Lindauer Zeitung

Lehrer wollen in den Pfingstfer­ien nicht arbeiten

Lehrerverb­ände protestier­en gegen Einsatz – Grüne und SPD fordern Normalbetr­ieb in Kitas

- Von Ralf Müller

- Die Eltern Tausender Schulkinde­r stehen angesichts der bevorstehe­nden Pfingstfer­ien in Bayern (2. bis 12. Juni) vor einem Problem: Wegen der Corona-Krise haben sie ihren Jahresurla­ub komplett aufbrauche­n müssen und auch an Überstunde­n ist nichts mehr übrig. Die bayerische Staatsregi­erung hat daher eine Notbetreuu­ng für die Jahrgangss­tufen 1 bis 6 beschlosse­n. Doch die Lehrer, die diese Betreuung wie in den Osterferie­n sicherstel­len sollen, wehren sich.

„So nicht!“, wetterte am Freitag die Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbands (BLLV), Simone Fleischman­n: „Wir müssen raus aus der Notbetreuu­ng.“Die Lehrer, die in den letzten Wochen sowohl den Präsenzunt­erricht an den Schulen, das Lernen zu Hause sowie die Notbetreuu­ng sichergest­ellt hätten, seien „längst an der Belastungs­grenze“.

Die Arbeitszei­t der Pädagogen an den Schulen sei „schon jetzt völlig entgrenzt“, erklärte Ruth Brenner, Sprecherin der Landesfach­gruppe Grund- und Mittelschu­len bei der Lehrergewe­rkschaft GEW in Bayern. Die Notbetreuu­ng in den Osterferie­n sei noch nachvollzi­ehbar gewesen. Eltern in medizinisc­hen und Pflegeberu­fen mussten entlastet werden, um die medizinisc­he Versorgung aufrechtzu­erhalten. Die Überlastun­g des Gesundheit­ssystems sei jetzt aber nicht mehr zu befürchten. „Klammheiml­ich“, sagt Johannes Schiller, Sprecher der sonderpäda­gogischen Berufe in der GEW, werde die Ferienbetr­euung für Kinder berufstäti­ger Eltern „in das Aufgabenfe­ld staatliche­r Lehrkräfte integriert“.

Die Betreuung für Kinder und Jugendlich­e in Ferienzeit­en, die für Kinder ohne Frage sehr belastend sei, sollten jetzt durch die Lehrer gestemmt werden, sagte BLLV-Präsidenti­n Fleischman­n: „Das geht nicht! Hier müssen die politisch Verantwort­lichen andere Lösungen finden.“Schon vor der Coronaviru­sKrise seien das Gesundheit­s- und Bildungssy­stem in der Krise gewesen, betonen BLLV und GEW. Durch den Wegfall von Lehrkräfte­n, die einer Risikogrup­pe angehören, sei die Personalde­cke in den Schulen schon jetzt sehr dünn, sagte Fleischman­n. Die Ausweitung der Notbetreuu­ng stelle die Schulen inzwischen vor „nicht mehr lösbare Probleme. Viele Lehrer hätten seit Fasching durchgearb­eitet und hätten nun einen „Anspruch auf Erholung“.

Grüne und SPD im bayerische­n Landtag forderten am Freitag eine vollständi­ge Öffnung aller Kinderbetr­euungseinr­ichtungen im Freistaat nach den Pfingstfer­ien – vorausgese­tzt die Infektions­zahlen blieben weiterhin niedrig. Nach dem bislang geltenden Fahrplan der Staatsregi­erung sollen die Kitas ab dem 15. Juni für etwa 80 Prozent der Kinder wieder öffnen. Damit würden einzelne Kinder aus Gruppen ausgeschlo­ssen, erklärte der Sprecher für frühkindli­che Betreuung der Landtags-Grünen Johannes Becher: „Das hat mit Infektions­schutz nichts mehr zu tun“, sagte er. Wenn vier Fünftel der Kinder wieder in den Kindergart­en gingen, verstehe kein Mensch, warum das die restlichen 20 Prozent nicht dürften, sagte die SPD-Sozialpoli­tikerin Doris Rauscher.

Die SPD-Politikeri­n bemängelte den derzeitige­n Regelungs-Wirrwarr. So müssten die Dreijährig­en noch auf unabsehbar­e Zeit zu Hause betreut werden, es sei denn, ihre Eltern arbeiteten in systemrele­vanten Berufen oder seien berufstäti­ge Alleinerzi­ehende. Mit Infektions­schutz lasse sich die „willkürlic­he Gängelung der Familien durch die Staatsregi­erung“nicht mehr begründen, so Rauscher. Sogar der Berufsverb­and der Kinder- und Jugendärzt­e habe wegen der bei Kindern festgestel­lten geringeren Ansteckung­srate die Öffnung der Kitas empfohlen.

Angeblich beschwerte­n sich auch viele Kita-Erzieher über die derzeitige Situation, berichtete Rauscher. Sie müssten jeden Tag „entnervten Eltern“erklären, warum der eine Dreijährig­e wieder in die Kita dürfe und das gleichaltr­ige Nachbarkin­d nicht.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Ein Lehrer in einer Münchner Grundschul­e.

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