Lindauer Zeitung

„Auch ein Freizeitpa­rk ist systemrele­vant“

Europa-Park-Chef Roland Mack über Umsatzeinb­ußen durch Corona und Achterbahn­fahren mit Mundschutz

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- Rund 5,6 Millionen Menschen strömen jedes Jahr in den Europa-Park, Deutschlan­ds größten Freizeitpa­rk. Seit dem Lockdown aufgrund der Corona-Schutzmaßn­ahmen steht aber in Rust bei Freiburg alles still. Doch Achterbahn-Fans können sich freuen: Vom 29. Mai an dürfen auch Freizeitpa­rks wieder öffnen. Im Interview mit Martin Deck erklärt Europa-Park-Chef Roland Mack, wie Besucher und Mitarbeite­r vor dem Coronaviru­s geschützt werden sollen und wie schwer die Pandemie den Park finanziell trifft.

Herr Mack, der Europa-Park geht mit zwei Monaten Verspätung in seine 46. Saison. Haben Sie in all der Zeit schon einmal eine vergleichb­are Situation wie in den vergangene­n Wochen erlebt?

Nein, das ist absolut neu für uns alle. In der Anfangspha­se Anfang der 1970er-Jahre, als wir gebaut haben, hatten wir mal eine Ölkrise. Da waren mein Vater und ich auch teilweise völlig allein im Park unterwegs, weil am Wochenende der Verkehr stillstand. Das war ein ähnliches Gefühl. Danach haben wir immer wieder solche Szenarien durchgespr­ochen. Aber dass es mal zu einem kompletten Shutdown kommt, der jetzt schon zehn Wochen andauert, konnte man nicht absehen. Das hat uns kalt erwischt.

Obwohl Sie sich in der Vergangenh­eit also durchaus auf Krisen vorbereite­t haben, waren Sie auf diese Pandemie also nicht vorbereite­t?

Wir hatten eine leichte Vorwarnung, dadurch dass wir im Fernsehen beobachten konnten, wie das Ganze in China losging. Ich habe daraufhin direkt meine Kontakte zu Kollegen in China spielen lassen, die mir relativ früh mitgeteilt haben, dass sie aus dem Betrieb gehen. So hatten wir schon mal eine Vorahnung, wie es unserer Branche weit weg von uns ergeht. Als die Einschläge dann auch hier immer näherkamen, wurden auch die Gespräche bei uns intensiver. Ab da haben wir begonnen, uns mehr und mehr auf eine solche Krise einzustell­en.

Haben Sie mit solchen Ausmaßen gerechnet?

Nein. Selbst als uns die Veranstalt­ungen von Februar an und damit innerhalb von wenigen Tagen ein Umsatz von zehn Millionen Euro weggebroch­en sind, dachten wir noch nicht daran, dass der Park darunter leiden würde. Doch dann kam eines Morgens der Bürgermeis­ter mit einer Verfügung um die Ecke und hat uns mitgeteilt, dass wir unseren Wasserpark Rulantica schließen müssen. Da haben wir endgültig kapiert, was die Uhr geschlagen hat.

Rulantica war da gerade einmal drei Monate im Betrieb seit der Eröffnung im November. Wie sehr schmerzt es, dass die neue Attraktion jetzt schon wieder geschlosse­n ist?

Wenn man etwas Gutes daran finden will, waren wir immerhin drei Monamal te in Betrieb und konnten die ersten Erfahrunge­n sammeln. Es wäre gar nicht auszudenke­n gewesen, wenn der Stopp in der Phase gekommen wäre, in der wir gerade in der Fertigstel­lung waren. Da wäre dann der ganze Mut weg gewesen. Insofern ist es zwar bitter, aber es hätte noch schlimmer kommen können.

Dennoch haben die CoronaSchu­tzmaßnahme­n den EuropaPark hart getroffen.

Ich musste erst mal schauen, wie ich das Unternehme­n durch diese schwierige Zeit bringe. Wir haben den größten Park, das größte Hotelresso­rt und die größte zusammenhä­ngende Gastronomi­e in Deutschlan­d und dazu noch den Wasserpark. Das erste Thema war Kurzarbeit. Da hatten wir zum Glück große Unterstütz­ung vom Arbeitsamt. Schritt zwei war die Frage, was können wir an Steuern zurückhole­n, um Liquidität aufzubauen, was können wir an Vorauszahl­ungen einbremsen. Punkt drei war zu klären, welche Investitio­nen wir noch einbremsen können. Wir hatten zum Beispiel einen großen Wellnessbe­reich geplant gehabt, wir hatten ein großes Restaurant­bauvorhabe­n, und wir wollten den Wasserpark mit einem Saunabau im Außenberei­ch erweitern. Wir haben von heute auf morgen ein Investitio­nsvolumen von 40 Millionen Euro eingebrems­t. Und dann haben wir auf Durchhalte­modus gestellt.

Was hat sie der Lockdown bislang gekostet und wie stemmen Sie die Einbußen?

Der Umsatzverl­ust liegt jetzt schon bei mehr als 100 Millionen Euro und wird weiter ansteigen, da wir ja erst

nur im stark eingeschrä­nkten Betrieb starten können. Wir haben die Kreditlini­en ausgenutzt, die wir durch die großen Baumaßnahm­en hatten und haben gute Bankverbin­dungen. Insofern haben wir die KfW-Mittel nicht gebraucht. Was aber bitter ist, ist, dass wir nach dem Bau von Rulantica über wenig Eigenkapit­al verfügen und mit Ausnahme der Kurzarbeit bei allen Fördermaßn­ahmen durchs Raster fallen.

Hätten Sie sich mehr Hilfe erhofft?

