Hergensweiler Rat setzt Zeichen in 5G-Frage
Räte haben sich klar positioniert – Diskussionen rund um das Bauvorhaben bleiben vielseitig
- In Hergensweiler soll zwischen Ober- und Unternützenbrugg ein neuer 5G-tauglicher Funkmast für bessere Netzabdeckung und mobiles Internet entstehen. Im Gemeinderat am Donnerstag wurde ausgiebig debattiert, ob das bestehende Netz in Hergensweiler nicht ausreichend ist, welche gesundheitlichen Folgen die neue Strahlung hätte und ob 5G-Ausbau generell sinnvoll ist. Schlussendlich haben sich die Räte recht eindeutig zum Bau des Funkmasten positioniert, doch das Landratsamt wird wohl das letzte Wort haben.
Die Entscheidung nach langer Aussprache war dann doch recht deutlich und ein politisches Zeichen an die Bürger: Neun Gemeinderäte hoben die Hand zum Nein gegen den neuen Funkmast. Nur Bürgermeister Wolfgang Strohmaier und Michael Rehm sagten Ja zum 40 Meter großen Turm.
Es werde jedoch rechtlich ein Problem, das Vorhaben der Telxius Towers GmbH abzuwehren, sagte Strohmaier gleich zu Beginn der Sitzung. „Wir müssen richtig gute Gründe haben, wenn wir diesen Baugenehmigungsantrag ablehnen.“Gründe, die eigentlich nicht zu finden sind, gesteht er zu. Denn der Antrag ist laut Baugesetz ein sogenanntes privilegiertes Vorhaben, da es sich um die öffentliche Versorgung der Bürger mit Telekommunikationsservice handelt.
Telxius Tower hat schlicht das Recht zu bauen. Das Nein des Gemeinderats wird also kaum ins Gewicht fallen. „Das Landratsamt wird den Gemeinderat vermutlich auffordern die Entscheidung zu ändern“, so Strohmaier. Falls das nicht passiert, würde das Landratsamt aller Voraussicht nach das gemeindliche Einvernehmen ersetzen.
Doch ist besseres Netz in Hergensweiler überhaupt notwendig? Damit fing die Diskussion im Gemeinderat an. „Der alte Mast kommt weg, wenn nichts nachkommt sitzen wir im Nirwana“, sagte Michael Rehm. „Für die Gemeinde ist besseres Netz wichtig.“Dominik Pemsl findet das Netz hingegen völlig ausreichend. „Ich kann selbst im Wald noch telefonieren, und Amazon-Einkäufe muss ich nun wirklich nicht in der Natur machen“, sagte Pemsl. „Ich finde, das Internet auf dem Handy ist schnell genug.“Bürgermeister Strohmaier widersprach abwinkend: „Naja, es ist schon langsam.“
Den zweifelnden Gemeinderäten ging es aber auch um die potenziellen Auswirkungen der hochfrequenten 5G-Strahlung auf die Gesundheit. Constanze Heim merkte an, dass die Strahlungsbelastung in Deutschland kaum mehr überprüft werde, das mache ihr Sorgen. „Auf lange Sicht geht es hier nicht um Handyempfang sondern um Projekte wie das autonome Fahren. Das brauchen wir hier nicht.“Auch Bürgerin Elvira Guggemos durfte vor dem Gemeinderat sprechen und betonte, dass die Auswirkungen der Strahlung nicht zu unterschätzen seien.
Tatsächlich sind sich Wissenschaftler über die Effekte der neuen 5G-Frequenz uneins. Es gibt Studien, die eine höhere Krebsrate mit 5G in Verbindung bringen. Andere Forschungen kamen zu dem Ergebnis, dass die Strahlung menschliches Gewebe lediglich erwärmt. Die Umweltschutzorganisation BUND forderte, dass das wirtschaftliche Geschäft mit den Frequenzen ausgesetzt werden soll, bis die Technik und ihre Effekte auf den Menschen erforscht sind. Dazu bräuchte es jedoch Langzeitstudien. Ansonsten, so die Befürchtung von Kritikern, wäre die Einführung von 5G ein unfreiwilliges Selbstexperiment. Die Lizenzen sind jedoch bereits versteigert, verschiedene Telekommunikationsfirmen sind dabei das Netz auszubauen.
Sibylle Englmann, zweite Bürgermeisterin, sieht die Gefahr durch 5G jedoch noch nicht als akut: „Bis das auf dem Land flächendeckend eingesetzt wird, dauert es noch.“Dennoch sei sie gegen den Bau.
Bürgermeister Wolfgang Strohmaier zum Internet in Hergensweiler
Martin Heimpel warf außerdem ein, dass neue Sendemasten mit hoher Frequenz strahlen, dadurch kürzere Reichweiten haben. Bedeutet: Für flächendeckendes 5G-Netz in der Zukunft braucht es deutlich mehr Sendemasten als mit älteren Netzwerken. Ob es mit diesem einen Mast in Hergensweiler also getan ist, daran zweifeln einige Gemeinderäte.
Ein weiterer Punkt war die Energieverschwendung und die damit zusammenhängende Klimaerwärmung durch 5G. Denn die Technik hinter dem neuen Netz ist bewiesenermaßen ein Stromfresser. „Der Stromaufwand für die Rechenzentren ist enorm. Da wird unglaublich viel Energie verblasen“, sagte Alfred Biesenberger.
Einem möglichen Argument, dass der Mast eine Investition in die Zukunft sei, widersprach derweil Constanze Heim: „Ich habe mich mal bei den Jugendlichen umgehört. Da gibt es nicht den großen Willen für den Netzausbau – daher bin ich klar dagegen.“
Bürgermeister Strohmaier weiß, dass das Thema in den vergangenen Wochen Unruhe in der Bevölkerung ausgelöst hat. Die Anschuldigung, die Anwohner seien nicht ausreichen informiert worden, wies er aber entschlossen zurück. Er versicherte, dass es bisher nur einen Termin mit der Telefonica GmbH gab, ein Partnerunternehmen der Telxius Towers GmbH. „Die Firmen sind verpflichtet die Gemeinden zu informieren. Wir hatten 2019 einen Ortstermin mit Telefonica und einigen Bürgern“, sagt Strohmaier. Bis zum Bauantrag jetzt, hatte der Bürgermeister jedoch nichts mehr von den Firmen gehört.
Wie das Landratsamt den Rechtsanspruch der Telxius Tower GmbH letztendlich durchsetzen will, wird sich bald zeigen, auch wie der Gemeinderat weiterhin darauf reagiert. Laut Strohmaier stehen viele Bürger dem Projekt skeptisch gegenüber, zu einem Zusammenschluss gegen das Bauvorhaben ist es aber noch nicht gekommen.
„Es ist schon langsam.“