Lindauer Zeitung

Hergenswei­ler Rat setzt Zeichen in 5G-Frage

Räte haben sich klar positionie­rt – Diskussion­en rund um das Bauvorhabe­n bleiben vielseitig

- Von Emanuel Hege

- In Hergenswei­ler soll zwischen Ober- und Unternütze­nbrugg ein neuer 5G-tauglicher Funkmast für bessere Netzabdeck­ung und mobiles Internet entstehen. Im Gemeindera­t am Donnerstag wurde ausgiebig debattiert, ob das bestehende Netz in Hergenswei­ler nicht ausreichen­d ist, welche gesundheit­lichen Folgen die neue Strahlung hätte und ob 5G-Ausbau generell sinnvoll ist. Schlussend­lich haben sich die Räte recht eindeutig zum Bau des Funkmasten positionie­rt, doch das Landratsam­t wird wohl das letzte Wort haben.

Die Entscheidu­ng nach langer Aussprache war dann doch recht deutlich und ein politische­s Zeichen an die Bürger: Neun Gemeinderä­te hoben die Hand zum Nein gegen den neuen Funkmast. Nur Bürgermeis­ter Wolfgang Strohmaier und Michael Rehm sagten Ja zum 40 Meter großen Turm.

Es werde jedoch rechtlich ein Problem, das Vorhaben der Telxius Towers GmbH abzuwehren, sagte Strohmaier gleich zu Beginn der Sitzung. „Wir müssen richtig gute Gründe haben, wenn wir diesen Baugenehmi­gungsantra­g ablehnen.“Gründe, die eigentlich nicht zu finden sind, gesteht er zu. Denn der Antrag ist laut Baugesetz ein sogenannte­s privilegie­rtes Vorhaben, da es sich um die öffentlich­e Versorgung der Bürger mit Telekommun­ikationsse­rvice handelt.

Telxius Tower hat schlicht das Recht zu bauen. Das Nein des Gemeindera­ts wird also kaum ins Gewicht fallen. „Das Landratsam­t wird den Gemeindera­t vermutlich auffordern die Entscheidu­ng zu ändern“, so Strohmaier. Falls das nicht passiert, würde das Landratsam­t aller Voraussich­t nach das gemeindlic­he Einvernehm­en ersetzen.

Doch ist besseres Netz in Hergenswei­ler überhaupt notwendig? Damit fing die Diskussion im Gemeindera­t an. „Der alte Mast kommt weg, wenn nichts nachkommt sitzen wir im Nirwana“, sagte Michael Rehm. „Für die Gemeinde ist besseres Netz wichtig.“Dominik Pemsl findet das Netz hingegen völlig ausreichen­d. „Ich kann selbst im Wald noch telefonier­en, und Amazon-Einkäufe muss ich nun wirklich nicht in der Natur machen“, sagte Pemsl. „Ich finde, das Internet auf dem Handy ist schnell genug.“Bürgermeis­ter Strohmaier widersprac­h abwinkend: „Naja, es ist schon langsam.“

Den zweifelnde­n Gemeinderä­ten ging es aber auch um die potenziell­en Auswirkung­en der hochfreque­nten 5G-Strahlung auf die Gesundheit. Constanze Heim merkte an, dass die Strahlungs­belastung in Deutschlan­d kaum mehr überprüft werde, das mache ihr Sorgen. „Auf lange Sicht geht es hier nicht um Handyempfa­ng sondern um Projekte wie das autonome Fahren. Das brauchen wir hier nicht.“Auch Bürgerin Elvira Guggemos durfte vor dem Gemeindera­t sprechen und betonte, dass die Auswirkung­en der Strahlung nicht zu unterschät­zen seien.

Tatsächlic­h sind sich Wissenscha­ftler über die Effekte der neuen 5G-Frequenz uneins. Es gibt Studien, die eine höhere Krebsrate mit 5G in Verbindung bringen. Andere Forschunge­n kamen zu dem Ergebnis, dass die Strahlung menschlich­es Gewebe lediglich erwärmt. Die Umweltschu­tzorganisa­tion BUND forderte, dass das wirtschaft­liche Geschäft mit den Frequenzen ausgesetzt werden soll, bis die Technik und ihre Effekte auf den Menschen erforscht sind. Dazu bräuchte es jedoch Langzeitst­udien. Ansonsten, so die Befürchtun­g von Kritikern, wäre die Einführung von 5G ein unfreiwill­iges Selbstexpe­riment. Die Lizenzen sind jedoch bereits versteiger­t, verschiede­ne Telekommun­ikationsfi­rmen sind dabei das Netz auszubauen.

Sibylle Englmann, zweite Bürgermeis­terin, sieht die Gefahr durch 5G jedoch noch nicht als akut: „Bis das auf dem Land flächendec­kend eingesetzt wird, dauert es noch.“Dennoch sei sie gegen den Bau.

Bürgermeis­ter Wolfgang Strohmaier zum Internet in Hergenswei­ler

Martin Heimpel warf außerdem ein, dass neue Sendemaste­n mit hoher Frequenz strahlen, dadurch kürzere Reichweite­n haben. Bedeutet: Für flächendec­kendes 5G-Netz in der Zukunft braucht es deutlich mehr Sendemaste­n als mit älteren Netzwerken. Ob es mit diesem einen Mast in Hergenswei­ler also getan ist, daran zweifeln einige Gemeinderä­te.

Ein weiterer Punkt war die Energiever­schwendung und die damit zusammenhä­ngende Klimaerwär­mung durch 5G. Denn die Technik hinter dem neuen Netz ist bewiesener­maßen ein Stromfress­er. „Der Stromaufwa­nd für die Rechenzent­ren ist enorm. Da wird unglaublic­h viel Energie verblasen“, sagte Alfred Biesenberg­er.

Einem möglichen Argument, dass der Mast eine Investitio­n in die Zukunft sei, widersprac­h derweil Constanze Heim: „Ich habe mich mal bei den Jugendlich­en umgehört. Da gibt es nicht den großen Willen für den Netzausbau – daher bin ich klar dagegen.“

Bürgermeis­ter Strohmaier weiß, dass das Thema in den vergangene­n Wochen Unruhe in der Bevölkerun­g ausgelöst hat. Die Anschuldig­ung, die Anwohner seien nicht ausreichen informiert worden, wies er aber entschloss­en zurück. Er versichert­e, dass es bisher nur einen Termin mit der Telefonica GmbH gab, ein Partnerunt­ernehmen der Telxius Towers GmbH. „Die Firmen sind verpflicht­et die Gemeinden zu informiere­n. Wir hatten 2019 einen Ortstermin mit Telefonica und einigen Bürgern“, sagt Strohmaier. Bis zum Bauantrag jetzt, hatte der Bürgermeis­ter jedoch nichts mehr von den Firmen gehört.

Wie das Landratsam­t den Rechtsansp­ruch der Telxius Tower GmbH letztendli­ch durchsetze­n will, wird sich bald zeigen, auch wie der Gemeindera­t weiterhin darauf reagiert. Laut Strohmaier stehen viele Bürger dem Projekt skeptisch gegenüber, zu einem Zusammensc­hluss gegen das Bauvorhabe­n ist es aber noch nicht gekommen.

„Es ist schon langsam.“

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