Misstrauen gegen China reicht bis an den Bodensee
Ist der neue Präsident der Zeppelin Universität in Friedrichshafen Peking zu wohlgesonnen? Klaus Mühlhahn weist das zurück
Der Beziehungsstatus ist kompliziert: China sei „gleichzeitig Partner und systemischer Rivale“, befanden die EU-Regierungen erst im März. Deutschlands wichtigster Handelspartner schickt sich in der Corona-Krise an, den USA den Rang als führende Weltmacht abzulaufen. Insbesondere der Südwesten hat ein Interesse an einer engen Kooperation: 2015 flog Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit einer 120-köpfigen Delegation von Politik-, Wirtschafts- und Wissenschaftsvertretern für eine ganze Woche in die Volksrepublik, um die Beziehungen zu vertiefen.
Gleichzeitig stößt das zunehmend selbstbewusste Agieren der Regierung in Peking auf wachsendes Unbehagen: Erst am Freitagmorgen verurteilten zahlreiche Abgeordnete im Bundestag das Vorgehen der Großmacht im (noch) halbautonomen Hongkong scharf. Auch in Deutschland wächst die Sorge vor dem wachsenden Einfluss im Land:
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnt vor dem Ausverkauf deutscher Unternehmen. Und die Politik streitet über die Frage, ob man aus Angst vor ungewollter Überwachung den chinesischen Anbieter Huawei vom Ausbau des hiesigen 5G-Netzes ausschließen sollte.
Nun erreicht die Debatte auch die Zeppelin Universität (ZU) in Friedrichshafen am Bodensee. An der Privatuni mit ihren derzeit knapp 1000 Studierenden tritt am kommenden Montag mit dem neuen Präsidenten Klaus Mühlhahn ein ausgewiesener Chinakenner sein Amt an.
Noch ist der Sinologe Vize an der Freien Universität (FU) Berlin – und steht dort derzeit als Chinaversteher in der Kritik: Die „Welt“warf der FU am Montag vor, die eigene Gründungsgeschichte angepasst zu haben, um einen aus China bezahlten Lehrstuhl zu ergattern. Der Vorwurf wiegt schwer, denn die Westberliner FU war 1948 als Antwort auf Repressionen an der Ostberliner Universität gegründet worden. Zudem gibt es laut „Welt“fragwürdige Absprachen und Partnerschaften, unter anderem mit der Universität Peking (PKU). Wegen dieser drohe an der FU sogar „Selbstzensur“. China-Experten gaben sich entsetzt. Die „Welt“nimmt auch gezielt Mühlhahn ins Visier: Der habe viel mit der Kooperation zu tun und gebe den Pekinger Staatsmedien regelmäßig Interviews, in denen er das Bildungssystem lobe.
Mühlhahn weist den Vorwurf der großen Nähe zum chinesischen Staat zurück. Das Gegenteil sei richtig. „Ich habe mich in vielen Beiträgen in den Medien sehr kritisch zu Entwicklungen in China geäußert“, betont er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Allein zum 30. Jahrestag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 2019 habe er sich in mehreren Publikationen geäußert. Unter anderem habe er vor zehn Jahren auch ein Buch über die Gefängnisse und Lagersysteme in China geschrieben. Ein Zitat, in dem er die Öffnungspolitik Chinas lobt, sei aus dem Zusammenhang gerissen worden und zudem nicht autorisiert gewesen.
Auch Kritik an einem Vortrag vor der Reformkommission der Pekinger Zentralregierung weist Mühlhahn zurück: „Mir ist es ein Anliegen, den deutsch-chinesischen Dialog zu unterstützen. Ich setze mich für ein besseres Verständnis zwischen beiden Ländern in meinem Fachgebiet und für Zusammenarbeit und Austausch ein“, erklärt er.
Auch Mühlhahns Noch-Arbeitgeber, die FU in Berlin, weist die Vorwürfe zurück: Die verkürzte Darstellung der Universitätsgeschichte habe nur am mangelnden Platz im Antragsformular für die Professur gelegen. Auch die Zusammenarbeit mit China laufe gut. Es gebe keinerlei Hinweise auf Einflussnahme und Einmischung durch China.
Ob Mühlhahn die ZU stärker auf China ausrichten will, ist offen. Derzeit liegen vier der 91 Partnerunis der Friedrichshafener auf dem chinesischen Festland und eine in Taiwan. In den nächsten Monaten wolle man die internationale Strategie aktualisieren und überlegen, welche Partnerschaften man ausbauen wolle, teilt die ZU mit. „Ob und welche chinesischen Universitäten darunter sein werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar.“