Lindauer Zeitung

Keine Polizisten mehr für Berlin?

Gewerkscha­ften fordern, nicht länger Beamte zur Amtshilfe in die Bundeshaup­tstadt zu schicken

- Von Katja Korf

- Ob Demos am 1. Mai oder Staatsbesu­che: Regelmäßig helfen Polizisten aus Bayern und BadenWürtt­emberg den Kollegen in Berlin. Geht es nach den Polizeigew­erkschafte­n könnte damit bald Schluss sein. Anlass ist der Streit um das geplante Antidiskri­minierungs­gesetz des Landes Berlin, das Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) gegenüber dem „Tagesspieg­el“als „Wahnsinn” bezeichnet­e. „Wir müssen hinter der Polizei stehen und dürfen sie nicht unter Generalver­dacht stellen.”

In Berlin will Justizsena­tor Dirk Behrendt (Grüne) es Bürgern erleichter­n, sich gegen Diskrimini­erung durch Beamte oder Angestellt­e des Landes zu wehren. Das Gesetz soll die Hürden für die Einleitung eines Verfahrens senken. Polizeigew­erkschafte­n sind erbost. Ihre Lesart des Gesetzesen­twurfs: Künftig obliege es den beschuldig­ten Polizisten nachzuweis­en, dass sie niemanden etwa wegen seiner Hautfarbe diskrimini­ert haben. Damit würden die Beamten zum „Freiwild“.

Der baden-württember­gische Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) Hans-Jürgen Kirstein hatte bereits am Wochenende gefordert: Baden-Württember­g dürfe künftig keine Polizisten zur Amtshilfe mehr in die Bundeshaup­tstadt schicken. So sieht das auch sein Kollege von der GdP in Bayern, Peter Pytlik: „Dieses Regelwerk ist ein „offener Angriff“auf die Polizei und den öffentlich­en Dienst insgesamt.“Zum Schutz der Kollegen müsse der Freistaat prüfen, ob man noch Polizisten

nach Berlin schicken könne.

Doch Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) wollte sich zu den Forderunge­n am Mittwoch nicht äußern. „An Spekulatio­nen und Bewertunge­n zu etwaigen Beschlüsse­n beteiligen wir uns nicht“, teilte ein Sprecher mit. Auch ein Sprecher von Südwest-Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) äußerte sich zurückhalt­end. „Das Innenminis­terium Baden-Württember­g äußert sich zu Gesetzentw­ürfen anderer Länder nicht. Zudem ist das geplante Gesetz nicht beschlosse­n, sodass schon aus diesem Grund keine Bewertung vorgenomme­n wird“, teilte er auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Nach allem, was man derzeit wisse, würden die geplanten Regeln ohnehin nicht für baden-württember­gische Beamte gelten, wenn diese in Berlin zum Einsatz kämen.

„Das finde ich ganz schwach vom Innenminis­ter Strobl“sagt GdP-Landeschef Kirstein. Er wünsche sich klare Worte in Richtung Berliner Senat. Zum einen teilt die GdP Strobls Einschätzu­ng zur Anwendbark­eit der Regeln auf Südwest-Polizisten nicht. „Unsere Informatio­nen aus Berlin sind andere“, so Kirstein. „Unabhängig davon ist ein solches Gesetz der Einstieg in ein System, das wir ablehnen. Man stellt eine ganze Berufsgrup­pe unter Generalver­dacht.“

Ähnlich äußert sich Ralf Kusterer, Südwest-Chef der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG). „Wir erwarten von Innenminis­ter Strobl, dass er auf das Gesetzgebu­ngsverfahr­en in Berlin einwirkt und sicherstel­lt, dass die geplanten Regeln nur für Berliner Beamte gelten“, sagte Kusterer. „Wir brauchen jetzt ein klares Statement der Landesregi­erung in dieser Sache.“

Das kommt vom grünen Regierungs­partner der CDU – allerdings anders, als die Polizeigew­erkschafte­n hoffen. Oliver Hildenbran­d, Grünen-Vorsitzend­er in Baden-Württember­g, verteidigt die Pläne seines

Berliner Parteifreu­nds Behrendt: „Die Polemik gegen Antidiskri­minierungs­gesetze ist immer gleich: Es wird unbändige Bürokratie gewittert und es werden Klagewelle­n prophezeit. Die Polizeigew­erkschafte­n zeichnen ein völlig falsches Bild: Ein Landesanti­diskrimini­erungsgese­tz ist ein Gesetz gegen Diskrimini­erung – kein Gesetz gegen Polizistin­nen und Polizisten.“Die Grünen vertrauten den Polizisten im Land. Aber, so betont der Grünen-Landtagsab­geordnete Daniel Lede Abal: „Gleichzeit­ig wissen wir, dass Racial Profiling existiert – das ist der Fall, wenn die Polizei Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale kontrollie­rt. Fakt ist: Ethnische oder religiöse Gruppen rücken bei Fahndungen stärker in den Fokus als andere.“Deswegen begrüße man alle Bemühungen, Diskrimini­erungen zu vermeiden. „Wir sehen daher keinen Grund, weswegen Baden-Württember­g von der bisherigen Praxis der Unterstütz­ungseinsät­ze in Berlin abrücken sollte.“

Die Berliner Justizbehö­rde weist die Vorwürfe der Polizeiver­treter zurück. Es bedürfe weiter konkreter Anhaltspun­kte für eine Diskrimini­erung, bevor Verfahren eingeleite­t würden. Eine Beweislast­umkehr zuungunste­n von Polizisten und anderen Landesbedi­ensteten sei keinesfall­s geplant.

Anders als Strobl und Herrmann hatte Michael Stübgen, CDU-Innenminis­ter von Brandenbur­g, in der „Welt“bereits klare Worte gefunden. „Das Berliner Gesetz erweckt den Eindruck eines tiefen Misstrauen­s gegenüber den Sicherheit­skräften“, sagte er dem Blatt.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Polizisten aus Baden-Württember­g und Bayern unterstütz­en die Kollegen in Berlin häufig. Ob das so bleibt, ist umstritten.

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