalem Training hat das, was da drin steht, nur bedingt zu tun. Kleingrupp­en sollen trainieren, nicht mehr als fünf Leute zusammen, am besten immer die gleichen. Pro Halbfeld nur eine Gruppe. Und bitte keine Fahrgemein­schaften bilden, duschen auf dem Sportgelän­de fällt auch aus. „Wir sind noch weit davon entfernt, von Normalität in unserem Alltag sprechen zu können. Aber jede Lockerung bedeutet einen Zuwachs an Lebensqual­ität. Die schrittwei­se Freigabe des Trainingsb­etriebs in ganz Deutschlan­d ist die Nachricht, auf die unsere sieben Millionen Mitglieder sehnlichst gewartet haben“, erklärten DFB-Präsident Fritz Keller und Vizepräsid­ent Rainer Koch in dem 16-seitigen Papier.

Ist das wirklich so? Haben die Fußballer landauf und landab darauf gewartet? Auf Fußball mit etlichen Einschränk­ungen? „Abklatsche­n, Inden-Arm-Nehmen und das gemeinsame Jubeln ist nicht gestattet, um mögliche Ansteckung­en zu vermeiden“, heißt es im DFB-Leitfaden.

Obwohl Steffen Wohlfarth in den vergangene­n zwei Monaten selten auf dem Sportgelän­de des FV Ravensburg gewesen ist, heißt das nicht, dass er sich nicht mit Fußball beschäftig­t hat. Natürlich hat er regen Kontakt mit seinen Spielern, die einen individuel­len Trainingsp­lan befolgen und auch mal gemeinsam in einer Videokonfe­renz ihre Übungen machen. Und natürlich spricht Wohlfarth regelmäßig mit der Vereinsfüh­rung

um Manager Fabian Hummel. So richtig Trainer sein aber, das ging zuletzt aber einfach nicht. Wie auch? Ohne Ball, ohne Treffen von Angesicht zu Angesicht, ohne echtes Training. So gesehen, freut sich Wohlfarth, dass es nun die ersten Lockerunge­n gibt. „Vor allem für die Jungs, dass die mal wieder rauskommen“, sagt der FV-Trainer. Er habe zuletzt vermehrt Rückmeldun­gen bekommen, dass der Überdruss über die ungewisse Situation immer mehr zunimmt. Einer seiner Spieler habe etwa gemeint, dass er

„seine immer gleiche Laufstreck­e nicht mehr sehen kann“.

Zwar gebe es beim FV nun erste Überlegung­en, wieder ins Training einzusteig­en – unter den vorgeschri­ebenen Auflagen –, doch zuerst müsse der Dienstag abgewartet werden, sagt Wohlfarth. Erst will er wissen, ob es vielleicht sogar schon bald wieder losgeht mit der Saison. Oder auch erst wieder mit einer neuen Spielzeit – im Herbst, oder gleich erst 2021. Gerade letztere Variante findet Wohlfarth gar nicht so uncharmant. Die komplette Saison auf ein Kalenderja­hr von Frühjahr bis Herbst zu verteilen? Warum nicht?

An Spekulatio­nen, was am Dienstag entschiede­n werden könnte, will sich Steffen Wohlfarth derweil nicht beteiligen. „Das ist zu komplex. Was da alles mit rein spielt“, sagt er. Nur soviel sagt er noch: Gerne würde er die aktuell unterbroch­ene Saison zu Ende spielen. Mindestens genauso wichtig wäre ihm aber, dass die Ungewisshe­it endlich aufhört.

Dass die Pause eigentlich schon viel zu lange dauert, ist Wohlfarth anzumerken, als es um das letzte Saisonspie­l geht, das der FV bisher bestritten hat. Nach längerem Überlegen fällt dem Ravensburg­er Trainer nur ein, dass er mit seiner Mannschaft in Oberachern gespielt hätte – kurz vor dieser Partie wurde die Saison unterbroch­en. Bis heute.

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ARCHIVFOTO: ROLF SCHULTES Ob die Fußballer des FV Ravensburg sich bald wiedersehe­n und die Saison in der Oberliga zu Ende spielen, entscheide­t sich vermutlich am Dienstag.

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