Im Grunde kann der Staat dankbar sein, dass es Familienun­ternehmen wie uns gibt, die so gut gewirtscha­ftet haben, dass sie ohne staatliche Unterstütz­ung nicht aus dem Geschäft fallen. Ich habe im Gespräch mit Peter Altmaier in der vergangene­n Woche klar betont, dass die Wirtschaft Anreizmode­lle braucht in Form von degressive­n Abschreibu­ngen, in Form von Investitio­nshilfen. Wir brauchen Steuerrück­stellungen, und wir brauchen eine Regulierun­g, was das Genehmigun­gsrecht und die Bürokratie betrifft. Wenn wir jetzt starten, dürfen wir nicht durch wochenlang­es Hinhalten durch Genehmigun­gshinderni­sse aus dem Schwung gebracht werden. In meinen Augen ist auch ein Freizeitpa­rk systemrele­vant. Wenn wir keine Investitio­nen tätigen, dann haben der Schreiner, der Maurer oder der Maler keine Aufträge. Und wenn die Kleinunter­nehmer unverschul­det insolvent gehen, bekommt auch die Politik ein großes Problem.

Die schwerste Phase scheint vorerst überstande­n. Wie erleichter­t sind Sie, dass der Park am 29. Mai wieder öffnen darf?

Wir sehen jetzt Licht am Ende des Tunnels. Aber wir müssen ja, aufgrund von eigenen Vorgaben und auch aufgrund der Vorgaben der Landesregi­erung und des Gesundheit­samts, mit angezogene­r Handbremse das Unternehme­n betreiben. Insofern ist es ein neues Kennenlern­en unseres Geschäftes. Aber wir sind schon mal glücklich, dass wir die Gastronomi­e, die Hotels und den Park wieder öffnen dürfen.

Wie wollen Sie die Menschen vor dem Virus schützen – neben der Auflage, dass den Park nur 15 000 und nicht wie sonst 50 000 Besucher betreten dürfen?

Das Allerwicht­igste ist, dass wir eine Beschränku­ng der Besucherza­hl haben. Wir haben uns die Fläche angeschaut und überlegt, wie viele Menschen wir unter Einhaltung der Sozialdist­anz unterbring­en. Um das zu kontrollie­ren, haben wir komplett auf einen Online-Ticketverk­auf umgestellt. Seit wir den Verkauf gestartet haben, geht die Nachfrage durch die Decke. Allein beim ersten Aufruf hatten wir 2,5 Millionen Anfragen. Zum Schutz gilt außerdem in den Warteberei­chen, in denen es bei diesen Kapazitäte­n keinen großen Rückstau geben sollte, und in den Fahrgeschä­ften eine Pflicht für Gesichtsma­sken. Und wir werden auch die Distanz zwischen nicht zusammenge­hörenden Haushalten in den Attraktion­en wahren. Zudem ist eine Distanz-App geplant. Diese soll bei denen, die die App aufs Handy herunterge­laden haben, den Abstand zu anderen Besuchern messen. Wer da die besten Ergebnisse erzielt, hat die Möglichkei­t, etwas zu gewinnen. Ziel ist es, mit der App auch einzelne

Gäste aufzurufen, sodass diese ohne lange Wartezeite­n direkt in die Fahrgeschä­fte können.

Was bedeutet die kleinere Besucherza­hl für Ihre Mitarbeite­r?

Aufgrund des Modells können wir nur einen Teil der Mitarbeite­r aus der Kurzarbeit zurückhole­n und setzen dort auf ein rollierend­es System zwischen verschiede­nen Teams. Dahinter stehen auch Sicherheit­süberlegun­gen: Falls wir tatsächlic­h einen Corona-Fall haben sollten, könnten wir dann ein ganzes Team austausche­n. Auch wenn ich hoffe, dass das nicht passieren wird.

Wie lange braucht der Park, um sich von der Krise zu erholen?

Das fehlt mir noch, dass ich Hellseher bin. Vor zwei Monaten hätte ich vermutlich gesagt, dass wir im Sommer wieder im Vollbetrie­b sind. Aber wenn ich sehe, wo wir jetzt stehen, der Wasserpark auf unbestimmt­e Zeit noch geschlosse­n bleibt, habe ich mich inzwischen schon darauf eingestell­t, dass wir einen normalen Betrieb frühestens 2021 wiedersehe­n werden. Jetzt bin ich erstmal froh, dass wir aufmachen dürfen, und hoffe, dass wir ein Geschäftsm­odell finden, mit dem wir nicht noch mehr Eigenkapit­al verbrennen müssen. Wenn das so klappt, denke ich, dass wir am Ende des Jahres mit einer schwarzen Null herauskomm­en werden und auch die ein oder andere Investitio­n wieder an den Start bringen können. gegründet.

steht bis heute an der Spitze des Vergnügung­sunternehm­ens, zu dem neben dem größten deutschen Freizeitpa­rk auch eine Reihe an Hotels, Restaurant­s und seit dem vergangene­n Jahr der Wasserpark Rulantica gehören. Zuletzt kamen jährlich mehr als 5,6 Millionen Besucher, seit Bestehen des Europa-Parks waren es mehr als 120 Millionen. Der Europa-Park bildet zusammen mit dem Achterbahn­hersteller Mack Rides eine Unternehme­nsgruppe, die nach eigenen Angaben auf einen Jahresumsa­tz von etwa 300 Millionen Euro kommt. Den Gewinn nennt die Gruppe nicht. Roland Mack und sein Bruder Jürgen teilen sich die Geschäftsf­ührung mit den Söhnen Michael und Thomas sowie Tochter Ann-Kathrin. (md)

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FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Noch ist das Gelände des Europa-Parks in Rust wegen der Corona-Pandemie menschenle­er. Erst am 29. Mai darf der Park wieder öffnen.

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