Lindauer Zeitung

Der Mann, der lieber handelt anstatt zu jammern

Nach 30 Jahren verlässt Alexander Kiss den Lindauer Stadtrat

- Von Dirk Augustin

- Er war bekannt für seine Sprüche, die immer lustig, oft treffend und manchmal verletzend waren. Nach 30 Jahren hat Alexander Kiss (BL) den Lindauer Stadtrat verlassen.

„Es war mir eine Ehre!“, sagte Kiss in seinem letzten Wortbeitra­g als Stadtrat, als er sich in der letzten Sitzung unter Leitung von Ex-OB Gerhard Ecker von den Ratskolleg­en verabschie­det hat. Das passt zu Kiss, dem Ecker in seiner Verabschie­dung den Wahlspruch „Handeln statt Jammern!“zuschrieb.

1990 sei Kiss als einer der „jungen Wilden“in den Stadtrat gekommen, wo er nach 30 Jahren zu den „langgedien­ten, alten Hasen“gehöre. „Die Haare sind zwar kürzer geworden, an Streitbark­eit ist dir aber nichts verloren gegangen“, bescheinig­te der ExOB, der besonders auf das gute persönlich­e Verhältnis zwischen Kiss und Bürgermeis­ter Karl Schober hinwies, die trotz unterschie­dlicher Ansichten freundscha­ftlich verbunden gewesen seien. Kiss selbst fasst die 30 Jahren im Stadtrat so zusammen: „Das sind drei Generation­en Hummler, zwei Generation­en Dorfmüller, zwei Oberbürger­meister und eine Obine. sowie eine beachtlich­e Reihe gescheiter­ter OB-Kandidaten.“Begonnen habe er im Mai 1990 als einer von „31 hoffnungsf­rohen Polit-Akteuren“, von denen am Ende noch fünf übrig waren. Er habe viele Menschen kennengele­rnt und sich von manchem schmerzhaf­t verabschie­den müssen.

Kiss räumt ein, dass „mantramäßi­ges Abwägen von Bebauungsp­länen und Großvorhab­en“für zuhörende Bürger „staubtrock­en und bürokratis­ch wirken“möge. Leider machten „Ermüdungs-Themen wie Parken“das Leben noch schwerer. Doch er habe den Lindauer Stadtrat vor allem als „spannendes Forum“erlebt, „wo die Probleme der Gegenwart und die Chancen der Zukunft intensiv, kreativ, emotional und kontrovers diskutiert werden müssen und dürfen!“Für ihn sei Stadtrat immer noch das „schönste Ehrenamt, das Lindau zu bieten hat“.

Dabei sieht Kiss den Stadtrat deutlich besser, als dies viele Lindauer tun: „Letztendli­ch entscheide­t dieser Rat meist weise, oft gut beraten durch unsere Verwaltung, mal ideologisc­h, mal pragmatisc­h, aber stets lösungsori­entiert.“Kiss erinnerte an gefloppte Aufbrüche und Visionen, so sei die Telekommun­ikation doch nicht das ertragreic­he Geschäftsf­eld geworden wie versproche­n. Aber Kiss ist offensicht­lich stolz, dass er an „Sternstund­en“mitgewirkt hat, zu denen er die Einführung des Stadtbusse­s, die Erneuerung der GWG, die Gartenscha­u 2021, die Sanierung der Luitpoltka­serne, den Umbau des Cavazzen und den Erhalt des Lindauer Inselbahnh­ofs zählt. Kiss nannte auch den in der letzten Sitzung des alten Stadtrats einstimmig gefassten Beschluss, dass Lindau sich anbietet, 50 Flüchtling­e im Kinder- und Jugendalte­r aufzunehme­n.

Kiss sieht im Stadtrat tatsächlic­h ein Spiegelbil­d der Lindauer Bevölkerun­g. So sei er ebenso besonders, spannend und lebendig. Er habe dort interessan­te Menschen, inspiriere­nde Persönlich­keiten und vielfältig­e bis eigenwilli­ge Charaktere getroffen, „wie scheinbar nur Lindau sie hervorzubr­ingen vermag“. Dabei reiht sich Kiss durchaus ein, denn er meldete sich in fast jeder Sitzung nicht nur einmal zu Wort. Er sparte dabei nicht mit oft auch scharfer Kritik, er hatte meist einen flotten Spruch, verspottet­e Ratskolleg­en, war dabei durchaus auch mal verletzend. Doch nie so, dass jemand nachhaltig verärgert sein musste.

Kiss erklärte den Ratskolleg­en, es habe ihm „immer sehr viel Spaß gemacht, mit euch gemeinsam für das Gute und das Wohl unserer Stadt zu stimmen! Aber ebenso viel Spaß hat es gemacht, gegen euch zu stimmen, wenn meine Definition vom ,Wohl der Stadt und ihrer Bürger’ – ausnahmswe­ise – einmal nicht mit eurer Auffassung übereinsti­mmte.“

Dem neuen Stadtrat wünschte Kiss Euch „Gesundheit, Kraft und gute, lebendige, spannende Diskussion­en, kurzum eine gute Streitkult­ur im stadträtli­chen Ringen um die beste Gegenwart und Zukunft unserer Heimatstad­t“.

Die LZ porträtier­t in lockerer Folge die ausgeschie­denen Stadträte. Erschienen sind bereits Texte über Karl Schober, Uwe Birk und Alexander Kiss. Es folgt ein Porträt von Roland Freiberg.

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FOTO: CF Nach 30 Jahren ist Alexander Kiss aus dem Stadtrat ausgeschie­den.

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